Ein Jahr nach seiner Wiederwahl Putins Zauber verblasst
04.03.2013, 08:48 Uhr
Wladimir Putin.
(Foto: REUTERS)
Ein Jahr nach seiner Wiederwahl weht Kremlchef Wladimir Putin ein rauer Wind entgegen. Gegner werfen ihm vor, in Russland zunehmend autoritär und außenpolitisch auf Blockadekurs zu sein. Doch der 60-Jährige lässt Kritik einfach abprallen.
Dauerdruck auf die Opposition und verschärfte Gesetze: Ein Jahr nach Wladimir Putins Wiederwahl zum Kremlchef beklagen Bürgerrechtler Repressionen fast wie zu Sowjetzeiten. "Ein riesiger Spalt klafft zwischen Führung und Volk", meint auch der Politologe Dmitri Oreschkin. Seit der von Protesten überschatteten Wahl am 4. März 2012 seien die "Fronten verhärtet wie im Krieg".
Trotz Schnee und Kälte protestierten erst am Wochenende Hunderte Oppositionsanhänger in Moskau und St. Petersburg gegen Putin. Der Frust in Russlands Gesellschaft sitze tief über die dritte Amtszeit des "Dauerherrschers", meint der Politologe Boris Makarenko. "Die Leute sind sauer, dass sich Putin etwa mehr um einen russischen Pass für den Schauspieler Gérard Depardieu kümmert als um sie", betont er.
Die Wut der Demonstranten richtet sich auch gegen das von Putin unterzeichnete Adoptionsverbot russischer Waisen durch US-Bürger. Auf Plakaten fordern meist Jugendliche zudem Freiheit für zwei inhaftierte Aktivistinnen der Punkband Pussy Riot.
Assad kann auf Putin vertrauen
Kritik prallt an den Mauern des Kreml aber ab. Er müsse an seiner Amtsführung "nichts korrigieren", sagt Putin. "Keinesfalls" gebe es in Russland gezielt Menschenrechtsverstöße, betont er nach einem Treffen mit Frankreichs Präsidenten François Hollande. Da passt es, dass Putin im Syrien-Konflikt seinem Verbündeten Baschar al-Assad weiterhin nicht in den Rücken fällt.
Mit dem zweitbesten Wahlergebnis seiner Karriere, fast 64 Prozent der Stimmen, war er ins Präsidentenamt zurückgekehrt. Nicht wenige gehen davon aus, dass Putin 2018 wieder antritt und bis mindestens 2024 regiert. Das wäre insgesamt sogar länger als der "ewige" Leonid Breschnew, der 18 Jahre im Kreml amtierte. Gleichwohl bezweifeln Experten, dass eine vierte Amtszeit ein "Selbstgänger" wäre. Der Druck einer wachsenden Mittelschicht, die Freiheiten fordert, steige.
"Die russische Gesellschaft sehnt sich nach neuen Gesichtern im politischen Leben des Landes", schreibt die Zeitung "Nesawissimaja Gaseta". Diese Hoffnungen gingen nach dem Urnengang 2012 aber nicht in Erfüllung. "Putin hat die Veränderungen zwar nicht übersehen, aber er reagiert auf seine Art: einsam und hart", kommentiert das Blatt.
Gesetze sind schärfer geworden
In Umfragen rutschen die Popularitätswerte für den 60-Jährigen nach unten. "Seit 2002 ist die Beliebtheit von Putin bei Umfragen von 79 auf 59 Prozent gefallen - er ist zwar weiter der beliebteste und mächtigste Politiker Russlands, hat beim Volk aber den Nimbus als Heilsbringer verloren", sagt Valeri Fjodorow vom Meinungsforschungsinstitut Wziom. Einer der Gründe sei, dass der Präsident "seinen Ton und die Gesetze verschärft" habe.
Zwar hatte Putin vor der Wahl Ängste zurückgewiesen, er ziehe bei einem Sieg die Daumenschrauben an. Der Ex-Geheimdienstchef stellte gar Reformen in Aussicht. Ergebnisse sind bisher aber kaum zu sehen.
So gilt auch Putins ökonomische Bilanz nach einem Jahr als gemischt. Zwar besitzt die Energiegroßmacht die drittgrößten Währungsreserven der Welt, aber die Auslandsverschuldung ist weiter enorm. Unternehmer stöhnen über Bürokratie und Korruption. Im vergangenen Jahr sank die Zahl ausländischer Investitionen in Russlands Wirtschaft gegenüber 2011 um 18,9 Prozent. Gleichzeitig floss Kapital in Höhe von 56,8 Milliarden US-Dollar aus Russland ab.
Auch international sieht sich Putin massiver Kritik ausgesetzt. So blockiere Moskau als Partner der Führung in Damaskus eine Lösung im Syrien-Konflikt, beklagen westliche Experten. Alexej Malaschenko vom Moskauer Carnegie-Zentrum wirft dem Kremlchef eine "grundsätzlich falsche Strategie" vor. Putin überlasse anderen Ländern die Führung und treibe stattdessen - etwa mit der Bildung einer Eurasischen Union - die Wiederherstellung der 1991 zerfallenen Sowjetunion voran. "Back in the USSR" sei aber kein tragfähiges Konzept, meint der Politologe.
Quelle: ntv.de, Wolfgang Jung, dpa