"Unmoralischer" Hitler-Stalin-Pakt Putin geht auf Polen zu
31.08.2009, 13:41 UhrRusslands Ministerpräsident Wladimir Putin schlägt gegenüber Warschau versöhnlichere Töne an. Zum 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs verurteilte er den Hitler-Stalin-Pakt als "unmoralisch".

Russland und Putin werden von vielen Polen noch immer misstrauisch beäugt.
(Foto: REUTERS)
Zugleich kritisierte Putin in einem Beitrag für die polnische "Gazeta Wyborcza" die damalige Appeasement-Politik des Westens. Putin äußerte sich betroffen über das Massaker sowjetischer Einheiten an tausenden polnischen Offizieren im Jahr 1940.

Ribbentrop (2. von links), Stalin (Mitte) und Molotow (rechts) nach der Unterzeichnung des Nichtangriffspakts.
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Zweifellos könne der vom deutschen Außenminister Joachim von Ribbentrop und seinem sowjetischen Kollegen Wjatscheslaw Molotow unterzeichnete Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939 "mit Fug und Recht" verurteilt werden, schrieb Putin: "Aber haben nicht ein Jahr zuvor Frankreich und Großbritannien in München das berühmte Abkommen mit Hitler geschlossen, das alle Hoffnungen zunichte machte, eine gemeinsame Front gegen den Faschismus zu errichten?" Niemand könne die Augen davor verschließen, dass sich die westlichen Demokratien damals um ein gutes Auskommen mit Hitler bemüht hätten. Der Kreml veröffentlichte Auszüge aus dem Gastbeitrag.

Bisher weigerte sich die Regierung in Moskau, die Opfer von Katyn offiziell als Opfer des stalinistischen Terrors anzuerkennen.
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In seinem Land sei der "unmoralische Charakter" des Paktes von den Parlamentariern verurteilt worden, schrieb Putin, der damit an die Verurteilung des Abkommens im Jahr 1989 noch zu Sowjetzeiten erinnert: "Wir wissen heute, dass jede Form eines Abkommens mit dem Nazi-Regime von der moralischen Warte her inakzeptabel war."
Streit zwischen Polen
Zwischen Moskau und Warschau hatte es in jüngster Zeit heftige Dispute über den Zweiten Weltkrieg und vor allem den Hitler-Stalin-Pakt gegeben. Russische Historiker hatten das Abkommen als geschickten Schachzug Stalins dargestellt, um die Sowjetunion für weitere zwei Jahre aus dem Krieg herauszuhalten. Wie aus einer Umfrage des russischen Meinungsforschungsinstituts VTsIOM hervorgeht, glauben nur rund 22 Prozent der Russen, dass der Zweite Weltkrieg 1939 begann. 58 Prozent dagegen sind von einem Beginn erst 1941 mit der deutschen Invasion der Sowjetunion überzeugt.
Der Hitler-Stalin-Pakt sicherte Nazi-Deutschland die Neutralität der Sowjetunion bei einem Konflikt mit Polen zu. Weniger als vier Wochen nach Unterzeichnung des Abkommens marschierten sowjetische Truppen in Polen ein und besetzten den Osten des Landes. 1940 ermordeten sowjetische Einheiten 22.000 polnische Offiziere, Intellektuelle und andere im Wald von Katyn im Westen Russlands - was Moskau jahrzehntelang den Nazis anlastete.
Putin betonte: "Das russische Volk (...) versteht nur zu gut die intensiven Gefühle der Polen in Zusammenhang mit Katyn, wo tausende polnische Offiziere starben." Er rief die polnische Seite aber auch auf, die Vergangenheit hinter sich zu lassen: "Unsere Pflicht gegenüber den Toten der Geschichte ist es, alles zu tun, damit die russisch-polnischen Beziehungen von Misstrauen und Parteilichkeit befreit werden." Auch Russland und Deutschland hätten inzwischen gute Beziehungen.
Der Vizechef von Putins Regierungsapparat, Juri Uschakow, erteilte indes polnischen Forderungen nach Offenlegung aller Akten über das Massaker eine Absage. Moskau werde die Geheimdokumente vorerst nicht freigeben, sagte Uschakow nach Angaben der Agentur Itar- Tass. Die Sowjetpropaganda hatte einst den Nazis die Schuld an dem Massenmord gegeben.
Gedenkfeiern in Polen
Putin will am Dienstag bei Danzig gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk an einer Gedenkfeier zum Beginn des Zweiten Weltkrieges teilnehmen. Am 1. September 1939 entfesselte Deutschland ihn mit dem Angriff auf der Westerplatte bei Danzig. Wenig später, am marschierte die Rote Armee im Osten des Landes ein. 76 Prozent der Polen erwarten von Putin eine Entschuldigung für den Einmarsch am 17. September.
Die polnischen Gedenkfeierlichkeiten mit Präsident Lech Kaczynski und Ministerpräsident Donald Tusk sowie Kriegsveteranen beginnen bereits am dienstagmorgen: Gegen 4.45 Uhr, als das deutsche Schulschiff "Schleswig-Holstein" das Feuer auf die zur Festung ausgebaute Westerplatte eröffnet hatte, sollen die Hafensirenen heulen.
Quelle: ntv.de, AFP