Thüringen und Saarland SPD strebt Rot-Rot an
28.08.2009, 07:00 UhrSPD-Kanzlerkandidat Steinmeier und Umweltminister Gabriel sprechen sich für Bündnisse mit der Linkspartei auf Länderebene aus. Das entscheide sich "allein an den Inhalten". Kanzlerin Merkel sagt dagegen, im Hinblick auf die Geschichte verbiete sich eine rot-rote Koalition.
Unmittelbar vor den Landtagswahlen in drei Bundesländern sendet die SPD neue Signale in Richtung rot-roter Koalitionen. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier will den Landesverbänden seiner Partei dazu freie Hand lassen. Für die Bundesebene schloss er ein Bündnis mit der Linkspartei im "Mannheimer Morgen" aber erneut strikt aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte eindringlich vor rot-roten Bündnissen.

Steinmeier mit dem saarländischen SPD-Spitzenkandidaten Maas: Rot-Rot ist kein Tabu - auf Landesebene zumindest.
(Foto: Reuters)
Den Umfragen zufolge könnten Links-Koalitionen mit Beteiligung der Grünen im Saarland und in Thüringen möglich werden, die bisher alleinregierende CDU könnte in beiden Ländern am kommenden Sonntag starke Verluste erleiden. In Sachsen, wo ebenfalls ein neuer Landtag gewählt wird, kann die CDU voraussichtlich mit SPD oder FDP weiterregieren. Gewählt werden am Sonntag auch die Kommunalparlamente im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein- Westfalen. Damit sind vier Wochen vor der Bundestagswahl insgesamt 20,6 Millionen Bürger am "Super-Wahlsonntag" zur Wahl aufgerufen.
"Gute Arbeit gemacht"
Merkel forderte die SPD auf, sich an ihre Rolle bei der deutschen Vereinigung zu erinnern. Dann verbiete sich eine Koalition mit der Linken, sagte Merkel auf dem Willy-Brandt-Platz in Erfurt. "Dass die SPD jetzt hier in Thüringen so mir nichts, dir nichts um der Macht willen mit der Linken zusammenarbeiten will, das kann ich nicht verstehen." Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte, vor 20 Jahren habe das Volk sich von der SED befreit. Es könne nicht sein, dass jetzt die SED-Nachfolgepartei nach der Macht greife.
SPD-Chef Franz Müntefering verwies darauf, dass es auf Länderebene in Berlin heute schon eine rot-rote Regierung gebe. "Auch in anderen ostdeutschen Ländern hatten wir bereits solche Konstellationen, in denen gute Arbeit gemacht wurde, ohne dass die Welt untergegangen wäre", sagte Müntefering dem "Münchner Merkur". Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete es in der "Financial Times Deutschland" als "absurd", die Linke für prinzipiell regierungsunfähig zu erklären. "Ob sie das ist, entscheidet sich für mich allein an den Inhalten."
SPD: Kein Ministerpräsident der Linkspartei

Umweltminister Gabriel kann sich sogar eine Koalition unter Führung der Linkspartei vorstellen.
(Foto: REUTERS)
Der Spitzenkandidat der thüringischen Linken, Bodo Ramelow, ließ im ZDF offen, wie sich seine Partei nach der Wahl verhalten wird, wenn sie die SPD erneut überflügelt: "Der Stärkere lädt ein und der Stärkere schlägt vor. Und das thematisieren wir erst, wenn der Wähler gewählt hat." Der Bundesvorsitzende der Linkspartei, Lothar Bisky, sagte im MDR, wenn Ramelow ein fantastisches Ergebnis einfahre, "dann sollte er als Ministerpräsident kandidieren und als nichts anderes". SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie wiederholte, dass die Sozialdemokraten keinen Ministerpräsidenten der Linken wählen werden. "Alle anderen Konstellationen müssen möglich sein nach der Wahl." Dazu könnte auch eine CDU/SPD-Koalition zählen.
Gabriel sagte, man müsse sich der Realität stellen. "Ich finde die Debatte über die Linkspartei schräg. Zwanzig Jahre nach der Einheit tun manche so, als ob es da keine Veränderungen gegeben hätte." Schließlich habe sich auch FDP-Chef Guido Westerwelle verändert - früher sei er ins "Spaßmobil" gestiegen und heute gelte er als seriöser Politiker.
Steinmeier betonte, er glaube nicht, dass der SPD eine rot-rote Koalitionsdebatte in den Ländern im Bundestagswahlkampf schaden könnte. "Die Rote-Socken-Kampagne greift nicht", sagt er dem "Mannheimer Morgen". Der Union werde es nicht gelingen, die Ergebnisse von Landtagswahlen zu nationalen Schicksalsfragen zu stilisieren.
Sektierer in der Linken
Die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel sagte, sie sehe Rot-Rot in den Ländern als positives Signal für eine stärkere Öffnung Richtung Linkspartei. "Wir sind der Meinung, dass man die offene und inhaltliche Auseinandersetzung mit der Linkspartei suchen muss", so Drohsel. Die SPD-Jugendorganisation sei da undogmatischer und offener aufgestellt als der Rest der SPD. Sie betonte aber, dass die Jusos die Mehrheitsmeinung in der Partei zur Kenntnis nehmen müssten, die eine Koalition unter Beteiligung der Linken auf Bundesebene nach der Bundestagswahl ausschließt.
Niedersachens SPD-Chef Garrelt Duin warnte hingegen vor rot-roten Bündnissen. Es gebe in der Linken viele Sektierer, sagte er der "Welt". "Die wollen nicht politische Verhältnisse verändern, die wollen der SPD schaden." Besonders in westdeutschen Landesverbänden hätten sie das sagen. "Da ist jede Zusammenarbeit unmöglich."
Hin zum Staatskapitalismus
Der CSU-Politiker Hans Michelbach sagte dem "Handelsblatt": "Die immer vernehmlicheren Einheitsfrontangebote an die SED-Nachfolgepartei sind die logische Fortsetzung der seit Längerem zu beobachtenden konsequenten Abkehr der SPD von der sozialen Marktwirtschaft hin zum Staatskapitalismus". Mit diesem Kurs gefährde die SPD "eine zentrale Bastion unseres Staates und unserer Gesellschaft".
FDP-Chef Guido Westerwelle warnte vor dem Einfluss von Linken-Chef Oskar Lafontaine in einem möglichen rot-roten Bündnis: "Der Mann hat Kraft, und er hat Charisma. Und deshalb kann ich Ihnen sagen, wer bei Rot-Rot Don Quichotte und wer Sancho Pansa sein wird", sagte Westerwelle bei der Abschlusskundgebung der Saar-FDP in Saarbrücken. "Bei Rot-Rot sitzt Lafontaine auf dem Pferd, und (SPD-Chef Heiko) Maas reitet auf dem Esel." Westerwelle warb für eine "bürgerliche Mehrheit" im Saarland aus Union und FDP.
"Die Rechten dürfen keine Chance haben"
Steinmeier appellierte an die Wähler in Thüringen, bei der Wahl ein klares Zeichen gegen rechts zu setzen. "Die Rechten dürfen keine Chance haben, nicht in Thüringen und nirgendwo sonst", sagte er in Jena.
Der Zentralrat der Juden warnte vor einem möglichen Verbleib der rechtsextremen NPD im sächsischen Landtag. "Wer am Sonntag die NPD wählt, stärkt die Menschenfeinde, schwächt auch den Wirtschaftsstandort im Osten und belohnt die Faschisten für eine Politik von Chaos und Bösartigkeit", sagte der Vizepräsident des Zentralrats, Dieter Graumann, dem "Handelsblatt". Er forderte, die NPD entschlossener zu bekämpfen. In Sachsen liegt die NPD in Umfragen zwischen 4,5 und 6 Prozent.
Kölner Rathaus könnte verloren gehen
Bei der Kommunalwahl in NRW droht der CDU der Verlust des Kölner Rathauses. Bei einer Infratest-dimap-Umfrage für den WDR lag der von den Grünen unterstützte SPD-Kandidat Jürgen Roters klar vorn. Auch der Oberbürgermeister-Posten in Essen, den die CDU seit zehn Jahren besetzt, könnte verloren gehen. Bei den Wahlen vieler Stadträte könnten die Sozialdemokraten aber dennoch noch schlechter abschneiden als bisher. In der Landeshauptstadt Düsseldorf droht ihr laut Umfrage sogar ein Absturz auf 20 Prozent.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP