Politik

Kritik nach Koalitionsausschuss Politik darf sich nicht einmischen

Nach dem Koalitionsausschuss von Union und FDP üben Opposition und Wirtschaftsexperten heftige Kritik an den Vorhaben der Bundesregierung. Der Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts mahnt: Die Politik darf sich nicht in den Benzinmarkt einmischen. Die SPD bezeichnet das Ergebnis der Sitzung als "unzureichend" und "beschämend".

Eigentlich wollte die Bundesregierung mit ihrem Koalitionsausschuss am Sonntag Einigkeit und Handlungsfähigkeit demonstrieren. Doch schon am Tag nach dem Treffen hagelt es Kritik aus der Opposition. Auch Wirtschaftsexperten stellen die Vorhaben von Union und FDP infrage. 

So riet der Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, der Politik, sich trotz der Empörung über Rekord-Benzinpreise nicht in das Marktgeschehen einzumischen. "So verständlich die Wut der Autofahrer auf steigende Benzinpreise ist, so falsch ist es, dass die Politik in das Klagelied einstimmt, oft wider besseres Wissen", schrieb Straubhaar in einem Gastbeitrag im "Handelsblatt".

Ihn irritiere auch, wenn das Bundeskartellamt die Benzinpreisbewegungen kritisiere und damit den Eindruck verbreite, als funktioniere der Benzinmarkt nicht. Dies stimme nicht. Die Gründe für die jüngsten Preisbewegungen lägen auf der Nachfrage- und der Angebotsseite. "Das Oligopol der Mineralölkonzerne spielt dagegen momentan kaum eine Rolle", schrieb Straubhaar.

Der Benzinmarkt funktioniert

Thomas Straubhaar: "Wirklich helfen kann nur, das Auto ab und zu stehen zu lassen."

Thomas Straubhaar: "Wirklich helfen kann nur, das Auto ab und zu stehen zu lassen."

(Foto: picture-alliance/ dpa)

für jugendliche Straftäter - im Koalitionsausschuss hatten sich CDU, CSU und FDP am Sonntagabend auf etliche Reformen geeinigt. So will die Koalition nach den Worten von Wirtschaftsminister Philipp Rösler auch prüfen, wie die dominierenden Mineralölkonzerne mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts besser kontrolliert werden können. Zudem hat die FDP vorgeschlagen, wegen der gestiegenen Benzinpreise die Pendlerpauschale zu erhöhen.

Auch die Forderung nach einer höheren Pendlerpauschale wies Straubhaar zurück. "Als wäre es eine öffentliche Aufgabe, für private Entscheidungen bezüglich des Wohn- und Arbeitsortes aufzukommen." Trotz aller Klagen: der Benzinmarkt funktioniere "sehr wohl, wenn auch nicht rundum im Sinne des Kunden".

Die eigentliche Gründe für die zuletzt gestiegenen Benzinpreise seien politische Unsicherheiten wegen des Bürgerkriegs in Syrien, der ungelösten politischen Querelen in Nordafrika und der Spannungen um den Iran. Hinzu kämen bei der Nachfrage die besseren Konjunkturaussichten in den USA und vielen Schwellenländern. Forderungen, den Mineralölkonzernen den Krieg zu erklären, führten nicht weiter. "Wirklich helfen kann nur, das Auto ab und zu stehen zu lassen", so Straubhaar.

Ein beschämendes Ergebnis

Demonstrative Einigkeit: CSU-Chef Seehofer (l.), Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Außenminister Westerwelle (FDP) gehen nach dem Ende des Koalitionsauschusses zur gemeinsamen Pressekonferenz.

Demonstrative Einigkeit: CSU-Chef Seehofer (l.), Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Außenminister Westerwelle (FDP) gehen nach dem Ende des Koalitionsauschusses zur gemeinsamen Pressekonferenz.

(Foto: picture alliance / dpa)

Auch die Opposition kritisierte die Bundesregierung im Rahmen des Koalitionsausschusses. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die Ergebnisse der Tagung als unzureichend kritisiert. Die großen Fragen wie Altenpflege, Gesundheitswesen oder Jugendarbeitslosigkeit würden von Union und FDP nicht angepackt, sagte er dem Deutschlandfunk. Auch müsse das Kooperationsverbot für Bund und Länder in der Bildungspolitik viel stärker gelockert werden als die Koalition dies vorsehe. Die Länder benötigten zudem etwa zehn Milliarden Euro vom Bund, um die Ganztagsbetreuung an den Schulen auszubauen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, bezeichnete die Ergebnisse des Koalitionsausschusses als beschämend. "Bei diesem Treffen sollten Themen und ein Fahrplan für den Rest der Legislaturperiode festgelegt werden. Das ist nicht geschehen", sagte er. "Deutschland hat einen Reformstau."

Oppermann kritisierte zudem, die Koalition konzentriere sich auf Wohlfühlthemen. "Damit soll verdeckt werden, dass der Vorrat an Gemeinsamkeiten in dieser Koalition lange aufgebraucht ist."

Die Koalition ist erledigt

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Diese Koalition ist erledigt. Schwarz-Gelb bietet keine tauglichen Konzepte für unser Land, der bloße Wille zum Machterhalt reicht nicht."

Noch vor zwei Wochen stand . Die Spitzen von Union und FDP berieten über die Nachfolge des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff. Merkel hatte den DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck zunächst abgelehnt. Sie lenkte aber ein, nachdem der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle überraschend klar machten, dass sie Gauck notfalls gemeinsam mit SPD und Grünen durchsetzen würden. Wäre Merkel hart geblieben, hätte das wohl das Ende der Koalition bedeutet. Am Sonntag versucht die Bundesregierung indes Einigkeit zu demonstrieren. Umstrittene Themen wie die Vorratsdatenspeicherung ließen sie bei ihrem Treffen aus.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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