Besuch im libyschen Zawiyah Propaganda in Trümmern
22.04.2011, 12:48 Uhr
Zerstörungen in Zawiyah.
Die Stadt Zawiyah westlich von Tripolis war im März Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen Gaddafi-Truppen und Aufständischen. Mittlerweile ist die Stadt wieder fest in der Hand des Regimes. Die Stadt macht einen gespenstischen Eindruck. Die Moschee, in die die Rebellen sich geflüchtet hatten, ist dem Erdboden gleichgemacht.
Wir wollen nach Misrata, seit Tagen schon. Die Sicherheitslage lässt das auch heute nicht zu, sagt man uns. Die Überlegung, uns auf eigene Faust durchzuschlagen, verwerfen wir schnell. Wir würden am ersten Checkpoint außerhalb der Stadt festgesetzt werden.
Die Stimmung ist gereizt, auch bei unseren Aufpassern. Natürlich verfolgen sie, was wir Tag für Tag von hier berichten - Streubomben im Einsatz, Vergewaltigungen, Scharfschützen in Zivil. Dazu die unangenehmen Fragen in den Pressekonferenzen. Das gefällt ihnen nicht. Die Webseite der BBC ist seit Tagen gesperrt. Ebenso wie die Stichwortsuche über Twitter, auch der Zugang zu Facebook ist immer wieder gestört.
Statt nach Misrata fahren wir schließlich nach Zawiyah. Das ist kein Rebellengebiet. Nicht mehr. Das Regime will uns zeigen, dass hier, im Westen des Landes, alles in Ordnung ist. Im März hatten die Rebellen die Stadt zwei Wochen unter ihrer Kontrolle, dann wurden sie von den Gaddafi-Truppen vertrieben. So, wie man es auch in Misrata und Adschdabija vorhat.
50 Kilometer in den Süden, vorbei an langen Schlangen an Tankstellen. Libyen hat zwar viel Öl und Gas, aber kaum Raffinerien. Benzin muss daher importiert werden, seit dem Embargo kommt viel zu wenig und nur über Umwege an die Zapfsäulen. Bis zu zehn Stunden müssen die Kraftfahrer warten, um ihren Tank zu füllen. Nein, anhalten dürfen wir nicht, um mit den Menschen zu reden, fotografieren und drehen schon gar nicht. Auch nicht an den Kontrollpunkten, die immer dichter werden, je mehr wir uns Zawiyah nähern.
Die Moschee ist zerstört
Die Stadt macht einen gespenstischen Eindruck. Überall Spuren der Kämpfe vom März - zerstörte Fassaden, Einschusslöcher, ausgebrannte Wohnungen und Häuser. Es sind kaum Menschen unterwegs. Auf dem Platz, wo damals die heftigsten Kämpfe tobten, sind dafür viele Sicherheitskräfte postiert. Sie wollen unauffällig wirken und sitzen in Zivilfahrzeugen mit Gaddafi-Postern auf der Frontscheibe. Aus einem Megaphon kommen Propagandabotschaften.
Der Schock sitzt noch immer tief. Ein Mann erzählt uns, dass er zwei Wochen nicht aus dem Haus gehen konnte und erzählt uns von reinem Terror, den er erlebt hat, und schwört das bei seinem Gott. Es ist einer der wenigen, die sich bis vor unser Mikrofon trauen. Die Rebellen, erzählt er, hatten sich am Ende in eine Moschee zurückgezogen. Mit aller Gewalt, die mit Waffen möglich ist, sind die Gaddafi-Leute dann vorgegangen. Sie wurde im Sturm genommen und komplett dem Erdboden gleichgemacht. Kein Stein ist mehr über dem anderen geblieben. Unser mitgereister Aufpasser klärt auf, die Moschee sei nicht zu retten gewesen. Die Rebellen hätten darin Drogenexzesse gefeiert und so das heilige Haus entweiht. Es hätte keine andere Chance gegeben, als das Haus abzureißen. Das seien auch keine Libyer gewesen, sondern von der Al-Kaida gesteuerte Söldner aus den Nachbarländern. Da wo einst die Moschee stand, ist ein plattgewalztes Gelände. Nichts erinnert mehr an ein Gotteshaus.
Ein paar hundert Meter weiter entdecken wir in einer gut getarnten Böschung mit Propaganda-Plakaten Panzer der libyschen Armee. Ganz offenbar bereit, jederzeit wieder zuzuschlagen, wenn sich die Situation ändern sollte.
"Allah, Muammar, Libyen - ein Volk"
Schnell weiter, wir sollen zur Universität. Hier an der Bildungs-Fakultät, studieren fast ausschließlich Frauen. Sie wissen, dass wir kommen, denn sofort versammeln sie sich zu einer Demonstration. Und wir wissen, was jetzt kommt. Einstudierte Sprechchöre gegen die NATO, gegen Sarkozy und immer wieder "Allah, Muammar, Libyen - ein Volk". Kein Zweifel soll entstehen, sie alle stehen voll und ganz hinter ihrem Führer. Als wir die Kamera wieder einpacken, geht die Demonstration schlagartig zu Ende. Auftrag erfüllt, auch unsere Aufpasser wirken zufrieden.
Etwas abseits entdecken wir erstmals ein neues Poster - es zeigt Gaddafis Sohn Saif al-Islam. Da Regime ist offenbar nicht mehr völlig überzeugt, dass Gaddafi sich halten kann. Saif al-Islam ist schon länger im Gespräch, seinen Vater zu beerben.
Zurück in Tripolis hören wir, dass Gaddafi sich auf einen international überwachten Waffenstillstand einlassen will, mit einer anschließenden Übergangsperiode von sechs Monaten und Verhandlungen, an deren Ende Wahlen stehen könnten.
Die Rebellen in Misrata, Bengasi und Adschdabija nehmen das erst gar nicht zur Kenntnis. Das sei ein neues Ablenkungsmanöver. Sie haben schon vor Wochen deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sind, sich mit Gaddafi oder einem seiner Söhne an einen Tisch zu setzen. Sie glauben auch nicht an eine Reform des Systems, sie wollen seine Überwindung.
Quelle: ntv.de