Politik

BIW fehlte nur eine Stimme SPD hat die Wahl

Denkzettel für die große Koalition - Grüne und Linkspartei feiern historische Erfolge. Trotz klarer Verluste hat die SPD ihre Hochburg Bremen verteidigt. Sie kann damit die seit zwölf Jahren bestehende große Koalition mit einer deutlich geschwächten CDU fortsetzen oder sich für ein Bündnis mit den Grünen entscheiden. Die Linkspartei schaffte bei der einzigen Landtagswahl in diesem Jahr erstmals den Sprung in ein westdeutsches Landesparlament. Die derzeit an keiner Landesregierung mehr beteiligten Grünen kommen auf das mit Abstand beste Ergebnis ihrer Geschichte bei einer Landtagswahl.

Die SPD will Sondierungsgespräche mit CDU und Grünen führen. Die CDU sprach sich für eine Fortsetzung der großen Koalition aus. Die Grünen wollen mitregieren. Die Linkspartei sieht sich bundesweit im Aufwind. Die Sozialdemokraten regieren das kleinste Bundesland seit 62 Jahren. Ein Wechsel zu Rot-Grün könnte ein Signal für das Landtags-Wahljahr 2008 und für die große Koalition im Bund sein.

Die FDP konnte erstmals seit 1991 wieder die Fünf-Prozent-Hürde nehmen. Die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) zieht erneut mit einem Abgeordneten in die Bürgerschaft ein. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 58 Prozent (2003: 61,3). Das war die schlechteste Beteiligung in Bremen überhaupt. Zur Wahl waren rund 490.000 Bürger aufgerufen.

"Natürliches Ende"

Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) sagte, er werde in den nächsten 14 Tagen Sondierungsgespräche ausschließlich mit CDU und Grünen führen. Er zeigte sich am Abend offen für ein Bündnis mit den Grünen: "Man darf nichts dämonisieren, weder die große Koalition noch Rot-Grün", sagte er. Und weiter: "Jede Koalition hat ein natürliches Ende, und das ist der Wahltag". SPD-Chef Kurt Beck angesichts des Erfolgs der Linkspartei, seine Partei müsse besonders auf soziale Gerechtigkeit achten. Er betonte, die SPD in Bremen habe bei der Wahl ihres Regierungspartners freie Hand.

Der Bremer CDU-Vorsitzende Bernd Neumann sagte über eine mögliche Neuauflage der großen Koalition: "Wir biedern uns nicht an." CDU-Spitzenkandidat Thomas Röwekamp unterstrich aber: "Es gibt keine Wechselstimmung. Die Menschen wollen nicht rot-grün regiert werden." Auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprach sich für eine Fortführung der SPD/CDU-Regierung aus. Die SPD habe mit ihrem Verzicht auf eine Koalitionsaussage die kleinen Parteien gestärkt.

Grünen-Bundeschefin Claudia Roth sagte: "Die große Koalition ist abgewählt worden." Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert betonte: "Bremen braucht den Wechsel." Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, sagte, seine Partei sei nach ihrem Erfolg in Bremen "bundesweite Kraft". Linke-Spitzenkandidat Peter Erlanson betonte, seine Partei werde in der Bürgerschaft für "Unruhe und Transparenz" sorgen.

"Wunder von Bremen"

Die SPD kam nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 36,8 Prozent (2003: 42,3 Prozent) und erzielte damit eines ihrer schwächsten Ergebnisse in Bremen überhaupt. Die CDU erreichte auf 25,6 Prozent (29,8), sie fiel damit zum zweiten Mal in Folge deutlich ab. Die Grünen erreichten 16,4 Prozent (12,8). 1997 hatten sie in Hamburg mit 13,9 Prozent ihr bisher bestes Länderergebnis.

Die kurz vor der Fusion auf Bundesebene stehende Linke vervierfachte ihr Ergebnis von 1,7 Prozent auf 8,4 Prozent. "Wir haben das Wunder von Bremen vollbracht", erklärte die Landessprecherin der Linken, Inga Nitz, auf n-tv. Sie sprach von einem historisch bedeutsamen Augenblick. Zwar werde man nicht mitregieren. Gleichwohl hätte das Ergebnis "Ausstrahlungskraft in die gesamte Bundesrepublik".

Die Freien Demokraten, die seit 2003 nur wegen ihres Abschneidens in Bremerhaven einen Abgeordneten in die Bürgerschaft entsenden durften, kamen insgesamt auf 5,9 Prozent (4,2).

Nur eine Stimme fehlte

Die stärkste rechtsextreme Partei in der Hansestadt, die DVU, scheiterte mit 2,7 bis 2,8 Prozent (2,3) wieder an den Fünf-Prozent-Marke. Es zeichnete sich ab, dass sie ihr über die Sonderregelung für Bremerhaven erzieltes einziges Mandat behält. Bisher sind rechtsradikale Parteien in vier Bundesländern vertreten: Die DVU in Bremen und Brandenburg, die NPD in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Die rechtskonservative Partei "Bürger in Wut" erzielte in Bremerhaven 4,99 Prozent und scheiterte damit am Einzug in die Bürgerschaft. Eine einzige Stimme fehlte der BIW.

Die SPD kommt in der neuen Bürgerschaft auf 33 Sitze (2003: 40), die CDU auf 23 (29). Die Grünen ziehen mit 14 (12) Abgeordneten in das Parlament ein, die Linkspartei mit 7 (0) und die FDP mit 5 Parlamentariern (1). Die DVU schickt einen Abgeordneten.

Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen haben SPD und CDU in der großen Koalition an Strahlkraft verloren. Die Arbeit der SPD sei besser bewertet worden als die der CDU. Überdies habe SPD-Bürgermeister Böhrnsen im Ansehen der Wähler erheblich besser abgeschnitten als CDU-Spitzenkandidat Röwekamp. Die Grünen legten bei jüngeren Wählern überdurchschnittlich zu. Die Linkspartei punktete bei Arbeitslosen und Arbeitern.

Quelle: ntv.de

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