Politik

Hartz-IV-Abstimmung im Bundesrat Saar-Grüne bleiben standhaft

Hinter den Kulissen glühen die Drähte: Die schwarz-gelbe Koalition rechnet zwar nicht mit einer Zustimmung des Bundesrates zu ihrer Hartz-IV-Reform, hofft aber darauf. Das letzte Zünglein an der Waage vor der Abstimmung im Bundesrat sind die Saar-Grünen. Nach zwischenzeitlichen Zögern lehnen sie den Vorschlag aus Berlin nun ab.

"Wirkliche Existenzsicherung erreichen": Hubert Ulrich, Vorsitzender der Saar-Grünen.

"Wirkliche Existenzsicherung erreichen": Hubert Ulrich, Vorsitzender der Saar-Grünen.

(Foto: dapd)

Das umstrittene Hartz-IV-Reformpaket der Bundesregierung steht endgültig vor dem Scheitern. Die Saar-Grünen lehnten es bei einer letzten Beratung am Donnerstagabend einstimmig ab, einem Ja des Saarlands zu den Vorschlägen zuzustimmen. Das berichtete Grünen-Landeschef Hubert Ulrich nach einer Sondersitzung von Landesvorstand und Landtagsfraktion in Saarbrücken. Damit werde sich das Saarland an diesem Freitag im Bundesrat enthalten, so dass der Bundesregierung weiter die notwendige Mehrheit in der Länderkammer fehlt.

Ulrich betonte, das Saarland wolle sich dafür einsetzten, dass die Verhandlungen über die Reformen möglichst schon kommende Woche "fortgeführt und zu einem vernünftigen Ende gebracht werden". Ausschlaggebend für die Ablehnung der Saar-Grünen sei gewesen, dass die angebotene Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze nicht die gebotene Verfassungsmäßigkeit sichergestellt hätte. Zudem seien die Angebote zu Mindestlohn und Leiharbeit nicht ausreichend gewesen.

"Wir wollen erreichen, dass es eine wirkliche Existenzsicherung gibt", sagte der Grünen-Landeschef. Ursprünglich hatte die Bundesregierung angeboten, den Regelsatz um 5 auf 364 Euro im Monat zu erhöhen. Laut Ulrich hatte sie ihr Angebot im Laufe des Donnerstags noch erhöht. Auch habe sie eine bessere Regelung für die Zahlung von gleichem Lohn für Leiharbeiter und Festangestellte in Aussicht gestellt. Nach den bisherigen Plänen sollte der erst nach einer Frist von neun Monaten angepasst werden. Details zum weiteren Einlenken von Schwarz-Gelb wollte Ulrich nicht nennen.

Langzeitarbeitslose und ihre Kinder müssen weiter auf Extra-Geld und Zuschüsse für Sport, Nachhilfe und Mittagessen warten.

Langzeitarbeitslose und ihre Kinder müssen weiter auf Extra-Geld und Zuschüsse für Sport, Nachhilfe und Mittagessen warten.

(Foto: dapd)

Das Saarland könnte bei der Abstimmung in der Länderkammer den Ausschlag geben. Nach dem Koalitionsvertrag enthält sich die Jamaika-Regierung aber im Bundesrat immer dann, wenn einer der Regierungspartner von CDU, FDP und Grünen eine Zustimmung ablehnt. Alle bisher bekanntgewordenen Angebote bei den Hartz-IV-Verhandlungen in Berlin haben die Saar-Grünen als unzureichend abgelehnt.

Merkel rechnet mit Nein

Die Regierung rechnete ohnehin mit einem Nein der Länderkammer. "Die Bundesregierung kennt die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat und weiß, dass mit einer Zustimmung nicht zu rechnen ist", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat die Ministerpräsidenten der Länder davor gewarnt, die Hartz-IV-Reform im Bundesrat scheitern zu lassen. "Das Angebot liegt jetzt auf dem Tisch. Und wenn es jetzt nicht angenommen wird, werden die Bedingungen nächstes Mal andere sein", sagte Lindner dem "Hamburger Abendblatt". Es gehe um ein Bildungspaket für Kinder und insgesamt zwölf Milliarden Euro für die klammen Kommunen. "Wenn es die Ministerpräsidenten damit ernst meinen, dass sie ihren Kommunen helfen wollen, sollten sie hier nicht ablehnen", fügte der FDP-Generalsekretär hinzu.

