Politik

Angriff von Potsdam Provozierte Opfer die Täter?

Der Überfall auf einen Deutschen äthiopischer Herkunft in Potsdam war möglicherweise kein Mordversuch. Nach einem Bericht der in Potsdam erscheinenden "Märkischen Allgemeinen" soll der 37-Jährige betrunken gewesen sein und die Täter provoziert haben. Dem Bericht zufolge soll er einen der beiden als "Schwein" bezeichnet haben.

Zudem habe Ermyas M. versucht, einen der beiden zu treten. Das habe ein Zeuge gesehen. Die "Berliner Zeitung" berichtet, die Fahnder hegten "erhebliche Zweifel" daran, dass Ausländerhass das Motiv der Täter war. Der Deutsch-Afrikaner habe 2,06 Promille Alkohol im Blut gehabt, auch die beiden Tatverdächtigen sollen betrunken gewesen sein.

Laut "Focus" haben Zeugen berichtet, das Opfer habe vor dem Überfall in einer nahe dem Tatort gelegenen Diskothek eine tätliche Auseinandersetzung mit zwei Personen gehabt. Der Betreiber der Disco habe sich dazu nicht äußern wollen. Er habe eine "Vereinbarung mit der Polizei" und wolle die Ermittlungen nicht gefährden, zitiert das Magazin den Mann.

Die beinahe tödliche Attacke sei offenbar blitzschnell verlaufen, schreibt "Focus" weiter. Ein Gerichtsmediziner habe bei dem Opfer keine Spuren gefunden, die auf einen längeren Kampf hindeuteten. Die "Märkische Allgemeine" berichtet, der Deutsch-Äthiopier habe entgegen der bisherigen Darstellung keine Rippenbrüche und sonstigen Verletzungen am Oberkörper erlitten. Vielmehr sei ihm durch einen wuchtigen Faustschlag der Schädelknochen an einem Auge zertrümmert worden. Das habe ein rechtsmedizinisches Gutachten ergeben.

Verdächtige bestreiten die Tat

Sollte der Bericht stimmen, dürfte die Bundesanwaltschaft den Vorwurf des Mordversuchs voraussichtlich fallenlassen und den Fall an die brandenburgischen Behörden zurückgeben. Heute sollen Spuren und Zeugenaussagen ausgewertet werden. Berichten zufolge war am Tatort eine blutverschmierte Bierflasche gefunden worden. Das Blut stammt nicht vom Opfer.

Die beiden Täter, Björn L. und Thomas M., bestreiten die Vorwürfe bislang. Sie sitzen seit Freitag in Untersuchungshaft. "Die 29 und 30 Jahre alten Männer befinden sich in zwei unterschiedlichen JVAs", sagte der Potsdamer Polizeisprecher Rudi Sonntag. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte am Abend Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen. Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen seien die 29 und 30 Jahre alten Männer "dringend verdächtig", in den frühen Morgenstunden des Ostersonntags ihr Opfer brutal zusammengeschlagen zu haben, hieß es in einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft.

Anwalt: Justizskandal"

Der Anwalt des 29-Jährigen indes wies die Vorwürfe entschieden zurück und sprach von einem "Justizskandal". "Es gibt klare Beweise gegen eine Täterschaft meines Mandanten", sagte Veikko Bartel. So könne die auf der Handy-Mailbox der Ehefrau des Opfers festgestellte Stimme nicht von dem 29-Jährigen stammen, da er seit Wochen an einer Kehlkopfentzündung leide. "Er krächzt seit sechs Wochen nur noch und dafür liegen Beweise wie Krankenschein, Aussagen seines Arbeitgebers sowie sichergestellte Medikamente vor."

Bartel warf der Bundesanwaltschaft vor, "das Führen entlastender Ermittlungen unterlassen" zu haben, obwohl diese Beweise bekannt seien. Sobald ihm die Ermittlungsakten zugegangen sind, will Bartel einen Haftprüfungsantrag stellen oder eine Haftbeschwerde einlegen. Laut Bartel war sein Mandant zum Tatzeitpunkt krank im Bett. Der 29-Jährige habe auch während des Rückflugs vom Ermittlungsrichter in Karlsruhe zur Untersuchungshaft in Brandenburg immer wieder betont: "Ich habe mit der Sache nichts zu tun."

Rassistische Wutausbrüche auf der Mailbox

Wichtiger Anhaltspunkt für die Ermittler ist die Aufnahme auf der Mailbox von der Frau des Opfers. Dort ist zu hören, dass die Täter ihr Opfer als "Scheiß Nigger" beschimpfen und ihm androhen: "Wir machen dich platt, du Nigger". Generalbundesanwalt Kay Nehm ging bislang von einem fremdenfeindlichen Tatmotiv aus.

Der rassistische Hintergrund der Tat hatte vor allem in Potsdam Bestürzung ausgelöst. Am Freitagabend versammelten sich in der brandenburgischen Landeshauptstadt rund 4.000 Menschen, um ihre Solidarität mit dem Opfer zu zeigen. Oberbürgermeister Jann Jakobs rief bei der Kundgebung unter dem Motto "Potsdam bekennt Farbe" die Bürger zu Zivilcourage auf.

Schönbohm wettert gegen Generalbundesanwalt

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) kritisierte unterdessen Generalbundesanwalt Kay Nehm. Es wäre nicht erforderlich gewesen, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich zieht, sagte Schönbohm der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Der Generalbundesanwalt hat überzogen", sagte Schönbohm. "Er hat aus der Sache ein Politikum gemacht und zu einer Stigmatisierung Brandenburgs beigetragen. Der politische Schaden, den er angerichtet hat, ist erheblich."

Die Hinweise der Bundesanwaltschaft auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund der Tat seien zumindest fragwürdig, sagte der CDU-Politiker. Möglicherweise sei der Hintergrund der Tat weniger spektakulär. Schönbohm wies die Vorwürfe Nehms zurück, er habe durch frühe Erfolgsmeldungen die Ermittlungen beeinträchtigt. Er habe seine Äußerungen sorgfältig erwogen, sagte der Minister.

Quelle: ntv.de

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