Politik

Union will in einem Monat entscheiden SPD pocht auf Programm, Grüne schlingern

Andrea Nahles und Anton Hofreiter - zwei Parteien, zwei Verhandlungstaktiken.

Andrea Nahles und Anton Hofreiter - zwei Parteien, zwei Verhandlungstaktiken.

(Foto: n-tv.de (dpa, imago))

Vor dem zweiten Sondierungsgespräch mit Kanzlerin Merkel präsentiert sich die SPD mit breiter Brust: "Es geht ans Eingemachte", so Generalsekretärin Nahles, die mit Scheitern droht. Auch die Grünen setzen sich wieder mit der Union an einen Tisch. Deren neuer Fraktionschef Hofreiter gibt sich jedoch handzahm - und stellt die eigenen Steuerpläne infrage.

Der Koalitionspoker der Union geht in die nächste Runde: Am Montag setzen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Verhandlungsmannschaft zunächst die Sondierungsgespräche mit der SPD fort, am Dienstag folgen dann die Grünen. Und während einer der beiden möglichen Regierungspartner Bedingungen stellt, geben sich die anderen überaus selbstkritisch.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat derweil bereits eine relativ genaue Zielmarke im Kopf: Er rechnet mit der Bildung einer neuen Bundesregierung bis Mitte November. Die Koalitionsverhandlungen würden seiner Ansicht nach viel schneller verlaufen, als viele dächten, sagte der CDU-Politiker.

Um in solche konkreten Koalitionsgespräche zu kommen, muss die Union jedoch noch Hürden überwinden. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles etwa macht das Zustandekommen einer Großen Koalition von der Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde abhängig. "Ohne die Vereinbarung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro wird es eine Regierungsbeteiligung der SPD nicht geben. Alles andere würden unsere Mitglieder nicht akzeptieren", sagte sie der "Bild am Sonntag".

Sozialdemokraten wollen Konkretes

Hintergrund ist, dass die SPD hat einen Koalitionsvertrag an ein positives Votum seines Parteitages geknüpft hat. Eine Zusammenarbeit mit der Union könnte also in letzter Minute gekippt werden, wenn die Mitglieder gegen die Ausarbeitungen sind, obwohl sich die sozialdemokratischen Köpfe mit denen von Kanzlerin Angela Merkel einig sind.

Und so werde es bei dem zweiten Treffen "ans Eingemachte gehen" versprach Nahles, die zugleich eine Drohkulisse errichtete. "Die Union sollte nicht darauf setzen, dass es automatisch zu einem dritten Sondierungsgespräch kommt. Wir brauchen schon am Montag konkrete Erkenntnisse, ob die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen Sinn machen würde." Dem Treffen komme "entscheidende Bedeutung zu für die Frage, ob eine stabile Grundlage für Koalitionsverhandlungen existiert". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse sich diesmal auf inhaltliche Punkte festlegen. "Ich erwarte mehr Verbindlichkeit, an erster Stelle beim Mindestlohn, aber nicht nur dort", so Nahles.

Auch ein Scheitern der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD hält die Sozialdemokratin für möglich: "Eine Große Koalition müsste die großen Probleme lösen wie Europakrise, Energiewende und Neuordnung der Finanzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Sonst hat eine solche Regierungskoalition keine Berechtigung."

Hofreiter distanziert sich von Steuerplänen

Vor dem folgenden, zweiten Sondierungsgespräch der Grünen mit der Union deutete der neue Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter für seine Partei indes Korrekturen am umstrittenen Steuerkonzept an. "Sicher war nicht jedes Detail richtig. Wir haben Fehler gemacht", sagte er der "Welt am Sonntag". "Vielleicht war das zu viel auf einmal: Ehegattensplitting abbauen, Vermögensabgabe einführen, Spitzensteuersatz anheben. Wir müssen uns fragen, ob unser kompliziertes Konzept zur Abschmelzung des Ehegattensplittings in Zukunft noch sinnvoll ist. Aber jede Änderung am Steuerkonzept setzt eine Debatte über unsere politischen Prioritäten voraus."

Ob Hofreiter dies als Annäherung an die Union verstanden wissen will, sagte er nicht. Allerdings dürfte die Ankündigung die Sondierungsgespräche mit der Union erleichtern. Die hatte sich im Wahlkampf stets gegen Steuererhöhungen ausgesprochen. Die Grünen hatten in ihrem Wahlprogramm Steuererhöhungen für Gutverdiener angekündigt und damit bei der Bundestagswahl mit nur 8,4 Prozent eine herbe Niederlage kassiert. Die Steuerpläne könnten entscheidend die Chancen einer ersten schwarz-grünen Koalition auf Bundesebene sein und stehen deshalb im Mittelpunkt des zweiten Sondierungsgesprächs am Dienstag.

Insgesamt sieht Hofreiter den Bedarf für eine Neuausrichtung seiner Partei: "Natürlich muss sich einiges ändern bei uns. Damit meine ich nicht so sehr unsere Grundüberzeugungen und programmatischen Konzepte, sondern unseren Habitus, unsere Tonlage. Statt etwa die Energiewende oder unser Steuerkonzept als technokratische Ansammlung von Details darzustellen, müssen wir mehr darauf achten, die Dinge zu erklären und zu begründen."

Der Poker der Union zeigt bei den Grünen offenbar mehr Wirkung als bei der SPD. Die Machtverlockung treibt die Partei in eine Position, in die sie nie kommen wollte: Kanzlerin Angela Merkel kann die beiden möglichen Regierungspartner in den abwechselnden Sondierungsgesprächen gegeneinander ausspielen. Während die Grünen Selbstkritik signalisieren, muss die SPD-Führung standhaft bleiben - oder sie bekommt die Quittung der Mitglieder per Abstimmung.

Quelle: ntv.de, rpe/AFP/rts

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