"Bananenrepublik" der EU Ränkespiele in Italien
26.01.2008, 11:19 UhrIn Italien hat das Tauziehen um einen Weg aus der Regierungskrise nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Romano Prodi begonnen. Während die neue Mitte-Links-Partei des römischen Bürgermeisters Walter Veltroni eine Übergangsregierung verlangt, hat Oppositionsführer Silvio Berlusconi bereits den Wahlkampf begonnen. Der reichste Mann Italiens, der in den Umfragen führt, steht mit 71 Jahren bereit, zum dritten Mal die Regierungsmacht zu übernehmen.
"Ich will drei Jahre bleiben, Italien modernisieren und dann die Zügel an einen Gordon Brown abgeben", erzählte Berlusconi nach einem Bericht der Turiner Zeitung "La Stampa" siegessicher und sprach von seinem "Traum, der italienische Tony Blair zu sein". Der britische Premier hatte 2007 nach zehn Jahren das Amt für seinen Nachfolger Brown freigemacht. Als erstes Wahlversprechen kündigte Berlusconi an, die kommunale Immobiliensteuer abzuschaffen.
Italienische Bananenrepublik
Italien schleppt sich seit Jahren dahin und ist unfähig, seine Verwaltung und sein politisches System der modernen Welt anzupassen. Mit einer schwächelnden Wirtschaft und einer unglaubwürdigen politischen Führung verliert es im internationalen Wettbewerb beständig an Boden. Unter Wirtschaftswissenschaftlern gilt Italien als das ineffizienteste aller EU-Länder. Zeitungskommentatoren sprechen von einer "längst chronischen Krise" des Landes. Die Parteien Italiens würden "den Staat als Beute und das Parlament als jenen Ort begreifen, an dem es um die Aufteilung der fettesten Stücke geht".
Der ehemalige Regierungschef dringt darauf, dass Staatspräsident Giorgio Napolitano Neuwahlen im Frühjahr zulässt. Napolitano setzte am Samstag seine Konsultationen auf der Suche nach einer Lösung fort. Er hatte mehrfach eine Übergangsregierung befürwortet, die das Land zunächst mit einer Wahlrechtsreform regierbarer machen soll.
Das bisherige Wahlgesetz hatte sich Italiens Rechte um Berlusconi zum Schaden der Linken ausgedacht und auch umgesetzt. Es ging als "Lex Berlusconi" in die Geschichte des Landes ein. Es bevorzugt kleinere Parteien und verhindert die Bildung stabiler Regierungen. Im aktuellen, 2006 gewählten Parlament sind 24 Parteien vertreten.
61 Regierungen in 62 Jahren
Prodi war am Donnerstag zurückgetreten, nachdem er im Senat die 32. Vertrauensabstimmung seiner Amtszeit verloren hatte. Der 68-jährige frühere Präsident der EU-Kommission stand 20 Monate lang an der Spitze einer Mitte-Links-Koalition, die die 61. Regierung Italiens seit dem Zweiten Weltkrieg bildete. Im Senat hatte das Bündnis seine hauchdünne Mehrheit verloren, was die jüngste Regierungskrise auslöste.
Präsident Napolitano gilt als Gegner einer vorgezogenen Wahl unter dem derzeitigen Wahlrecht. Das Staatsoberhaupt will in seinen Konsultationen stattdessen die Chancen einer Übergangsregierung ausloten, deren wichtigste Aufgabe eine Änderung der Wahlgesetze wäre. Als möglicher Chef eines solchen Kabinetts gilt Senatspräsident Franco Marini.
Italiener wollen Stabilität
Eine vorgezogene Wahl würde eine vom Verfassungsgericht gebilligte Volksabstimmung zur Wahlrechtsreform um ein Jahr verzögern oder sogar ausschließen, wenn das Parlament ein neues Gesetz beschließen sollte. Ohne den Sturz der Regierung Prodi hätte das Referendum, dessen Initiatoren ein Zwei-Parteien-System anstreben, zwischen April und Juni stattfinden sollen. Umfragen zufolge sind drei Viertel der Italiener für eine höhere Sperrklausel und die Abschaffung des Bonus-Systems.
Quelle: ntv.de