Politik

Auf des Messers Schneide Prodi will's wissen

Der italienische Ministerpräsident Romano Prodi hat angesichts des drohenden Scheiterns seiner Mitte-Links-Regierung letzte Rettungsversuche unternommen. Er kam erneut mit Staatspräsident Giorgio Napolitano zusammen. Danach kündigte er an, sich am Abend dem Senat zu stellen, in dem er keine Mehrheit mehr hat. Der Regierungschef habe seine Absicht bekräftigt, im Senat die Vertrauensfrage zu stellen, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa.

Napolitano hatte dem seit 20 Monaten regierenden Prodi am Mittwoch allerdings nahegelegt, die sich abzeichnende Niederlage bei dem Vertrauensvotum im Senat zu vermeiden und zurückzutreten. Offen war zunächst gewesen, welchen Weg Prodi einschlagen würde.

Nach Berechnungen italienischer Medien dürften nur 156 Senatoren Prodi das Vertrauen aussprechen, es fehlten der Regierung die drei Stimmen der Udeur-Partei, die die ehemals Neun-Parteien-Koalition verlassen und damit die jüngste Regierungskrise ausgelöst hatte. Auch die Liberalen kündigten an, Prodi im Senat die Gefolgschaft zu verweigern, so dass dessen Erfolgsaussichten weiter schwinden. Damit droht der 61. Nachkriegsregierung Italiens das Ende. Prodi hatte die Wahlen im Mai 2006 mit nur 25.000 Stimmen Vorsprung, dem knappsten Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg, für sein Mitte-Links-Bündnis mit inzwischen noch acht Parteien gewonnen. Eine erste Vertrauensabstimmung in der Abgeordnetenkammer hatte Prodi am Mittwochabend erwartungsgemäß noch mit 326 Stimmen gegen 275 gewinnen können.

Berlusconi in den Startlöchern

Ein Rücktritt Prodis kann zu raschen vorgezogenen Wahlen führen, wie sie Oppositionschef Silvio Berlusconi fordert, oder zur Bildung einer Übergangsregierung, um erst die geplante Wahlrechtsreform zu bewerkstelligen. Fällt Prodi bei dem Vertrauensvotum durch, bleibt er bis zu Neuwahlen nach dem geltenden Wahlsystem im Amt. Würde Prodi aber zurücktreten und darauf verzichten, die Vertrauensfrage zu stellen, könnte Napolitano mit Blick auf eine Übergangslösung mehrere Wege prüfen, dabei auch eine Wiedereinsetzung Prodis. Der Staatspräsident, der das Parlament auflösen kann, hatte in der Vergangenheit betont, vor einem Urnengang sei die Wahlrechtsreform nötig. Die Reform soll größeren Parteien stärkeres Gewicht geben. Aus Sicht Berlusconis sei es für Neuwahlen nicht erforderlich, zunächst das Wahlrecht wie geplant zu reformieren, denn das rechte Lager liege auch so nach den Umfragen mit bis zu 15 Prozent vorn, sagte der Ex-Ministerpräsident.

Die Italiener stimmen im Frühjahr über eine Wahlrechtsreform ab, wobei größere Parteien gestärkt werden sollen, um das Land regierbarer zu machen. Kleine Gruppierungen in der bisherigen Neun- Parteien-Koalition befürchten, die Verlierer der Reform zu sein und durch Absprachen verdrängt zu werden. Vor allem Kontakte zwischen Berlusconi und dem Chef der neuen Mitte-Links-Partei (Demokratische Partei), Walter Veltroni, werden kritisch verfolgt. Veltroni setze auf eine Übergangsregierung nach Prodi, um die Reform mit Berlusconi vor Neuwahlen zu bewerkstelligen, meinte die Zeitung "Il Foglio".

"Es wird vorgezogene Wahlen geben", meinte der Universitäts- und Bildungsminister Fabio Mussi. Diese Auffassung teilten auch andere Mitglieder der Regierungskoalition, die von gemäßigten Katholiken bis zu Postkommunisten reicht. Prodi hatte seine Politik angesichts ganz erheblicher Spannungen in dem Bündnis in mehr als 30 Vertrauensvoten durchboxen und stark sinkende Umfragewerte hinnehmen müssen. Im Februar 2007 stürzte Romano Prodi wegen des italienischen Engagements in Afghanistan, kam jedoch rasch wieder ins Amt zurück.

Römisches Modell: Neue Regierungen mit alten Chefs

Die besonders in den 70er und 80er Jahren rasch wechselnden italienischen Regierungen mit oft zahlreichen Koalitionspartnern wurden als Zeichen mangelnder politischer Stabilität gewertet. Tatsächlich lösten sich die Kabinette in Rom im Takt weniger Monate ab. Ein echter Wandel blieb aber aus, denn immer wieder tauchten bekannte Namen an der Spitze der Regierungen auf. So führte der Christdemokrat Giulio Andreotti sieben Regierungen und war insgesamt fünf Jahre Ministerpräsident.

Die längste Regierung führte Silvio Berlusconi vom 11. Juni 2001 bis zum 23. April 2005, das waren immerhin rund vier Jahre oder 1412 Tage. Die zweitlängste Regierung von Bettino Craxi war mit 1058 Tagen knapp drei Jahre im Amt, vom 4. August 1983 bis zum 27. Juni 1986. Die beiden kürzesten Regierungen dauerten dagegen jeweils nur elf Tage. Das waren Andreotti vom 20. bis 31. März 1979 und Amintore Fanfani vom 17. bis 28. April 1987.

Quelle: ntv.de

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