Timoschenko bietet Deal an Putin wirft der EU Erpressung vor
22.11.2013, 15:53 Uhr
Studenten in der Stadt Lviv demonstrieren gegen den EU-feindlichen Kurs ihrer Regierung.
(Foto: AP)
Russland und die EU werfen sich gegenseitig vor, die Ukraine erpresst zu haben. Hintergrund ist die Abkehr der ehemaligen Sowjetrepublik von der Europäischen Union. In Kiew demonstrieren Tausende gegen den russlandfreundlichen Kurs der Regierung.
Nach der Abkehr der Ukraine von der Europäischen Union hat Russlands Präsident Wladimir Putin Brüssel vorgeworfen, die frühere Sowjetrepublik erpresst zu haben. Die Europäer hätten der Ukraine "gedroht und Demonstrationen von EU-Befürwortern finanziert", sagte Putin nach Angaben der Agentur Interfax. "So etwas ist sowohl Druck als auch Erpressung", sagte der russische Präsident.
Die EU wirft ihrerseits Russland vor, die Ukraine mit der Androhung von Handelssanktionen zu Zugeständnissen gezwungen zu haben. Das wies Putin umgehend zurück und forderte die EU erneut zu Dreierverhandlungen mit Russland und der Ukraine auf. Dies sei ein Test, ob die EU ernste Absichten habe. Der litauische Außenminister Linas Linkevicius lehnte dies jedoch ab. "Der Vorschlag für einen dreiseitigen Dialog ist keine Option und hat keine Beispiele", teilte er mit. Das baltische Land hat derzeit den EU-Ratsvorsitz inne.
Der ukrainische Ministerpräsident Nikolai Asarow hatte von einer schweren, aber aus "wirtschaftlichen Gründen notwendige Entscheidung" gesprochen. Im Parlament erntete er dafür "Schande"-Rufe der Opposition.
Proteste gegen die Russland-Anbindung
Auf den Straßen der Hauptstadt Kiew und auch andernorts demonstrierten Tausende Menschen gegen den Kurs der Regierung. "Zusammen können wir die Botschaft vermitteln, dass die Ukraine zu Europa gehören und ein demokratischer Staat sein wird", rief Oppositionspolitiker Vitali Klitschko der Menge in Kiew zu. "Und zusammen können wir diese Regierung austauschen", sagte der Boxweltmeister seiner Partei Udar (Schlag) zufolge.
Die inhaftierte ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko rief ihre Anhänger zum Protest auf. Die Entscheidung des russlandfreundlichen Staatschefs Viktor Janukowitsch komme aus Timoschenkos Sicht einem "Putsch" gleich, sagte ihr Anwalt Sergi Wlassenko nach einem Treffen mit der ehemaligen Regierungschefin im Gefängniskrankenhaus in Charkiw.
Timoschenko will nicht zu Spielball der Ost-West-Politik werden und bietet an, im Gegenzug für den Abschluss eines wichtigen EU-Vertrages auf eine Behandlung in Deutschland zu verzichten. "Wenn Sie sich zur Unterzeichnung des Abkommens entschließen, werde ich am selben Tag die europäischen Anführer bitten, den Vertrag bedingungslos zu unterschreiben", betonte die in Haft erkrankte Ex-Regierungschefi-
Asarow beschuldigt IWF
Regierungschef Asarow gab dem Internationalen Währungsfonds IWF die Schuld am Scheitern. Der IWF hatte für die Wiederaufnahme eines Kreditprogramms eine deutliche Anhebung der Gaspreise für die Bevölkerung des verarmten Landes um 40 Prozent verlangt. Zudem sollten Haushaltsausgaben reduziert und Löhne eingefroren werden.
Bei einem Besuch in Wien habe Janukowitsch am Donnerstagabend zu verstehen gegeben, dass die Ukraine von Europa in vielen Fällen enttäuscht worden sei. Die EU habe zudem "Sachverhalte falsch eingeschätzt", zitierte die Agentur APA die österreichische Präsidialkanzlei. Janukowitsch habe jedoch die europäische Perspektive für sein Land betont. Zum Ärger der ukrainischen Führung hatte der Westen wiederholt die Freilassung der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko verlangt.
EU ist enttäuscht
"Wir sind weiter davon überzeugt, dass die Zukunft der Ukraine in einer starken Beziehung zur EU liegt", sagte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. "Wir glauben, dass das Assoziierungsabkommen die Modernisierungs- und Reformanstrengungen der Ukraine unterstützen würde." Auch Deutschland zeigte sich weiter bereit, das Assoziierungsabkommen über engere Zusammenarbeit und freien Handel mit der Ukraine zu unterzeichnen.
"Die Tür für einen solchen Schritt in Richtung EU bleibt offen", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Die Entscheidung liege beim ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Zugleich mahnte die Bundesregierung "greifbare Fortschritte" bei der Demokratisierung der Ex-Sowjetrepublik an. Der zuständige EU-Kommissar Stefan Füle kritisierte bei Twitter: "Viele Chancen für Land und Volk werden sich nun verzögern."
Quelle: ntv.de, ghö/ppo/AFP/dpa