In Kirche gegen Putin protestiert Punkerinnen im Hungerstreik
04.07.2012, 17:18 Uhr
Nadedschda Tolokonnikowa.
(Foto: REUTERS)
Weil sie in einer orthodoxen Kirche gegen Putins Dauerherrschaft protestierten, sitzen drei russische Punk-Rockerinnen in Untersuchungshaft. Die jungen Frauen treten nun in den Hungerstreik.
Erst Punkrock gegen Wladimir Putin und nun Hungerstreik im Gefängnis: Aus Protest gegen Justizwillkür in Russland wollen die drei inhaftierten Mitglieder der Frauen-Punkband Pussy Riot keine Nahrung mehr zu sich nehmen. Sie hatten im Februar in der Erlöserkathedrale in Moskau laut für Putins politisches Ende gebetet und sitzen deshalb wegen "Rowdytums" in Untersuchungshaft. Ein mit einem Protestsong gegen Putin unterlegter Mitschnitt der Performance im Heiligtum der orthodoxen Kirche hatte landesweit für Aufsehen gesorgt. In dem im Internet veröffentlichten Video sang Pussy Riot darüber, dass Russland von dem seit mehr als zwölf Jahren regierenden Putin erlöst werden möge.
Die 22-jährige Nadeschda Tolokonnikowa begründete den Hungerstreik mit einer Entscheidung der Richterin. Sie hatte den Antrag der Verteidigung der jungen Mutter abgelehnt, die 3000 Seiten der Untersuchungsakten vor dem Prozessbeginn länger studieren zu dürfen. Die Verteidiger kritisierten es als Zumutung, die sieben Aktenordner bis zum 9. Juli zu lesen. Bisher sollte der Prozess frühestens im August beginnen. Tolokonnikowa warf dem Gericht vor, die Verhandlung wegen der großen öffentlichen Unterstützung für die Angeklagten beschleunigen zu wollen.
Vor dem Taganski-Gericht in Moskau nahm die Polizei wie bereits bei früheren Verhandlungen mehrere Unterstützer von Pussy Riot fest, die eine sofortige Freilassung der jungen Frauen gefordert hatten. "Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass Putin selbst oder seine Umgebung das Verfahren lenkt und am Ende für alle drei echte Haftstrafen verhängt werden, obwohl es dafür keine Grundlage gibt", sagte Anwalt Nikolai Polosow.
"Niemanden ermordet"
Den drei Frauen, von denen zwei Kinder haben, wird "organisiertes Rowdytum" vorgeworfen, wofür eine Strafe von bis zu sieben Jahren Haft vorgesehen ist. Die Gruppe hatte zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl für Aufsehen gesorgt, als sie auf dem Altar der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, einer der wichtigsten russisch-orthodoxen Kirchen, ein "Punk-Gebet" sprachen, um die engen Beziehungen der Orthodoxen Kirche zum damaligen Ministerpräsidenten Putin anzuprangern. In einem Lied forderten sie die Amtsenthebung von Putin.
Vergangene Woche hatten mehr als hundert namhafte russische Künstler die Freilassung der Frauen gefordert - darunter auch einige Unterstützer Wladimir Putins. Die Aktion der Gruppe, sei nicht kriminell gewesen, hieß es in dem Brief. Es gebe keine rechtliche Grundlage dafür, drei junge Frauen, die keine wirkliche Gefahr darstellten, länger "von der Gesellschaft zu isolieren".
"Die Mädchen haben niemanden ermordet, nicht gestohlen, keine Gewalt verübt", hieß es weiter. Deren Untersuchungshaft, die erst kürzlich auf den 24. Juli verlängert worden war, habe die Gesellschaft gespalten und radikalisiert. Da Russland ein säkulärer Staat sei, könnten antiklerikale Aktionen - sofern sie nicht gegen das Strafgesetz verstoßen - kein Grund für strafrechtliche Verfolgung sein.
Die russisch-orthodoxe Kirche unter Führung des Patriarchen Kirill steht in der Kritik, mit Hilfe des Kreml hier ein Verfahren wegen Gotteslästerung zu inszenieren. Es ist nicht der erste Fall, in dem Künstler wegen ihrer Kritik an der engen Verbindung zwischen Staat und Kirche in Russland verfolgt werden. Kirill und andere Kirchenvertreter hatten wiederholt gefordert, die Frauen wegen Verletzung religiöser Gefühle hart zu bestrafen.
Der Leiter des vom Kreml eingesetzten Menschenrechtsrates, Michail Fedotow, hatte sich jüngst fassungslos über die abermals verlängerte Untersuchungshaft geäußert. Es gebe im russischen Strafrecht keine Grundlage dafür, betonte er. Zehntausende Russen haben einen offenen Brief von Prominenten im Internet unterstützt, in dem das Vorgehen des Staates und der russisch-orthodoxen Kirche gegen die Frauen kritisiert wird. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat sie als politische Gefangene anerkannt.
Quelle: ntv.de, jga/dpa/AFP