Politik

Im Salzstock und beim Grafen Röttgen auf verlorenem Posten

Röttgen in 840 Meter Tiefe: "Das Wichtigste ist, dass alle sicherheitsrelevanten Fragen auf den Tisch kommen."

Röttgen in 840 Meter Tiefe: "Das Wichtigste ist, dass alle sicherheitsrelevanten Fragen auf den Tisch kommen."

(Foto: dpa)

CDU-Vize Röttgen ist "der erste Bundesumweltminister, dem wir nicht einmal die Ehre einer Gegendemonstration vor Ort erweisen", sagen die Endlager-Gegner im Wendland. Ein Treffen hinter verschlossenen Türen kommt für sie nicht infrage. Röttgens "Dialogprozess" droht grandios zu scheitern.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen ist nicht zu beneiden. Nicht nur muss er die von ihm eigentlich abgelehnte Verlängerung der Laufzeiten als Erfolg für die erneuerbaren Energien verkaufen. Auch sein erster Besuch im Wendland steht unter ungünstigen Vorzeichen: Wegen des Winterwetters muss er den Hubschrauber in Berlin stehen lassen und sich stattdessen wie ein normaler Mensch mit dem Regionalexpress auf die Reise machen.

Die letzten 40 Kilometer vom brandenburgischen Wittenberge bis zum Zwischenlager Gorleben fährt Röttgen dann mit dem Auto. Demonstranten warten nicht auf ihn - und das liegt nicht etwa daran, dass die Einheimischen noch müde sind von den Strapazen des jüngsten Castor-Transports.

Röttgen mit seiner Sprecherin in der 2. Klasse eines Regionalexpress. Der IC, den er eigentlich nehmen wollte, war ausgefallen.

Röttgen mit seiner Sprecherin in der 2. Klasse eines Regionalexpress. Der IC, den er eigentlich nehmen wollte, war ausgefallen.

(Foto: dpa)

"Röttgen ist der erste Bundesumweltminister, dem wir nicht einmal die Ehre einer Gegendemonstration vor Ort erweisen", sagt die Vorsitzende der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Kerstin Rudek. Für sie ist der Besuch eine reine "Medieninszenierung". Die wendländischen Atomkraftgegner wollten öffentlich mit dem Minister sprechen. Doch die Einladung des Kreistags hatte der frisch gebackene CDU-Vize ausgeschlagen. Lieber ist ihm ein Treffen im kleinen Kreis im Schloss der Familie Bernstorff hinter verschlossenen Türen. Es ist der einzige Termin außerhalb des Erkundungsbergwerks.

Keine vollständige Erkundung ohne den Grafen

Andreas Graf von Bernstorff ist eine der Schlüsselfiguren bei der Endlagersuche im Wendland. Seiner Familie gehören ein paar tausend Hektar Forst, von denen einige hundert sich über dem geplanten Endlager befinden. Immerhin ein Drittel des Salzstocks kann ohne die Zustimmung der Bernstorffs nicht erkundet werden.

Offen ist, ob Röttgen bei seiner Reiseplanung gut beraten war. "Das wird der Beginn eines Dialogprozesses", hatte er vor einer Woche im Bundestag angekündigt. Röttgen wolle "mit Akteuren und Betroffenen" sprechen, teilt sein Ministerium mit - und zeigt am Tag des Besuchs mit ganzseitigen Anzeigen in niedersächsischen Zeitungen, was es unter Kommunikation versteht. Er wolle einen Beauftragten einsetzen und Geld auch für die Hinzuziehung von Experten zur Verfügung stellen, kündigt Röttgen darin an. Graf Bernstorff hält dagegen: Das Treffen in seinem Schloss sei keineswegs "Beginn eines wie auch immer geplanten Bürgerdialogs" und könne auch in einem späteren Gerichtsverfahren nicht als solcher gewertet werden.

Die Bäuerliche Notgemeinschaft spricht von "Bürgerbeteiligung nach Gutsherrenart". Sie meint damit ausdrücklich nicht den Grafen, sondern den Minister. Ähnlich wie Bernstorff vermutet die Notgemeinschaft juristische Gründe hinter der Röttgen-Reise, denn "mittlerweile ist Bürgerbeteiligung in solchen Verfahren und nach dem Atomgesetz Standard".

Bergrecht statt Atomgesetz

Nur: Nach dem Atomgesetz geht es in Gorleben nicht. "Um eine umfassende Bürgerbeteiligung auszuschließen, bedient man sich bei der Erkundung des Bergrechts", sagt Carsten Niemann von der Bäuerlichen Notgemeinschaft n-tv.de.

Bernstorff brachte vor dem Besuch des Ministers eine Schlichtung nach Stuttgarter Vorbild ins Gespräch. "Einem ernst gemeinten Mediationsverfahren würden wir uns nicht grundsätzlich entgegenstellen", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Er verweist allerdings auf das Vorgehen der Bundesregierung: Eine Mediation habe keinen Sinn, "wenn im Vorfeld bereits vollendete Tatsachen geschaffen sind".

"Dialog ist notwendig und möglich", sagt Röttgen im Bergwerk. Nur nicht an diesem Donnerstag.

"Dialog ist notwendig und möglich", sagt Röttgen im Bergwerk. Nur nicht an diesem Donnerstag.

(Foto: dpa)

Niemann zeigt sich skeptisch, er beklagt, der angekündigte Dialog mit den Atomkraftgegnern finde nicht statt. "Es ist kein Dialog, wenn die Laufzeiten verlängert werden, der Castor nach Gorleben gebracht wird, der Erkundungsstopp aufgehoben wird und der Minister erst nach Gorleben kommt, wenn bereits Fakten geschaffen wurden."

Erkundet wird auf der Basis eines fast 30 Jahre alten Rahmenbetriebsplans, "der schon in der Mottenkiste lag", wie Bernstorff Anfang November im Deutschlandradio sagte. "So wie das jetzt hier durchgeprügelt wird, kann das meiner Ansicht nach nicht durchgehen." Zusammen mit anderen Landbesitzern, darunter der evangelischen Kirche, klagten die Bernstorffs gegen die Verlängerung des Rahmenbetriebsplans.

Erst reden, dann enteignen

Auch die schwarz-gelbe Koalition scheint sich von einem "Dialog" nicht allzuviel zu versprechen. Sie hat schweres Geschütz gegen die renitente Grafenfamilie in Stellung gebracht. Nach den am vergangenen Freitag vom Bundesrat gebilligten Änderungen des Atomgesetzes werden Enteignungen bei der Endlagersuche wieder möglich. Der Graf dürfte die "Lex Bernstorff" als Kriegserklärung verstehen. Er wehrt sich schließlich schon seit den 1970er Jahren gegen den Zugriff des Staates. Ein Angebot über mehr als 35 Millionen Mark für 600 Hektar Land schlug er in der Regierungszeit von Helmut Kohl aus. Die CDU, deren Mitglied er war, verließ er. Dennoch sieht er sich bis heute als "Hüter konservativer Werte".

Das hält die Familie nicht davon ab, sich regelmäßig an den Anti-Castor-Protesten zu beteiligen: Vater Andreas, Mutter Anna und die fünf Kinder, darunter der Älteste, Fried von Bernstorff, der noch nicht geboren war, als Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht sich 1977 bei der "vorläufigen Standortauswahl" auf Gorleben festlegte. Der Familie geht es um das, was heute Nachhaltigkeit heißt. Andreas Gottlieb von Bernstorff, der die Gutsherrschaft Ende des 17. Jahrhunderts kaufte, habe späteren Besitzern in einem Familienstatut ans Herz gelegt, "nicht auf den eigenen augenblicklichen Vorteil zu sehen, sondern an die Zukunft und das Beste der Nachkommen zu denken", heißt es auf der Internetseite der Familie.

Beim jüngsten Castor-Transport veranstaltete der Bernstorffsche Forstbetrieb ein Konzert mit mindestens 60 Sopran-, Alt-, Tenor- und Bass-Motorsägen, "so dass wir ein richtiges Motorsägen-Sinfonieorchester zusammenhatten". Dem kreativen Protest und Röttgens Dialogangebot zum Trotz dürfte es am Ende auf eine Enteignung hinauslaufen. Wie bei der Verlängerung der Laufzeiten werden dann nicht Politiker, sondern Gerichte entscheiden. "Manchmal müssen wir einen langen Atem haben und geduldig auf die Ernte warten", sagte Anna von Bernstorff einmal bei einer Andacht. Ihr Sohn Fried hat den Familienbetrieb in diesem Jahr übernommen. Er will Windräder bauen. Röttgen ist wirklich nicht zu beneiden.

Quelle: ntv.de

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