Klagen gegen Fiskalpakt Rote Roben hängen schon bereit
29.06.2012, 11:03 Uhr
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Abstimmung über Fiskalpakt und ESM könnte noch glattgehen für Kanzlerin Merkel - und das, obwohl sie die Opposition braucht. Danach wird es heikel: Bundespräsident Gauck und das Bundesverfassungsgericht sind am Zug. Gauck will erstmal nicht unterschreiben - und den Verfassungsrichtern liegen tausende Anträge vor.
In Kürze ist Karlsruhe am Zug: Sofort nach der Abstimmung über ESM und Fiskalpakt in Bundestag und Bundesrat werden beim Bundesverfassungsgericht mehr als 12.000 Verfassungsbeschwerden, zwei Organklagen und eine Reihe von Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht. Mit letzteren soll Bundespräsident Joachim Gauck untersagt werden, vor einer endgültigen Entscheidung des Verfassungsgerichts die Vertragswerke zu unterzeichnen.
Die Kläger, unter ihnen der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und alle Bundestagsabgeordneten der Linken, kritisieren eine Aufgabe deutscher Souveränität, die vom Grundgesetz nicht gedeckt sei, berichtet die "Süddeutsche Zeitung", der laut eigener Angabe alle Klagen vorliegen. Gerügt wird eine ,,Grundrechtsverletzung durch unterlassene Volksabstimmung‘‘. Die vorgesehenen tiefgreifenden Veränderungen der Staatsorganisation und die Zentralisierung von Kompetenzen auf europäischer Ebene seien auch mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag nicht statthaft. Über eine neue Machtverteilung zwischen Nationalstaat und EU müsse das Volk abstimmen.
Der ESM sei undemokratisch, seine Konstruktion ,,präzedenzlos‘‘ mit ,,nahezu unbegrenzten Handlungsfähigkeiten‘‘. Die Immunität für ESM-Mitglieder sei verfassungswidrig. Der Bundestag entäußere sich seiner Haushaltsautonomie sowie seiner Kontroll- und Gestaltungsfunktionen.
Vorher Bundestag
Im Bundestag gibt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zunächst eine Regierungserklärung zum jüngsten EU-Gipfel ab, ehe das Parlament am Abend über die beiden Gesetze entscheidet. Direkt im Anschluss stimmt dann der Bundesrat ab.
Die angepeilte Zwei-Drittel-Mehrheit gilt in beiden Häusern als sicher. Die endgültige Umsetzung von Fiskalpakt und ESM wird sich aber trotzdem verzögern. Wegen der angekündigten Klagen beim Bundesverfassungsgericht will Gauck die Gesetze nämlich nicht unterzeichnen, bevor die Karlsruher Richter über die einstweiligen Anordnungen entschieden haben.
Die Linke wirft der Bundesregierung vor, negative Folgen für die öffentlichen Haushalte zu verschweigen. Merkel müsse eine "Sozialstaatsgarantie" abgeben und darin "verbindlich zusagen, dass die Kosten von Fiskalpakt und der Bankenrettung nicht den Bürgern durch Kürzungen von Renten und Sozialleistungen oder durch andere Belastungen aufgebürdet werden", sagte die stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht.
Der europapolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Thomas Silberhorn, hält den ESM für ungeeignet, um die Euro-Krise zu lösen, und will dagegen stimmen. "Um den Euro zu retten, müssen wir die Kraft haben, die Euro-Zone kleiner zu machen", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". Denn Hauptursache der Krise seien ökonomische Ungleichgewichte. Auch der Chef des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), will mit Nein stimmen. Er kritisierte den ESM als Schritt hin zu einer europäischen Transferunion.
Beim Rettungsschirm ESM haftet Deutschland mit annähernd 200 Milliarden Euro für verschuldete Euro-Staaten. Im Fiskalpakt für mehr Haushaltsstabilität werden die europäischen Staaten zu Maßnahmen wie einer Schuldenbremse verpflichtet, um künftige Schuldenkrisen zu vermeiden.
Quelle: ntv.de, jmü/dpa