Politik

Druck auf Grüne in Pädophilie-Debatte SPD-Spitze springt Trittin bei

Kurz vor der Wahl kommt die Debatte Trittin mehr als ungelegen.

Kurz vor der Wahl kommt die Debatte Trittin mehr als ungelegen.

(Foto: REUTERS)

Der Druck auf Grünen-Spitzenkandidat Trittin nimmt zu. In der CSU ertönt der Ruf nach seinem Rückzugs, Unionsfrauen kritisieren die "Pädophilie-Verstrickungen". Unterstützung bekommt Trittin jetzt von der SPD.

Der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin bekommt in der Pädophilie-Debatte Schützenhilfe von den Sozialdemokraten. Parteichef Sigmar Gabriel und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nahmen Trittin in Schutz. "Ich habe großen Respekt davor, wie die Grünen jetzt mit ihrer eigenen Vergangenheit umgehen", sagte Gabriel. "Nichts wird beschönigt, alles kommt auf den Tisch."

Union und FDP könnten aber offenbar nicht der Versuchung widerstehen, dieses Thema zum Teil ihres Bundestagswahlkampfes zu machen. "Das ist unanständig gegenüber allen, die unter Kindesmissbrauch gelitten haben und leiden", meinte Gabriel. Steinbrück sagte am Montagabend, Trittin habe völlig angemessen dazu Stellung genommen.

Unionsfrauen empören sich

Dorothee Baer fordert aktive Aufklärung.

Dorothee Baer fordert aktive Aufklärung.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Massiver Druck kommt dagegen aus der Union. In einem Brief, der der "Leipziger Volkszeitung" vorliegt, appellierten Unions-Politikerinnen an die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt, sich aktiv in die Aufklärung der "Pädophilie-Verstrickungen" ihres Kollegen Trittin einzuschalten. "Als Mutter zweier Söhne dürfen Sie zu sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen nicht schweigen", heißt es in dem Schreiben. Die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, forderte gemeinsam mit sechs Frauen aus dem Bundesvorstand der Jungen Union Göring-Eckardt auf, "einen übergreifenden Konsens für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Pädophilie" zu erarbeiten.

Göring-Eckardt antwortete Bär und den Unionsfrauen kurz darauf mit einem eigenen Schreiben: "Als Mutter, als die Sie mich ansprechen, vor allem aber als Spitzenkandidatin der Grünen sage ich Ihnen, dass sich die Grünen vor mehr als 30 Jahren schrecklich geirrt haben. Ich sagen Ihnen aber ebenso klar: Hören sie endlich auf, mit diesem Thema Wahlkampf zu machen!" Im Gespräch mit n-tv.de sagte Göring-Eckardt: Das Thema gehöre da nicht hin. "Wir nehmen die Aufarbeitung unserer Parteigeschichte sehr ernst und haben genau deshalb ja ein Forschungsteam der Universität Göttingen beauftragt, wissenschaftliche Ergebnisse vorzulegen – über die Gründungszeit der Grünen und die unsäglichen pädophilen Positionen."

Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte die Grünen auf, einen Beauftragten für die Angelegenheiten von Missbrauchsopfern zu ernennen. "Die Grünen sind dabei, ihre moralischen Ansprüche, die sie jahrelang als Maßstab ihrer Politik geltend gemacht haben, zu verspielen", sagte er der "Welt". Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, verlangte von Trittin den Rückzug von der Spitzenkandidatur. Ginge es um den politischen Gegner, wäre Trittin "einer der ersten, die sich entrüstet und einen Rücktritt gefordert hätten", sagte sie der "Rheinischen Post".

Der unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, bescheinigte den Grünen indes, mit der unabhängigen Aufarbeitung ihrer Gründungszeit die richtige Entscheidung getroffen zu haben. "Auch schmerzhafte Ergebnisse werden veröffentlicht, das ist genau der richtige Weg", sagte Rörig dem "Tagesspiegel". Zu Rücktrittsforderungen an Trittin sagte er, es müsse "in Ruhe und losgelöst vom Wahlkampf und von populistischen Forderungen entschieden werden, wie man auf die Opfer angemessen und sensibel zugeht".

"Falsche Scheu" bei den Grünen

Ralf Fücks von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung sagte im ZDF: "Wir haben das lange verdrängt, aber programmatisch reinen Tisch gemacht." Der frühere Grünen-Vorsitzende räumte ein: "Wir haben nicht genügend hingeschaut. (...) Wir hätten damals das Jugendamt und die Staatsanwaltschaft rufen sollen." Laut Fücks gab es in der Partei "eine falsche Scheu, mit Entschiedenheit gegen diese Gruppen vorzugehen". Die Rücktrittsforderung an Trittin sei allerdings "überzogen - es gibt Unterschiede zwischen Straftaten und politischen Fehlern".

Grünen-Wahlkampfmanagerin Steffi Lemke sagte im Deutschlandfunk: "Wir haben unsere Verantwortung eingeräumt, unseren Fehler eingestanden und uns entschuldigt." Zu Trittin meinte sie: "Wir sind in einer extrem schwierigen Situation, wo er als Spitzenkandidat jetzt auch in einem Sturm steht, den wir selber zu verantworten haben." Gleichwohl sei Trittin "ein guter Spitzenkandidat, weil er die Partei in vielen Fragen gemeinsam mit Katrin Göring-Eckardt durch schwieriges Fahrwasser gesteuert hat".

Kuhn beklagt Instrumentalisierung

Der grüne Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn warf der politischen Konkurrenz in der "Stuttgarter Zeitung" vor, das Thema Pädophilie gegen seine Partei wahlkampfstrategisch zu instrumentalisieren. Göring-Eckardt sagte bereits zuvor zu den Vorgängen: "Das ist keine neue Lage für uns, das ist etwas, was wir kennen, von dem wir wissen."

Mitautor Stefan Klecha unterstellte den Grünen ein unterentwickeltes Bewusstsein für die eigene Geschichte. Dass die Studie überhaupt in Auftrag gegeben wurde, sei zwar gut, sagte der Politologe der "Passauer Neuen Presse". "Aber grundsätzlich gilt: Man erinnert sich so schlecht an das, was gewesen ist, besser gesagt: Man erinnert sich nicht gerne. Die Vorgänge sind jedoch noch nicht solange her."

Wie nur wenige Tage vor der Bundestagswahl bekannt wurde, zeichnete Trittin 1981 für ein Kommunalwahlprogramm verantwortlich, in dem Straffreiheit für gewaltfreie sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern gefordert wurde. Das schrieben die Politologen Franz Walter und Stefan Klecha in einem Beitrag für die Tageszeitung "taz". Trittin räumte sein damaliges Verhalten als Fehler ein.

Quelle: ntv.de, ghö/ieh/dpa

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