"Wahl zwischen Zukunft oder Vergangenheit" Timoschenko darf nicht ins Ausland
21.11.2013, 10:40 Uhr
Timoschenko kann nun nicht in Deutschland behandelt werden.
(Foto: picture alliance / dpa)
Vordergründig geht es um die inhaftierte Oppositionsführerin Timoschenko: Die Ukraine lehnt Gesetzentwürfe ab, die deren Behandlung in Deutschland erlauben. Und doch steht viel mehr auf dem Spiel - auch für die EU. Diese entsendet prompt einen Kommissar nach Kiew.
Das ukrainische Parlament hat mehrere Gesetzesentwürfe abgelehnt, die die Behandlung der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko im Ausland erlauben sollten. Die sechs Gesetzesentwürfe verfehlten bei der Abstimmung im Parlament in Kiew deutlich die nötige Mehrheit von 226 Stimmen.
Die Regierungspartei von Präsident Viktor Janukowitsch hatte sich gegen eine Freilassung Timoschenkos gestellt. Oppositionspolitiker riefen laut "Schande", als das Abstimmungsergebnis bekanntgegeben wurde. Sie werfen Janukowitsch vor, anstelle einer Annäherung an den Westen und die EU den Schulterschluss mit Russland zu suchen.
Die Europäische Union hatte die Beilegung des Streits um die frühere Ministerpräsidentin Timoschenko zur Bedingung für die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der Ukraine gemacht. Die EU fordert von der Ex-Sowjetrepublik die Freilassung Timoschenkos oder zumindest ihrer Behandlung im Ausland.
Das Abkommen sollte nach bisheriger Planung beim EU-Gipfel der östlichen Partnerschaft Ende November in der litauischen Hauptstadt Vilnius unterzeichnet werden. Der Abschluss des Abkommens wäre ein erster Schritt für Kiew in Richtung der EU-Mitgliedschaft. Der Vertrag ist lange ausgehandelt.
Mehrheit unterstützt West-Ausrichtung
In der finanzschwachen Ukraine ist laut Umfragen die Mehrheit der rund 46 Millionen Einwohner für einen EU-Kurs. Auch die Opposition um Boxweltmeister Vitali Klitschko unterstützt das Assoziierungsabkommen.
Der ukrainische Oppositionspolitiker Arsenij Jazenjuk rief Präsident Janukowitsch nach dem Scheitern der Gesetze auf, Timoschenko per Dekret zu begnadigen. Es wäre wohl die letzte Möglichkeit, die geplante Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens noch zu retten - wenn der Präsident daran noch Interesse hat. Für den Timoschenko-Verbündeten Jazenjuk geht es dabei längst nicht nur um eine Frage von Ost oder West. "Es ist eine Wahl zwischen Zukunft oder Vergangenheit."
EU entsendet Kommissar nach Kiew
Die Europäische Union hofft auch nach dem Nein des ukrainischen Parlaments zur Freilassung von Oppositionsführerin Julia Timoschenko weiterhin auf eine Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der EU. "Wir setzen unser Engagement fort, um die Voraussetzungen für die Unterzeichnung der Vereinbarung zu schaffen", sagte eine Sprecherin von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Der zuständige EU-Kommissar Stefan Füle, der erst am Dienstag mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch gesprochen hatte, wurde indes erneut nach Kiew geschickt. Füle solle am Freitag mit der Regierung, aber auch mit der Opposition und anderen gesellschaftlichen Gruppen sprechen, sagte sein Sprecher in Brüssel. "Wir sind wirklich entschlossen, dieses Abkommen zu haben. Und wir sind bereit, der Ukraine zu helfen, das ihrige zu tun."
Für den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, steht das Abkommen nun vor dem Aus. Das Scheitern der Timoschenko-Gesetze bedeute, "dass die Ukraine die Bedingungen nicht erfüllt hat", sagte der CDU-Politiker. Nach den bisherigen Regeln könne das Abkommen somit nicht unterzeichnet werden.
"Ich habe aufgrund der letzten Gespräche und dem Verhalten von Präsident Janukowitsch den Eindruck, dass er das Abkommen nicht unterzeichnen will", sagte Brok. "Und wenn er nicht will, dann will er nicht." Als Ursache für den Meinungsumschwung in Kiew sieht er "russischen Druck".
Kreml will Zollunion mit Kiew
Der Nachbar Russland hat der Ukraine für den Fall einer Unterzeichnung des Abkommens mit einem Ende aller bisherigen Handelsvorteile gedroht. Der Kreml will Kiew in eine von Moskau dominierte Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan zwingen.
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa