Politik

Kritik an Köhlers Amtsverständnis Regierung ruft zur Mäßigung auf

Bundespräsident Horst Köhler ist zur Hälfte seiner Amtszeit in bisher einmaliger Weise aus Union und SPD attackiert worden, weil er mehrere Gesetze der großen Koalition gestoppt hat. Die Vorhaltungen an die Adresse des Staatsoberhaupts wurden am Mittwoch zeitweise so deutlich, dass die Bundesregierung auch in Sorge um den Respekt vor dem höchsten Staatsamt zur Mäßigung aufrief. Köhler war im Mai 2004 von Union und FDP in der Bundesversammlung als Bundespräsident durchgesetzt worden.

Im Namen der Bundesregierung appellierte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg an die Politiker der Koalition, dass "öffentliche Belehrungen unterbleiben sollten". Zum Teil ohne den Namen Köhlers zu nennen, hatten Politiker wie SPD-Fraktionschef Peter Struck und der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Norbert Röttgen (CDU), Köhler vorgeworfen, zu sehr in die Rolle des Bundesverfassungsgerichts geschlüpft zu sein. Unterstützung bekam Köhler hingegen von FDP und Grünen.

Anlass für die Kritik ist die am Freitag bekannt gewordene Weigerung Köhlers, das Verbraucherinformationsgesetz zu unterzeichnen. Das Staatsoberhaupt hatte dies damit gegründet, dass den Kommunen mit dem von der Koalition verabschiedeten Gesetz nach der neuen Verfassungslage unzulässig Aufgaben übertragen würden. In der Bundespolitik gibt es das ungeschriebene Gesetz, mit Kritik am Staatsoberhaupt sparsam umzugehen.

"und niemand sonst"

Nach dpa-Informationen verwies hingegen Struck am Dienstag in seinem schriftlichen Bericht für die Fraktion darauf, dass die Instanz, die abschließend über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu entscheiden habe, das Verfassungsgericht sei – "und niemand sonst". Struck erinnerte an die zurückhaltende Linie des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau. "Daran könnte man sich ein Beispiel nehmen", fügte er in dem Bericht hinzu.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Joachim Stünker, wurde noch deutlicher. Der dpa sagte er, dass Köhler bei seinen Entscheidungen zur Überprüfung von Gesetzen zu weit gehe. Wie er sich bei der Verwerfung des Verbraucherinformationsgesetzes verhalten habe, entspreche "nicht seiner Aufgabe", sagte der Jurist. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Olaf Scholz, mahnte Köhler bei der rechtlichen Überprüfung von Gesetzen zu mehr Zurückhaltung.

Röttgen wurde in verschiedenen Zeitungen mit der Bemerkung zitiert, nach seiner Auffassung stelle Köhler das Gefüge der Verfassungsinstitutionen in Frage.

Kein Gesetz "aus Daffke"

Steg wies für die Bundesregierung darauf hin, dass Gesetze von ihr sorgfältig auf ihre Verfassungsgemäßheit geprüft würden. Das Kabinett würde kein Gesetz "aus Daffke" beschließen. Nach seiner Aussage hat die Regierung dem Präsidialamt vor der Entscheidung Köhlers mitgeteilt, dass sie "felsenfest" von der Rechtmäßigkeit des Verbraucher-Gesetzes überzeugt sei. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werde noch vor Weihnachten mit Köhler zu einem routinemäßigen Treffen zusammenkommen. Vor einigen Wochen hatte Köhler bereits das Gesetz über die Privatisierung der Flugsicherung gestoppt.

Die schützende Hand der Opposition

FDP-Chef Guido Westerwelle forderte die Kanzlerin auf, den Bundespräsidenten vor Angriffen aus der großen Koalition in Schutz zu nehmen. Er erwarte von Merkel, dass sie sich in der Debatte über Köhlers Amtsverständnis "vor den Bundespräsidenten stellt", sagte Westerwelle. Er sprach von Einschüchterungsversuchen. "Hier soll dem Bundespräsidenten der Schneid abgekauft werden." Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte, solche Kritik gegen Köhler verbiete sich.

Seit jeher sind die Prüfungskompetenzen des Bundespräsidenten ein Streitpunkt unter Staatsrechtlern. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass das Staatsoberhaupt nur eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeiten hat, um sein Amt auch von den Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts abzugrenzen.

Quelle: ntv.de

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