Militärschlag gegen Syrien Russland lässt USA abblitzen
02.09.2013, 11:09 Uhr
Der russische Außenminister Lawrow ist nicht von der Schuld Assads am Gasangriff gegen Zivilisten überzeugt.
(Foto: REUTERS)
Der Syrien-Konflikt wird zunehmend auch ein Konflikt zwischen den USA und Russland. Während US-Präsident Obama auf einen Militärschlag dringt, steht Moskau weiter fest zu Assad. Und der schickt erneut seine Hacker los - diesmal attackieren sie das US-Militär.
Das Szenario erinnert an den Kalten Krieg: Russland scheut in Sachen Syrien nicht die Konfrontation mit den USA. US-Geheimdienstmaterial zum Giftgasangriff in Syrien überzeugt Moskau nicht. Die Russen haben nun die USA erneut mit Nachdruck aufgefordert, ihre Giftgas-Vorwürfe an das Regime in Syrien mit Beweisen zu belegen. "Washington hat uns Material übergeben, das aber nichts Konkretes dazu enthielt, wo die Proben von wem entnommen wurden", sagte Außenminister Sergej Lawrow.
"Als wir nach Details fragten, sagten unsere amerikanischen Partner, dass diese geheim seien", meinte Lawrow der Agentur Interfax zufolge. "Das überzeugt uns nicht. So ist keine Zusammenarbeit möglich", sagte er. Russland ist ein enger Verbündeter Syriens.
Auch der einflussreiche Außenpolitiker Alexej Puschkow forderte konkrete Beweise von den USA. "Das von US-Außenminister John Kerry erwähnte Nervengift Sarin konnte auch von den Rebellen angewendet werden", teilte der Chef des Auswärtigen Duma-Ausschusses mit.
Hacker kapern Marine-Webseite
Lawrow warnte die USA zudem, dass ein möglicher Militärschlag gegen das syrische Regime die neue Friedenskonferenz in Genf gefährde. Die Chance auf das seit Monaten geplante Treffen rücke in diesem Falle in weite Ferne und sei möglicherweise für immer vorbei, sagte er. Es gebe zwar weiterhin die Möglichkeit einer politischen Lösung. "Aber je länger wir dies hinauszögern, je länger die Opposition nicht zur Teilnahme an der Konferenz überredet werden kann, desto mehr Opfer in der Zivilbevölkerung werden wir sehen", betonte Lawrow. "Wir sind weiter davon überzeugt, dass es keine Alternative zu einer politischen Regulierung gibt."
Aus dem Hafen der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol lief unterdessen ein weiteres Kriegsschiff ins östliche Mittelmeer aus. Das Aufklärungsschiff soll sich vor der Küste zum Schutz der russischen Marinebasis in der syrischen Hafenstadt Tartus bereithalten, sagte ein Mitarbeiter der Kriegsmarine. Russland hatte bereits vergangene Woche Kriegsschiffe verlegt, aber betont, sich an möglichen Kampfhandlungen in Syrien nicht beteiligen zu wollen.
Syrische Hacker holten bereits zum digitalen Gegenschlag aus. Die Unterstützer von Präsident Baschar al-Assad kaperten die Rekrutierungs-Website der US-Marines. "Obama ist ein Verräter, der eure Leben in Gefahr bringen will, um Al-Kaida-Kämpfer zu unterstützen", schrieben sie auf der Seite. Die Gruppierung namens Syrian Electronic Army lud die Marines ein, stattdessen an der Seite Assads zu kämpfen. In den vergangenen Tagen hatten sie bereits die Seiten der Zeitung "New York Times" sowie Twitter gehackt.
Kerry: Regime hat Sarin benutzt
Sarin ist ein hochwirksames Nervengift. Schon kleinste Mengen von einem halben Miligramm wirken bei einem erwachsenen Menschen tödlich. Es kann über die Haut oder Atmung aufgenommen werden und dann zur vollständigen Lähmung führen. Da es weder riecht noch sichtbar ist, lassen sich Wasser und Nahrung damit leicht vergiften. Auch kann es als Gas eingesetzt werden, etwa durch die Explosion von entsprechend bestückter Munition.
Traurige Berühmtheit erlangte Sarin, das 1938 von einem deutschen Chemiker der IG-Farben als Insektenvernichtungsmittel entwickelt wurde, im Jahr 1995. Bei ihrem Angriff in der U-Bahn in Tokio nutzte die japanische Aum-Sekte das Gift: 13 Menschen kamen ums Leben, mehr als 6000 wurden verletzt.
US-Außenminister John Kerry hatte am Sonntag auch der Öffentlichkeit Ergebnisse von Geheimdienstermittlungen für die Verantwortung des Assad-Regimes für den Angriff mit knapp 1400 Toten vorgelegt. Demnach hat das Regime das Nervengas Sarin eingesetzt. Dies hätten unabhängige Untersuchungen von Blut- und Haarproben ergeben, die nach dem Beschuss eines Vorortes von Damaskus von Helfern zur Verfügung gestellt wurden, sagte Kerry auf CNN. Er betonte, dass die Ergebnisse nicht aus der Untersuchung der UN-Chemiewaffeninspekteure stammten. Deren Proben sollen ab sofort untersucht werden.
US-Präsident Barack Obama hat unterdessen damit begonnen, bei den Abgeordneten um Billigung einer Militäraktion in Syrien zu werben. Nach Angaben eines ranghohen Vertreters des Weißen Hauses sprachen Obama, sein Vize Joe Biden sowie sein Stabschef Denis McDonough mit Vertretern von Repräsentantenhaus und Senat, um sie für den Plan des Präsidenten zu gewinnen.
Der stellvertretende syrische Außenminister Faisal Mekdad hat einen möglichen US-Militäreinsatz in seinem Land als "Unterstützung für Al-Kaida" bezeichnet. In einem Interview mit dem Sender BBC erklärte Mekdad zudem, für die Angriffe mit chemischen Waffen in Syrien seien nicht die Truppen von Präsident Baschar al-Assad zuständig, sondern vielmehr von den USA unterstützte Gruppen. Ein Einsatz der USA in Syrien werde den "Hass auf die Amerikaner" verstärken und den gesamten Nahen Osten destabilisieren, sagte Mekdad in dem Interview.
Arabische Staaten haben keine einheitliche Position
Die arabischen Staaten finden im Syrien-Konflikt nicht zu einer gemeinsamen Position. Zwar verabschiedete die Außenminister-Konferenz der Arabischen Liga am Sonntagabend in Kairo eine Erklärung, in der sie den Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg in scharfen Worten verurteilte. Welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien, blieb in der Abschlusserklärung des Treffens jedoch unklar. Die Minister appellierten lediglich an die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft, dieses Verbrechen nicht ungesühnt zu lassen, "für das das syrische Regime die Verantwortung trägt". Die Schuldigen sollten sich vor einem internationalen Gericht verantworten müssen.
Die Minister entsprachen nicht dem Wunsch des Vorsitzenden des Bündnisses der syrischen Opposition, Ahmed al-Dscharba, die Pläne der USA für ein militärisches Eingreifen zu unterstützen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP