Deutsch-französische Freundschaft Probleme werden weggejubelt
08.07.2012, 16:49 Uhr
(Foto: AP)
Beim Treffen in Reims soll alles so sein wie vor 50 Jahren. Sogar die Eistorte ist dem Treffen von de Gaulle und Adenauer nachempfunden. Das Treffen von Frankreichs Präsident und Deutschlands Kanzlerin ist ein einziges Symbol der Freundschaft. Doch zwischen den Zeilen wird deutlich, wie hart die Prüfung ist, die diese Freundschaft gerade zu absolvieren hat.
Selbst das Wetter spielt mit. Gerade als Frankreichs Präsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der Kathedrale in Reims mit ihren Lobreden auf die deutsch-französische Freundschaft fertig sind, legt der strömende Regen eine kurze Pause ein. Die Wolkendecke reißt auf und ein Sonnenstrahl fällt auf den Platz vor dem imposanten gotischen Gotteshaus, wo hunderte von Menschen den Politikern mit deutschen und französischen Fähnchen in der Hand zuwinken.
Alles sollte so sein wie vor genau 50 Jahren, als auf dem gleichen Platz der damalige französische Präsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer vor einer jubelnden Menschenmenge den Grundstein für die deutsch-französische Aussöhnung nach zwei Weltkriegen legten. Selbst das Menü, das den Politikern im Rathaus der ostfranzösischen Stadt serviert wird, ist dem vom 8. Juli 1962 nachempfunden. Auch damals gab es kalten Lachs, Rinderfilet und Eistorte.
Die perfekte Organisation und der symbolträchtige Ort können freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich ausgerechnet im Jubiläumsjahr einer Belastungsprobe ausgesetzt sind. Denn in der zentralen Frage, wie die Krise in der Eurozone dauerhaft zu lösen ist, liegen Berlin und Paris nicht auf gleicher Wellenlänge. Dies wird auch in Reims deutlich – ungeachtet aller Beteuerungen über die Unvermeidbarkeit der deutsch-französischen Freundschaft.
Hollande: Deutschland und Frankreich sind kein "Führungsgremium"
Hollande bekräftigt seine Forderung nach mehr "solidarischer Integration" in der EU, Merkel besteht abermals auf einer "politischen Union" als Ergänzung zur Währungsunion. Was die deutsche Christdemokratin damit meint, weiß der französische Sozialist. Merkel lehnt die von Frankreich gewünschte Einführung gemeinsamer Anleihen der Eurozone ab, solange die EU keine wirksame Kontrolle über die Haushaltspolitik der Euroländer hat. Bisher ist Hollande aber zu diesem Schritt, der eine Verlagerung von Souveränität nach Brüssel bedeuten würde, nicht bereit.
Dass Merkel in Reims besonders verschlossen wirkt und nur selten lächelt, hat möglicherweise auch mit jüngsten Äußerungen Hollandes zur Rolle beider Länder in der EU zu tun. Noch einen Tag vor dem Treffen mit der Kanzlerin hatte der französische Sozialist vor einem deutsch-französischen "Direktorium" in Europa gewarnt: "Wir dürfen unsere Beziehung nicht wie ein Führungsgremium auffassen, das dafür sorgt, dass Frankreich und Deutschland alleine für Europa entscheiden", sagte er. Im Klartext: Merkel brauche gar nicht erst versuchen, ihn für deutsch-französische Alleingänge zu gewinnen. Damit spielte er auf die besonders enge Zusammenarbeit seines konservativen Vorgängers Nicolas Sarkozy mit Merkel an. "Merkozy", wie die beiden genannt wurden, stimmten sich vor EU-Gipfeln regelmäßig ab - und drängten ihre Positionen den anderen Partnern oft auf.
Merkel: Freundschaft muss "neu belebt werden"
Dass Hollande damit Schluss machen will, hat er erst kürzlich demonstriert. Zwar trafen sich beide Politiker vor dem EU-Gipfel Ende Juni, um ihre Positionen auszuloten - wie dies im deutsch-französischen Freundschaftsvertrag vom 22. Januar 1963 vorgesehen ist. Doch in Brüssel unterstützte Hollande dann Italien und Spanien, die Merkel Zugeständnisse bei der Verwendung der Gelder aus den Euro-Rettungsfonds abtrotzten.
Vor der Kathedrale in Reims scheinen die Spannungen von Brüssel für einen Moment vergessen. Hollande bietet "Madame Kanzlerin" an, die Beziehungen zwischen beiden Ländern noch enger zu machen. Die deutsch-französische Freundschaft sei "unverzichtbar", damit die Europäische Union vorankomme, versichert Merkel dem "lieben François". Freundschaft werde aber "nicht einfach weitergereicht", mahnt die Kanzlerin. Sie müsse vielmehr "von Generation zu Generation neu belebt werden."
Quelle: ntv.de, AFP/dpa