"Mischa, verzieh Dich!" Saakaschwili unter Druck
09.04.2009, 17:05 UhrZehntausende Menschen haben in Georgien für den Rücktritt von Präsident Michail Saakaschwili demonstriert. Zum Auftakt einer Protestserie versammelten sich die Menschen vor dem Sitz des Parlaments in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Die Demonstrationen sollen nach dem Willen der Opposition so lange anhalten, bis der Staatschef aufgibt.
Der frühere Präsidentschaftskandidat Lewan Gatschetschiladse gab die Zahl der Demonstranten allein in Tiflis mit 150.000 Menschen an, unabhängige Beobachter sprachen von höchstens 80.000. Außerdem forderten tausende Georgier in Batumi, Poti und anderen Städten Saakaschwilis Rücktritt.
"Wir haben keine andere Wahl als so lange hier zu bleiben, bis unsere Forderung erfüllt ist", rief Oppositionsführer Gatschetschiladse der Menge vor dem Parlament zu. Die Demonstranten schwenkten Fahnen verschiedener Oppositionsparteien und skandierten in Sprechchören immer wieder: "Rücktritt!" und "Mischa, verzieh Dich!".
Ultimatum gesetzt
Die Oppositionsparteien, die anlässlich des 20. Jahrestags der sowjetischen Niederschlagung von Protesten in Tiflis zu der Großkundgebung aufgerufen hatten, setzten Saakaschwili ein Ultimatum. Er solle binnen 24 Stunden auf ihre Forderungen eingehen. "Das ist die letzte Chance für die Behörden, über persönlichen Interessen zu stehen und verantwortungsvoll zu handeln, um die schwierigste Krise des Landes zu überwinden", forderten sie in einem gemeinsamen Aufruf.
Saakaschwili hatte seine Landsleute zuvor bei einer Zeremonie zum 20. Jahrestag der Protestniederschlagung zur nationalen Einheit aufgerufen. "Wir haben ein und dieselbe Heimat und müssen zusammenarbeiten, um unsere Freiheit und die Einheit des Landes zu verteidigen", sagte der Staatschef. Er reagierte gelassen auf die Rücktrittsforderungen. In einer Demokratie habe jeder das Recht, seine Meinung zu sagen, betonte er. Gegen ihn wächst seit dem georgischen Einmarsch in die abtrünnige Kaukasus-Region Südossetien im August der Widerstand. Die Opposition wirft ihm zudem vor, ihre Anhänger einzuschüchtern, Medien mundtot zu machen und nichts gegen die Armut im Land zu tun.
Oppositionelle verhaftet
Vor der Großkundgebung waren in der Nacht in Rustawi nahe Tiflis rund 60 Mitglieder der Oppositionspartei der früheren Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse festgenommen worden. Offenbar sollten sie an der Teilnahme an der Großdemonstration gehindert werden, wie eine Parteisprecherin sagte. Die Polizei wies den Vorwurf zurück.
Gegen Saakaschwili hatte die Opposition bereits im November 2007 mobil gemacht. Die tagelangen Demonstrationen wurden jedoch mit Gummigeschossen und Tränengas niedergeschlagen. Der Präsident erließ den Notstand und ordnete eine Neuwahl an. Er wurde daraufhin im Januar 2008 als Staatschef bestätigt. Saakaschwili, der bei der Rosenrevolution 2003 den Rücktritt von Präsident Eduard Schewardnadse erzwang, ist bis 2013 gewählt. Der auch im Westen nach dem Krieg in die Kritik geratene Präsident hatte zuletzt immer wieder demokratische Reformen versprochen. Wie Saakaschwili befürworten auch die meisten Oppositionsparteien eine Aufnahme Georgiens in die Europäische Union und NATO.
Westliche Beobachter sehen derzeit keinen politischen Führer in Georgien, der in der Lage wäre, den "machtbewussten" Saakaschwili aus dem Amt zu drängen. Der georgischen Opposition wird oft vorgeworfen, kein echtes politisches Programm zu haben und tief gespalten zu sein.
Quelle: ntv.de, mit AFP