Politik

"Aktualisierung des Systems" Reformen stürzen Kuba in schwere See

Kuba steht ein entscheidendes Jahr bevor. Die Regierung spricht von "Aktualisierung des sozialistischen Systems". Tatsächlich werden die geplanten Reformen der Bevölkerung aber weitere schwere Opfer abverlangen.

Kuba: Bildung, Medizin und Armut.

Kuba: Bildung, Medizin und Armut.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die schlechten Nachrichten kommen tröpfchenweise. Im Sommer konstatierte Präsident Raúl Castro, im staatlichen Sektor der kubanischen Wirtschaft seien über eine Million Angestellte überflüssig. Diese müssten in den kommenden Jahren entlassen werden und in der Privatwirtschaft Arbeit finden. In einem Land, wo die gesamte wirtschaftliche Aktivität in den Händen des Staates liegt, ist das eine Herausforderung ohnegleichen. Private Wirtschaft ist nur rudimentär vorhanden.

Wirtschaftskrise, Teuerung der Lebensmittel und das Festhalten am kubanischen sozialistischen Modell haben Kuba an den Bettelstab gebracht. Bis zum Beginn der 1990er Jahre hatte das Land als Vorposten der Sowjetunion in Amerika ganz gut gelebt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion übernahm zwar Venezuela mit dem Castro-Bewunderer Hugo Chávez die Rolle des Förderers, doch kommt Kuba angesichts anhaltend schwindender Produktivität nicht mehr in Schwung.

Selbst Revolutionsführer Fidel Castro bekannte Mitte des Jahres, das kubanische Modell habe versagt. Er korrigierte sich später zwar. Und auch Raúl, sein Bruder und Nachfolger, versichert immer wieder, dass Kuba am sozialistischen Modell festhalten werde. Doch gleichzeitig werden die Grundfesten dieses Systems Stück für Stück niedergerissen.

Überlebenssicherung durch Existenzgründung

Anhaltende Wirtschaftsmisere: Präsident Raúl Castro kündigte am 1. August an, dass die Kubaner künftig kleine Geschäfte betreiben und Arbeitskräfte beschäftigen dürfen.

Anhaltende Wirtschaftsmisere: Präsident Raúl Castro kündigte am 1. August an, dass die Kubaner künftig kleine Geschäfte betreiben und Arbeitskräfte beschäftigen dürfen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Seit Oktober wurden nach offiziellen Angaben 80.000 Anträge auf Gründung kleiner Betriebe gestellt, weitere 20.000 Kubaner spielen nach einem Bericht der Parteizeitung "Granma" mit dem Gedanken, dies zu tun. Es sind den Angaben zufolge zumeist Arbeitslose, die in den Straßen mit Obst und Gemüse handeln, die Musikdisketten, Videos und Gegenstände des täglichen Gebrauchs verkaufen wollen.

"Mit einem Ansporn zur Erhöhung der Produktivität hat das nicht viel zu tun", sagte ein politische Beobachter. "Viele haben keine andere Möglichkeit zu überleben." Die Regierung rechnet nach eigenen Angaben damit, dass im Jahre 2011 weitere 100.000 Existenzgründer hinzukommen.

Sie hofft vor allem darauf, dass die landwirtschaftliche Produktivität wieder ansteigt, wenn sich immer mehr Menschen entscheiden, brachliegendes Land zu erwerben und es tatsächlich bearbeiten. Kuba ist seit Jahren schon nicht mehr in der Lage, den Bedarf des Landes sicher zu stellen und muss für bis zu zwei Milliarden Dollar Lebensmittel importieren.

Drohende Not durch Subventionsabbau

Grundnahrungsmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs hauptsächlich aus heimischer Produktion wurden bisher subventioniert. Seit 1962 sind sie in einem Warenkorb namens "Libreta de Abastecimiento" (Versorgungsbüchlein) aufgeführt. Die Kubaner, deren Monatsgehalt durchschnittlich bei 15 Euro liegt, konnten damit für extrem wenig Geld Bohnen, Milch, Reis, Fleisch, Brot, aber auch Zahnpasta, Seife und andere Hygieneartikel erstehen.

Dieses System, das unter anderen wegen der mangelnden Produktivität schon lange nicht mehr funktionierte und heute nicht mehr finanzierbar ist, steht ebenfalls auf dem Index. Die Bohnen wurden Mitte des Jahres gestrichen. Und am kommenden Montag, dem 1. Januar 2011, müssen die Kubaner für eine Tube Zahnpasta oder ein Stück Seife rund ein 20. ihres Monatsgehaltes zahlen. Im Rahmen der "Aktualisierung des sozialistischen Modells" sollen sukzessive die Subventionen abgebaut werden.

Quelle: ntv.de, Franz Smets, dpa

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