Politik

Trotz Verluste der Union SPD bleibt im Tal der Tränen

Zwar muss Merkel die größeren Verluste bei der Europawahl hinnehmen, doch bleibt Münteferings SPD auf dem Rekordtief der Wahl von 2004.

Zwar muss Merkel die größeren Verluste bei der Europawahl hinnehmen, doch bleibt Münteferings SPD auf dem Rekordtief der Wahl von 2004.

(Foto: AP)

Die SPD rutscht bei der Europwahl wohl noch leicht unter ihre katastrophales Ergebnis von 2004. Der erhoffte Aufwärtstrend bleibt aus, die Sozialdemokraten stürzen erneut in die Krise. Die Union kann sich trotz erheblicher Verluste als Gewinner fühlen, zumal die CSU fast ihr Ergebnis von vor fünf Jahren erreicht. Wahlsieger sind die FDP und die Grünen.

Herber Rückschlag für die SPD: Die Sozialdemokraten mit ihrem Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier haben bei der Europawahl womöglich noch schlechter abgeschnitten als nach ihrem historischen Einbruch vor fünf Jahren. Zwar muss die Union von Kanzlerin Angela Merkel laut Hochrechnungen von ARD und ZDF deutliche Verluste hinnehmen, bleibt aber trotzdem mit Abstand stärkste Partei.

Knapp vier Monate vor der Bundestagswahl am 27. September kam die SPD auf etwa 21,1 Prozent und die CDU/CSU auf 38,2 Prozent der Stimmen. Damit beträgt der Abstand zwischen Union und SPD rund 17 Prozentpunkte. Zusammengerechnet haben die Volksparteien noch nie so schlecht bei einer Wahl in ganz Deutschland abgeschnitten.

FDP und Grüne als Wahlgewinner

Nach dem Debakel bei der bayerischen Landtagswahl gelang der CSU unter ihrem neuen Parteichef Horst Seehofer der Wiedereinzug ins Europaparlament. Die FDP gewann deutlich hinzu, die Linkspartei und die Grünen leicht. Es zeichnete sich mangels kontroverser Themen und prominenter Kandidaten eine genauso geringere Wahlbeteiligung wie beim Tiefstand von 43 Prozent im Jahr 2004 ab.

Steinmeier: "Enttäuschendes Ergebnis"

Wahlverlierer: SPD-Chef Müntefering und Spitzenkandidat Martin Schulz.

Wahlverlierer: SPD-Chef Müntefering und Spitzenkandidat Martin Schulz.

(Foto: dpa)

Die SPD fuhr ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl seit 1949 ein - und lag damit noch unter dem Negativrekord von 21,5 Prozent bei der Europawahl 2004. Die Bürger hatten vor fünf Jahren der Partei des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder einen Denkzettel verpasst. "Wir wussten um die Mobilisierungsprobleme", sagte der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering in Berlin. Es sei nicht gelungen, diese aufzulösen. Kanzlerkandidat Steinmeier betonte: "Es ist ein enttäuschendes Wahlergebnis, da gibt es nichts drumherum zu reden." Er rate jedoch davon ab, Rückschlüsse auf die Bundestagswahl zu ziehen und machte vor allem die schwache Wahlbeteiligung für das Ergebnis verantwortlich. "Ganz offensichtlich ist es uns nicht gelungen, unsere Wähler, unsere Wählerschichten wirklich an die Urnen zu bringen", sagte Steinmeier in der ARD.

Kritik am Kurs der SPD bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise wies Steinmeier zurück. Gerade jetzt dürften industrielle Kapazitäten und Arbeitsplätze nicht preisgegeben werden. "Glauben wir doch bitte nicht, dass eine Pleite von Opel uns billiger gekommen wäre."

Union will Kommissar stellen

Wieder drinnen: CSU-Spitzenkandidat Markus Ferber freut sich im Beisein von Parteichef Seehofer über den Wahlerfolg seiner Partei.

Wieder drinnen: CSU-Spitzenkandidat Markus Ferber freut sich im Beisein von Parteichef Seehofer über den Wahlerfolg seiner Partei.

(Foto: dpa)

Die Union verzeichnete nach 44,5 Prozent 2004 ihr zweitschlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprach dennoch von einem Vertrauensbeweis: "Es gibt eine klare bürgerliche Mehrheit von Union und FDP." Die CSU kam laut ARD bundesweit hochgerechnet auf 7,2 Prozent (8,0 Prozent) und übersprang damit die notwendige Fünf-Prozent-Hürde. Dies entsprach in Bayern einem Stimmenanteil von knapp 50 Prozent. "Ich darf heute vermelden: Die Christlich Soziale Union ist wieder da", sagte Seehofer in Anspielung auf das schwache Landtagswahlergebnis im Herbst 2008 (43,4 Prozent). Danach hatte er den Parteivorsitz und das Amt des Ministerpräsidenten übernommen.

Die CDU bekräftigte ihren Anspruch, den deutschen Kommissar in der nächsten EU-Kommission zu stellen. "Wenn wir die Stärksten sind und so lange nicht berücksichtigt wurden, dann ist das ein sehr berechtigter Anspruch", sagte Spitzenkandidat Hans-Gert Pöttering. Die nächste EU-Kommission tritt im Herbst ihr Mandat an. Der Präsident der Behörde und die Zusammensetzung der Kommission insgesamt müssen vom Europäischen Parlament bestätigt werden.

Grüne schaffen dritten Platz

Die Grünen konnten ihr bestes Ergebnis auf Bundesebene mit 12,2 Prozent (2004: 11,9 Prozent) erneut übertreffen. "Wir haben Platz drei gemacht, den wollen wir auch bei der Bundestagswahl machen", sagte Grünen-Spitzenkandidat Reinhard Bütikofer. "Die Bundestagswahl ist am heutigen Tag definitiv nicht entschieden", sagte Parteichefin Claudia Roth in der ARD.

Freude bei der FDP: Spitzenkandidatin Koch-Mehrin haben die Spekulationen über ihre Arbeitsweise in den vergangenen Tagen offenbar nicht geschadet. Sehr zur Freude des Parteichefs Westerwelle.

Freude bei der FDP: Spitzenkandidatin Koch-Mehrin haben die Spekulationen über ihre Arbeitsweise in den vergangenen Tagen offenbar nicht geschadet. Sehr zur Freude des Parteichefs Westerwelle.

(Foto: dpa)

Die FDP erzielte mit etwa 10,6 Prozent (6,1 Prozent) ein Europawahl-Rekordergebnis. "Keine Partei hat so zugelegt wie wir", rief der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle den Anhängern in der Berliner FDP-Zentrale zu. Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin wertete das Rekordergebnis ihrer Partei bei der Europawahl als Folge des konsequent wirtschaftsliberalen Kurses ihrer Partei. "Es ist einfach ein toller Erfolg", sagte Koch-Mehrin im ZDF.

Die Linke konnte sich mit 7,5 Prozent (6,1 Prozent) etwas verbessern. Spitzenkandidat Lothar Bisky räumte ein, dass die Linke nicht so stark abgeschnitten habe wie erhofft, sei auch Folge von "Parteiquerelen". Die erstmals angetretenen Freien Wähler kamen nur auf rund zwei Prozent. Damit werden keine anderen Gruppierungen einen Abgeordneten in das Straßburger Parlament entsenden.

99 von 736 Parlamentarieren

Deutschland stellt als größtes EU-Land 99 der künftig 736 Parlamentarier, die erneut für fünf Jahre gewählt wurden. Davon gehören 42 (2004: 49) der CDU/CSU an, 23 bis 24 (23) der SPD, 13 bis 14 (13) entsenden die Grünen, 11 bis 12 (7) die FDP und 8 bis 9 (7) die Linken. Das Europaparlament wird seit 1979 direkt gewählt.

In Deutschland waren 64,3 Millionen Bürger aufgefordert, ihre Stimme abzugeben. Davon kamen 2,1 Millionen aus anderen EU-Staaten.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP/tis

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