Der Verhandlungsführer der Grünen, Fritz Kuhn, warf der Bundesregierung vor, mehrere Länder mit finanziellen Mitteln auf ihre Seite ziehen zu wollen. Die Regierung scheine zu versuchen, "das eine oder andere Bundesland rauszukaufen, um im Bundesrat eine Mehrheit für ihr Paket zu bekommen", sagte der Fraktionsvize. Es gehe dabei nicht nur um das Saarland, sondern auch um Länder wie Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordrhein-Westfalen. Aufgrund vieler Gespräche mit Politikern aus diesen Ländern sei er aber zuversichtlich, dass es der Regierung nicht gelingen werde, ein Land auf ihre Seite zu ziehen.

Böhmer will berechenbar bleiben.

Böhmer will berechenbar bleiben.

(Foto: picture alliance / dpa)

"Wackelkandidaten" kippen nicht

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), machte bereits deutlich, dass sein Land im Bundesrat nicht gegen den Willen der mitregierenden SPD für die Pläne stimmen wird. Er werde sich im Bundesrat nicht über die Absprachen mit seinem Koalitionspartner SPD hinwegsetzen, sagte Böhmer der "Süddeutschen Zeitung". Die finanziellen Offerten aus Berlin zur Entlastung der Kommunen seien zwar verlockend. Dies ändere aber nichts an dem Grundsatz: "Wer in einer Regierung gemeinsam Verantwortung trägt, muss auch gegenseitig berechenbar bleiben." Auch aus Thüringen kamen entsprechende Signale. Man werde sich bei der Abstimmung enthalten, so der thüringische Regierungssprecher Peter Zimmermann.

Auch die SPD-regierten Länder Berlin, Bremen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz werden den Hartz-IV-Vorschlägen ihre Stimme verweigern. Das rot-schwarz regierte Mecklenburg-Vorpommern, Heimat der SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig, will ebenfalls nicht zustimmen.

Die Hartz-IV-Gespräche zwischen Regierung und Opposition waren in der Nacht zu Mittwoch gescheitert. Der Vermittlungsausschuss nahm daraufhin mehrheitlich den geänderten Gesetzentwurf der Koalition an, der nun am Freitag zunächst im Bundestag und dann im Bundesrat zur Abstimmung gestellt wird. In der Länderkammer hat die Koalition jedoch keine Mehrheit.

Koalition geht eigenen Weg

Alexander Dobrindt kündigt eine Aufsplittung der Reform an.

Alexander Dobrindt kündigt eine Aufsplittung der Reform an.

(Foto: picture alliance / dpa)

Sollte die Reform scheitern, wollen Union und FDP weite Teile des Gesetzespaketes auch ohne die SPD in Kraft setzen. Der Bundestag werde dann alle nicht zustimmungspflichtigen Vorhaben zügig beschließen, kündigte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt in der "Augsburger Allgemeinen" an. Dazu gehörten unter anderem der Mindestlohn für die Leiharbeiter und die versprochenen Entlastungen für die Kommunen.

Unterdessen hat der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, in Aussicht gestellt, dass der DGB mögliche Klagen von Gewerkschaftsmitgliedern unterstützen wolle. "Das Verfahren der Bundesregierung ist verfassungswidrig und wir werden uns nicht scheuen, das vom Bundesverfassungsgericht noch einmal bestätigen zu lassen", heißt es in einem Schreiben an Mitarbeiter seiner Organisation. Zudem gab Sommer der schwarz-gelben Koalition die Schuld am Scheitern der Hartz-IV-Verhandlungen. "Ich bedauere dieses Scheitern zutiefst, weil die Bundesregierung wieder einmal Fortschritte bei der Bekämpfung von Niedriglöhnen und Armut blockiert hat", zitiert ihn die "Passauer Neue Presse".

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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