Außerordentlicher Ärztetag Rot-Grün will verhandeln
18.02.2003, 00:00 UhrSPD und Grüne haben der Bundesärztekammer Verhandlungen über die anstehende Gesundheitsreform angeboten. Noch sei nichts entschieden, sagte SPD-Fraktionschef Franz Müntefering am Dienstag bei einem Außerordentlichen Deutschen Ärztetag in Berlin.
Ärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe begrüßte das Gesprächsangebot. Er sehe im Gespräch mit den Fraktionen Chancen "Irrläufer, die zur Zeit zu erkennen sind, doch noch zu verhindern". Den Medizinern geht es vor allem darum, das von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt geplante Zentrum für Qualität in der Medizin sowie eine weitere Kostendeckelung abzuwenden.
Hoppe hatte Schmidt zuvor in scharfer Form kritisiert. Die Behauptung der Ministerin, das System sei zu teuer und beinhalte Fehlversorgung, sei falsch. "Diese Analyse ist eine Unverschämtheit", sagte Hoppe. Die Vorwürfe seien haltlos und dienten nur dazu, die Ärzteschaft "sturmreif" zu schießen. Tatsächlich beneideten viele in der Welt Deutschland um sein Gesundheitssystem.
Müntefering nahm die Ministerin in Schutz und unterstützte ihr Anliegen, die Effizienz des Gesundheitswesens zu steigern. Gleichzeitig betonte er, dass auch Schmidts vor zwei Wochen vorgelegte Eckpunkte für die Gesundheitsreform zunächst nur ein Diskussionsbeitrag seien. "Alles, was Sie hören, sind Meinungen", sagte Müntefering. Es handele sich um einen "offenen Prozess", bis die rot-grüne Koalition im April oder Mai ein Konzept vorlege. Er lud die Ärzte ausdrücklich zu Gesprächen ein.
Grüne diskutieren Mitversicherung
Unterdessn haben die Grünen die kostenfreie Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenkasse in Frage gestellt. "Für die jüngere Generation ist die Frage berechtigt, ob die Mitversicherung noch gerechtfertigt ist", sagte die Grünen-Fraktionschefin Krista Sager. Denkbar sei etwa ein Modell, wonach Frauen nur so lange bei ihren Männer kostenfrei mitversichert seien, wie sie zu Hause blieben, um die Kinder zu erziehen.
Der Vorschlag der Grünen dürfte für neuen Streit in der Koalition sorgen, weil die SPD bislang eine Änderungen an der Familienversicherung strikt abgelehnt hatte.
Wütende Ärzte
Die Reden von Müntefering und Sager wurden von teilweise wütenden Zwischenrufen der rund 250 Delegierten des Ärztetages begleitet. Ärztekammerpräsident Hoppe nannte die Pläne für eine Gesundheitsreform eine "Anleitung zum Aufbau einer staatsmedizinischen Bürokratie". Er verteidigte gleichzeitig den deutschlandweiten Ärzteprotest.
Schmidt hatte ihre Teilnahme an dem Ärztetag abgesagt und dies damit begründet, dass die Ärzte ihr keine Gelegenheit gegeben hätten, ihre Vorstellungen darzulegen. Der Sonderärztetag war aus Protest gegen die Gesundheitspolitik von Ministerin Schmidt anberaumt worden, nachdem zum 1. Januar die Spargesetze mit Honorarnullrunden in Kraft getreten waren.
Der Deutsche Ärztetag ist die Hauptversammlung der Bundesärztekammer, das Parlament der Ärzteschaft. Sie findet normalerweise einmal jährlich statt. Außerordentliche Ärztetage gab es erst drei Mal in der Nachkriegsgeschichte.
Quelle: ntv.de