Eklat in St. Petersburg Putin isoliert sich selbst
21.06.2013, 12:19 Uhr
Ernste Mienen: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin im November 2012 in Moskau.
(Foto: dpa)
Um das deutsch-russische Verhältnis ist es nicht sonderlich gut bestellt. Präsident Putin ist auf gutem Wege, die Beziehung zur Bundesrepublik weiter zu verschlechtern. Das liegt nicht nur an Missverständnissen, sondern hat auch einen anderen Grund: Selbstüberschätzung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel war noch gar nicht in Richtung St. Petersburg abgeflogen, da war die Reise nach Russland schon ein Fehlschlag. Eigentlich hatte sie gemeinsam mit Russlands Präsident Wladimir Putin in der Eremitage eine spektakuläre Ausstellung über die Bronzezeit eröffnen wollen - auf der auch viele Stücke der sogenannten Beutekunst präsentiert werden.
Doch daraus wird nichts. Kurz vor dem Abflug wurde der gemeinsame Auftritt gestrichen. Die Absage zeigt eindrucksvoll, was die deutsch-russischen Beziehungen in jüngerer Zeit kennzeichnet: Missverständnisse und Enttäuschungen.
Der Entfremdungsprozess hatte spätestens dann an Fahrt aufgenommen, als Premier Putin und der damalige Präsident Dmitri Medwedew verkündeten, nach den anstehenden Wahlen im März 2012 die Ämter zu tauschen. Diese Rochade sorgte in Russland für Massenproteste - und für jede Menge Ernüchterung in Deutschland. Denn schon Medwedew hatte als Präsident die in ihn gesetzten Hoffnungen auf eine Modernisierung und Liberalisierung Russlands enttäuscht. Und mit dem Ämtertausch zeigte das System der "gelenkten Demokratie", dass sich die Zeiten nicht verbessern werden.
Das Gegenteil war der Fall. Zwei Mitglieder der Punk-Band Pussy Riot sitzen im Straflager, dem wichtigsten Oppositionellen Alexej Nawalny droht jahrelange Haft und Homosexuelle werden von Staats wegen diskriminiert.
Wenig Partnerschaft
In dem Maße, in dem Russland immer autoritärer wurde, wuchs die Entfremdung zwischen Berlin und Moskau. Mit dem Niederschlagen der Proteste, den Verhaftungen von Oppositionellen, neuen repressiven Gesetzen und dem Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen wurde klar, dass die von Deutschland angestrebte "Modernisierungspartnerschaft" gescheitert ist.
Und auch die strategische Partnerschaft existiert nur noch auf dem Papier. Das zeigt nicht zuletzt der Bürgerkrieg in Syrien. Hier haben Deutschland und Russland grundverschiedene Positionen und Interessen. Da selbst das brutale Vorgehen von Syriens Präsident Baschar al-Assad gegen die Bevölkerung zu keinem gemeinsamen Vorgehen führen kann, ist derzeit auch in anderen Konfliktfeldern keine Zusammenarbeit denkbar - außer bei Rohstofflieferungen. Doch die sind weder eine ausreichende noch eine solide Grundlage für eine weitreichende Partnerschaft.
Mittler, nicht Anwalt
Aber auch der Kreml sieht die in Deutschland gesetzten Hoffnungen enttäuscht. Denn die Bundesregierungen nach Gerhard Schröder sehen sich nicht als Anwalt Russlands, sondern wollen Deutschland als Mittler zwischen dem Riesenreich und dem Westen positionieren. Moskau empfindet es als Anmaßung, wenn Berlin die Beziehung auch auf Grundlage europäischer Werte wie Demokratie und Menschenrechte stützen will. Stattdessen wünscht Russland eine reine Interessenallianz - und stößt damit nicht auf unbedingte Gegenliebe. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die russische Regierung ausländische Investoren weniger als Partner, sondern mehr als Technologielieferanten betrachtet.
Putin ist vor diesem Hintergrund auf gutem Wege, die Selbstisolierung Russlands voranzutreiben. Im Umgang mit Deutschland überschätzt er dabei die wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik in Russland. Strategische Partnerschaften gibt es mittlerweile auch mit China, Indien oder Brasilien - und mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Vietnam und Indonesien. Zugleich unterschätzt Russland, wie stark Deutschland - schon aus Eigeninteresse - in die Europäische Union eingebunden ist.
Die wirtschaftliche Bedeutung Russlands für Deutschland nimmt ab, zugleich zwingt die Krise die Europäische Union enger zusammen. Das mag Putin nicht gefallen, ändern wird er es nicht.
Quelle: ntv.de