Konflikt um Abchasien Russland droht Georgien
29.04.2008, 21:23 UhrRusslands Außenminister Sergej Lawrow hat Georgien mit "Vergeltungsmaßnahmen" gedroht, falls Georgien in den abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien militärisch eingreift.
"Wenn Georgien seine mehrfach ausgesprochene Drohung wahr macht, militärisch in Südossetien und Abchasien vorzugehen, dann wären wir gezwungen, Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen, um das Leben unserer Bürger zu schützen", sagte er in Luxemburg. "Ich rate, nicht Wirkungen und Ursachen zu verwechseln."
Lawrow warf der georgischen Führung vor, heimlich "Offensivwaffen" erworben zu haben. "Wir könnten eine Reihe von Beispielen zeigen, die darauf hindeuten, dass die georgische Führung versuchen könnte, die Abspaltungen in Abaschasien und Südossetien mit Gewalt zu beenden."
EU widerspricht Russland
Lawrow rechtfertigte die Verstärkung russischer Friedenstruppen in Abchasien. "Das spielt sich unterhalb jener Obergrenzen ab, die vertraglich festgesetzt sind", sagte er. EU-Chefdiplomat Javier Solana widersprach dem russischen Außenminister. "Wir sehen zunehmende Spannungen. Und wir finden, dass diese Spannungen deeskaliert werden sollten. Selbst wenn die Truppenverstärkung sich innerhalb der zulässigen Obergrenzen bewegt, so denke ich nicht, dass diese Verstärkung jetzt klug ist."
"Wir wollen ausschließlich verhindern, dass der Konflikt von einem 'eingefrorenen' wieder zu einem 'heißen' wird", sagte Lawrow. Russische Soldaten hätten ihr Blut vergossen, um den Konflikt zu entschärfen: "Und wir können nicht zulassen, dass ihr Blut erneut vergossen wird." Er fügte hinzu: "Alles, was wir über den Schutz unserer Bürger gesagt haben, beruht auf der russischen Verfassung. Die verpflichtet den russischen Staat, das Leben und die Würde seiner Bürger zu beschützen, wo immer sie sich auch befinden."
Aufmarsch an der Grenze
Russland hat aus Sorge vor einem Einmarsch georgischer Soldaten in die Konfliktregion seine Truppen in dem Gebiet aufgestockt. Georgien habe in den vergangenen Tagen im Kodori-Tal rund 1500 Soldaten und Polizisten zusammengezogen, warf das russische Verteidigungsministerium der Regierung in Tiflis vor. Damit werde ein Brückenkopf für eine Militäroperation gegen Abchasien vorbereitet. Das georgische Außenministerium dementierte die Truppenkonzentration.
Nach inoffiziellen Angaben aus Tiflis hat Russland seine 1800 Soldaten im Rahmen des GUS-Mandats um ein Drittel aufgestockt. Über ein Mandat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) hat Russland in der Region seit 1994 Soldaten stationiert, die den Frieden im Konfliktgebiet gewährleisten sollen. Laut der Vereinbarung von damals sind bis zu 3000 GUS-Soldaten in Abchasien zulässig.
Georgien hatte zuletzt einen Rückzug der russischen Friedenstruppen aus Abchasien und den Ersatz durch eine UN-Mission verlangt. Moskau lehnte dies ab. Nach Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums soll mit der Verstärkung der Friedenstruppen ein "neues Blutvergießen" in der Region verhindert werden. Es gebe keine Versuche Russlands, Abchasien und die ebenfalls von Georgien abtrünnige Region Südossetien zu annektieren, hieß es in der Mitteilung weiter.
Saakaschwili ruft zur Vernunft auf
Georgiens Präsident Michail Saakaschwili rief die Bevölkerung in Abchasien und Südossetien in einer von mehreren Fernsehsendern übertragenen Live-Ansprache zur Vernunft auf. "Wir haben das Ziel, in Frieden zu leben und nicht zu kämpfen", sagte Saakaschwili. Er verwies auf die Unterstützung der "zivilisierten Welt", die ebenfalls die territoriale Unversehrtheit der Kaukasusrepublik befürworte. Georgien setze sich weiter für eine friedliche Lösung des Konflikts ein. Die Führer von Abchasien und Südossetien lehnten eine Anbindung ihrer Regionen an Georgien umgehend ab.
Zuvor hatten einzelne Regierungsmitglieder Russland militärische Aggression vorgeworfen. Die georgische Parlamentschefin Nino Burdschanadse kündigte an, dass Tiflis angesichts der Spannungen den geplanten Beitritt Russlands in die Welthandelsorganisation (WTO) blockieren werde.
Die Opposition in Tiflis warf Saakaschwili vor, mit dem Konflikt vor der Parlamentswahl am 21. Mai von den innenpolitischen Problemen des Landes abzulenken. Georgien, das Soldaten im Irak stationiert hat, hatte die NATO zur Unterstützung in dem Konflikt aufgefordert. Abchasien bat Russland bereits um zusätzlichen militärischen Beistand. Der Westen reagierte zuletzt besorgt auf die Zuspitzung der Lage im Südkaukasus.
Die Spannungen zwischen Georgien und Russland haben sich verschärft, nachdem Kremlchef Wladimir Putin Mitte April eine diplomatische Annäherung an Abchasien angeordnet hatte. Tiflis wirft Moskau vor, im April ein Aufklärungsflugzeug über Abchasien abgeschossen zu haben. Moskau wies die Vorwürfe zurück. Abchasien räumte den Abschuss ein und begründete diesen mit der Verletzung seines Luftraums.
Quelle: ntv.de