Rechtspopulisten im Parlament Reinfeldt umwirbt die Grünen
21.09.2010, 00:00 Uhr
Auf Partnersuche: Reinfeldt will die Grünen im Boot haben, nicht die Rechtspopulisten.
(Foto: AP)
Bei den Parlamentswahlen in Schweden gewinnt die regierende Mitte-rechts-Koalition die meisten Stimmen, verfehlt die absolute Mehrheit aber knapp. Laut Wahlkommission erhält die Koalition von Ministerpräsident Reinfeldt 49,2 Prozent der Wählerstimmen. Zum Zünglein an der Waage könnten nun die rechtspopulistischen Schwedendemokraten werden.
Der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt will sich bei der Bildung einer neuen Regierung zeitlich nicht unter Druck setzen lassen. Das Kabinett müsse erst Anfang Oktober stehen, sagte er in Stockholm. Die neue Sitzungsperiode beginne am 4. Oktober, am Tag darauf gebe der Parlamentssprecher die neue Regierung bekannt. Es gebe eine Menge Fragen, wie mit dem vorläufigen Wahlergebnis umgegangen werden solle, sagte der Regierungschef. Er wolle die nächsten Tage nutzen, um die Herausforderungen zu bewerten, vor denen Schweden stehe.
Bei der Parlamentswahl am Sonntag hatte die Mitte-rechts-Koalition von Reinfeldt zwar die meisten Stimmen erhalten, aber die absolute Mehrheit um drei Sitze verpasst. Möglich ist, dass das Bündnis eine Minderheitsregierung anstrebt oder Unterstützung bei den oppositionellen Grünen sucht. Eine Zusammenarbeit mit den rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die erstmals den Sprung in den Reichstag schafften, lehnt Reinfeldt ab. "Das ist nach wie vor eine im Kern fremdenfeindliche Partei, die ein anderes Schweden ohne Toleranz und großzügige Asylpolitik und Arbeitskraft-Zuwanderung will." Die Grünen signalisieren Gesprächsbereitschaft. "Es ist klar, dass wir in dieser Lage miteinander sprechen müssen", sagte Grünen-Sprecher Peter Eriksson.
Protest gegen Rechts
Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten schafften bei den Wahlen mit 5,7 Prozent erstmals den Einzug ins Stockholmer Parlament; sie stellen künftig 20 Abgeordnete. Die Konservativen selbst ("Moderate Sammlungspartei") erzielten mit 30 Prozent das beste Ergebnis ihrer Parteigeschichte und gelten als klarer Wahlsieger – auch wenn die Sozialdemokraten knapp vor ihnen liegen.
Aus Protest gegen den Einzug der Rechtspopulisten in das schwedische Parlament sind in Stockholm mehrere tausend Menschen auf die Straße gegangen. Nach Angaben der Polizei versammelten sich rund 6000 Demonstranten im Zentrum der schwedischen Hauptstadt und riefen Parolen wie "Nieder mit den Rassisten" oder "Ja zum Zusammenleben - Nein zum Rassismus". Nach Angaben der Tageszeitung "Expressen" wurde die Kundgebung von einer 17-Jährigen über das soziale Netzwerk Facebook initiiert.
Sozialdemokratische Krise

Wunden lecken: Parteichefin Sahlin muss die Ursache für die Krise der Sozialdemokraten finden - und beheben.
(Foto: dpa)
Trotz der verpassten absoluten Mehrheit konnte Reinfeldt einen historischen Sieg verbuchen: Nie zuvor wurde in dem über Jahrzehnte sozialdemokratisch regierten Land eine konservative Regierung wiedergewählt. Die Sozialdemokraten erzielten bei der Wahl mit 30,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 96 Jahren. Parteichefin Mona Sahlin will trotzdem im Amt bleiben. Sie sagte: "Jetzt wird es ernst, weil wir fremdenfeindliche Kräfte in Schwedens Parlament haben." Die Sozialdemokraten hatten das skandinavische Land seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts fast immer im Alleingang regiert. Sie wurden jetzt mit einem Minus von 4,1 Prozentpunkten gegenüber 2006 zum haushohen Verlierer dieser Wahl.
Die Grünen legten um zwei Prozentpunkte auf 7,2 Prozent zu und erzielten damit das beste Ergebnis seit ihrer Gründung. Die Linkspartei, die für eine Koalition mit Grünen und Sozialdemokraten angetreten war, sackte von 5,9 auf 5,6 Prozent ab. Verluste hinnehmen mussten auch die drei kleinen Partner Reinfeldts in seiner "Allianz"- Koalition. Die Liberale Volkspartei verlor 0,4 Prozentpunkte und kam auf 7,1 Prozent. Das Zentrum erhielt 6,6 Prozent (-1,3) und Christdemokraten 5,6 Prozent (-1,0).
Schwedendemokraten fressen Kreide
Die Wahlbeteiligung unter den 7,1 Millionen Stimmberechtigten lag mit 82,1 Prozent über der von 2006 mit 80,4 Prozent. Wegen der noch nicht abgeschlossenen Auszählung von Briefwahlstimmen aus dem Ausland sind leichte Verschiebungen bei den Ergebnissen und auch bei der Mandatsverteilung noch möglich. Das Endergebnis soll Mittwoch vorliegen.
Die Schwedendemokraten hofften trotz der Absage Reinfeldts an eine Koalition weiter auf eine Zusammenarbeit. "Wir wollen keine Probleme machen", sagte Parteichef Aakesson. "Wir werden Verantwortung übernehmen." Sollte Reinfeldt keine Unterstützung durch die Grünen bekommen, dürfte er nach Einschätzung von Beobachtern versuchen, mit einer Minderheitsregierung im Amt zu bleiben - darauf spekulierend, dass sich linke Parteien und die Rechtspopulisten nicht verbünden, um seine Regierungsarbeit zu blockieren. Es sei aber auch nicht ausgeschlossen, "dass Neuwahlen angesetzt werden", sagte die Politikwissenschaftlerin Jenny Madestam von der Universität Stockholm.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts