Politik

Krieg in Georgien Russland bildet Pufferzone

Im Kaukasuskrieg spitzt sich die Lage zwischen Russland und Georgien dramatisch zu. Der georgische Präsident Michail Saakaschwili kritisierte bei einer Sitzung des Sicherheitsrates ein Vordringen russischer Bodentruppen in seinem Land. "Dies ist ein Versuch, Georgien völlig zu erobern und zu zerstören", sagte er nach Angaben georgischer Medien. Die internationale Staatengemeinschaft müsse helfen.

Das russische Verteidigungsministerium dementierte die Einnahme der georgischen Stadt Gori gut 60 Kilometer vor der Hauptstadt Tiflis. "Russische Truppen haben die Stadt Gori nicht eingenommen", sagte ein Militärsprecher nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. Einwohner in Gori hatten zuvor von einer Übernahme der Stadt durch die russische Armee berichtet. Die georgische Regierung teilte mit, Russland habe die Fernstraße durch Gori besetzt und das Land damit faktisch in zwei Teile getrennt.

"Wo ist die Grenze?"

Die georgischen Streitkräfte seien auf dem Rückzug, um die Hauptstadt Tiflis vor der Einnahme zu schützen, teilte die Regierung mit. Russland sei erstmals außerhalb der abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien auf dem Landweg auf georgisches Territorium vorgedrungen. "Wir wissen nicht mehr, wo für die russischen Invasoren die Grenze ist", so der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Alexander Lomaia. "Russland will anscheinend die demokratisch gewählte Regierung von Georgien stürzen und das Land okkupieren", sagte er.

Angesichts der dramatischen Entwicklung rief Georgien den Sicherheitsrat um Hilfe an. Das höchste UN-Gremium sollte noch am späten Montagabend in New York zu einer neuerlichen Dringlichkeitssitzung zusammenkommen.

Moskau wies die Angaben zurück. Russland wolle nicht die georgische Hauptstadt einnehmen. "Pläne, nach Tiflis vorzudringen, hatten wir nie und haben wir nicht", sagte ein Vertreter des Moskauer Verteidigungsministeriums nach Angaben der Agentur Interfax. Behauptungen Saakaschwilis, russische Bodentruppen seien auf dem Weg in die Millionenstadt, zeugten "offensichtlich einfach von der Panik" der georgischen Führung. Saakaschwili räumte am Abend ein, Tiflis sei nicht akut bedroht.

Flucht aus der Region

Der Ministeriumssprecher in Moskau sagte, die russische Armee dringe nur bis zu Stellungen vor, um weitere Angriffe auf die von Georgien abtrünnige Region Südossetien zu verhindern. Beobachter vermuten, dass Russland eine Pufferzone um das pro-russische Südossetien errichten will. Dafür spricht, dass sich die russischen Truppen aus den größeren Städten wieder zurückgezogen haben und offenbar kein Einmarsch in die georgische Hauptstadt Tiflis geplant ist.

Zahlreiche Regierungen und Hilfsorganisationen forderten ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen. Nur so könne zehntausenden Vertriebenen und zivilen Opfern geholfen werden. Auch hunderte Ausländer - darunter schätzungsweise 300 Deutsche - flohen aus dem Krisengebiet.

Der Krieg belastet zunehmend das Verhältnis der Großmächte USA und Russland. Washington, das die Regierung in Tiflis unterstützt, drohte mit einer dauerhaften Verschlechterung der bilateralen Beziehungen. Russland verteidigte seine Militärintervention als "Friedensmission".

Verschiedene Opfer-Zahlen

Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner und sein finnischer Amtskollege Alexander Stubb bemühten sich, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Der westlich orientierte Saakaschwili unterzeichnete nach eigenen Angaben eine einseitige Verpflichtung zur Waffenruhe. Dies hatte Moskau als Voraussetzung für eine Einstellung der Kämpfe gefordert. Am Vortag hatte Georgien bereits eine einseitige Waffenruhe verkündet. Noch am Abend sollten die beiden Außenminister in Moskau eintreffen. Dort wird in den kommenden Tagen auch der französische Präsident und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Nicolas Sarkozy erwartet.

Nach jüngsten Angaben des russischen Außenministeriums kamen in Südossetien bislang 1600 Menschen ums Leben. Georgien geht von deutlich weniger Opfern aus. Nach Angaben Saakaschwilis sind zehntausende Georgier auf der Flucht. Auch etwa 30.000 Südosseten sollen ihre Heimat verlassen haben.

US-Präsident George W. Bush warf Moskau vor, überzogen zu reagieren. Der russische Regierungschef Wladimir Putin wiederum hielt Washington vor, zur Verschärfung der Lage beigetragen zu haben, indem bis zu 2000 georgische Elitesoldaten aus dem Irak mit US- Transportmaschinen in den Südkaukasus geflogen worden seien. Die russische Agentur RIA Nowosti zitierte einen ranghohen Mitarbeiter des militärischen Geheimdienstes in Moskau mit der Behauptung, bis zu 3000 von US-Militärexperten gelenkte Söldner kämpften auf georgischer Seite gegen russische Soldaten.

Merkel trifft Medwedew

Die Europäische Union forderte Russland auf, "jegliche militärische Aktivität auf georgischem Territorium zu beenden". NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer äußerte sich äußerst besorgt. Auf Antrag Georgiens tritt der NATO-Rat an diesem Dienstag in Brüssel zu einer Sondersitzung zusammen. Russland wiederum beantragte eine Sondersitzung des NATO-Russland-Rates. Polen, Litauen und die Ukraine sprachen sich für die Entsendung von Friedenstruppen der Europäischen Union in den Südkaukasus aus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangte, wie zahlreiche andere Regierungschefs, von beiden Konfliktgegnern die bedingungslose Einstellung ihrer Kriegshandlungen. Merkel hielt an einem seit längerem für Freitag geplanten Treffen mit Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew im russischen Schwarzmeerort Sotschi fest, der unweit der Konfliktgebiete Georgiens liegt.

Quelle: ntv.de

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