Politik

Parteitag der Grausamkeiten SPD überprüft Schröder-Reformen

Die Genossen wollen die Stolpersteine aus dem Weg räumen.

Die Genossen wollen die Stolpersteine aus dem Weg räumen.

(Foto: REUTERS)

Bei dem am Freitag in Dresden beginnenden SPD-Parteitag sucht die ums Überleben kämpfende Traditionspartei nach Wegen aus einer der schwersten Krisen ihrer fast 150-jährigen Geschichte. Einige offene Abrechnungen zeichnen sich ab. Insbesondere ist ein Kampf um die Agenda-Reformen der Ära Schröder zu erwarten.

Letzte Vorbereitungen.

Letzte Vorbereitungen.

(Foto: REUTERS)

Bereits im Vorfeld sind führende Sozialdemokraten auf Distanz zu den Sozialreformen ihrer elf Regierungsjahre gegangen. Der ehemalige SPD-Sozialminister Olaf Scholz sprach sich mit Blick auf das schlechte Bundestagswahlergebnis der SPD für eine grundlegende Überprüfung aller Arbeitsmarkt- und Sozialreformen seit 1998 aus. Insbesondere die Rente mit 67 wurde unmittelbar vor Beginn des SPD-Parteitages infrage gestellt. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier will von der schwarz-gelben Regierung eine Überprüfung und eventuell einen Aufschub einfordern.

Knapp sieben Wochen nach dem Debakel bei der Bundestagswahl ist die SPD-Führung am Abend in Dresden zusammengekommen, um den dreitägigen Parteitag vorzubereiten. Präsidium, Vorstand und Parteirat wollten letzte Antragsänderungen beschließen.

Schröder-Reformen rechnen sich nicht

Scholz (51), der Partei-Vize werden will, sagte der "Frankfurter Rundschau": "Wir sollten die Sozialreformen der jüngeren Zeit nicht nur daraufhin abklopfen, ob sie technisch funktionieren, sondern ob sie aus der Perspektive jedes einzelnen Bürgers sinnvoll sind." Viele Bürger hätten den Eindruck, dass sich für sie die Reformen der SPD-Regierungszeit nicht rechnen, sagte Scholz. Dadurch habe seine Partei einen "Vertrauensverlust" erlitten.

SPD auf der schiefen Bahn

Nach Einschätzung des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer ist die SPD auf die schiefe Bahn geraten. Sie habe ihren "sozialen Markenkern" verloren, sagte Sommer, der selbst SPD-Mitglied ist, der "Schwäbischen Zeitung". Auf dem Parteitag in der sächsischen Landeshauptstadt müssten die Sozialdemokraten die Ursachen für ihren Glaubwürdigkeitsverlust bei den Arbeitnehmern klären.

Vor dem Parteitag mahnten führende Sozialdemokraten eine sachliche Aufarbeitung des Debakels bei der Bundestagswahl an und riefen wie immer solchen Fällen zur Geschlossenheit auf. Die designierte Vize-Vorsitzende Hannelore Kraft (48) warnte vor rückwärtsgewandten Debatten. "Wir müssen viel diskutieren, aber wir müssen nach vorn diskutieren", sagte die nordrhein-westfälische SPD-Chefin im Deutschlandfunk.

Rückenwind statt Gegenwind

Generations- oder auch Systemwechsel? Der designierte Chef Gabriel mit dem Noch-Chef Müntefering.

Generations- oder auch Systemwechsel? Der designierte Chef Gabriel mit dem Noch-Chef Müntefering.

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In Dresden soll der frühere Umweltminister Sigmar Gabriel (50) zum Nachfolger von Parteichef Franz Müntefering gewählt werden. Andrea Nahles (39) ist als neue SPD-Generalsekretärin vorgesehen. Bis zum Sonntag wollen die 525 Delegierten auch über den künftigen Kurs der Partei in der Opposition entscheiden. Nahles warb um Vertrauen für die neue Führung. "Zusammenrücken, kämpfen und gemeinsam nach vorne" müsse das Motto sein, sagte sie in Kiel nach dem letzten Treffen mit Vertretern der Parteibasis. Von der Bundesebene müsse künftig mehr Rückenwind in den Ländern ankommen und nicht Gegenwind wie bei der letzten Wahl.

Agenda 2010 infrage gestellt

Steinmeier sagte in der "Berliner Zeitung" zur Rente mit 67: "Wir haben das Gesetz in unserer Regierungszeit gemacht und die Überprüfungsklausel ist Teil des Gesetzes. Schon deshalb werden wir sie ernst nehmen." Die Rente mit 67 gilt als einer der Gründe für den Absturz der SPD bei der Bundestagswahl von 34,2 auf 23 Prozent. In zahlreichen Parteitagsanträgen wird deren Abschaffung verlangt. Die designierte Vize-Parteichefin Kraft wandte sich dagegen, die Agenda 2010 generell infrage zu stellen.

Heil hofft auf ruhiges Wochenende

Nach den Worten des scheidenden Generalsekretärs Hubertus Heil kann die SPD nach ihrem Wahlergebnis von 23 Prozent nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Er rechne aber in Dresden nicht mit einer Abrechnung für die elf SPD-Jahre in der Regierung, sagte Heil zu Beginn der Sitzungen. Man habe in dieser Zeit "viel erreicht, aber auch Fehler gemacht". Nun müsse sich die SPD wieder als linke Volkspartei neu aufstellen.

Gute Ratschläge von den Grünen

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth forderte die SPD auf, "ihre Nabelschau" zu beenden. Die Sozialdemokraten müssten ihren Umgang mit der Linkspartei normalisieren, die Grünen in ihrer Eigenständigkeit anerkennen und sich selbst auf ihrem Parteitag auf einen klaren Kurs verständigen, sagte Roth der "Leipziger Volkszeitung".

Quelle: ntv.de, dpa

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