Friede, Freude, Griechenland Samaras und Bayerns Nikolaus
09.12.2012, 23:54 Uhr
Man kann sich wieder leiden: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer lobt Griechenlands Ministerpräsident Antonis Samaras für seinen Haushalt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Griechenlands Regierungschef Antonis Samaras hat einen neuen Freund in Deutschland: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Binnen weniger Monate hat die CSU in der Euro-Krise eine erstaunliche Wandlung durchlaufen: vom scharfen Ankläger zum hilfsbereiten Verbündeten. Noch im Sommer erweckte die Partei den Eindruck, als sei jeder weitere Cent für Athen herausgeworfenes Geld. Seehofer sprach mehrfach von "roten Linien", die nicht überschritten werden dürften.
Inzwischen hat Seehofer offenbar eine Art hellenischer Erweckung erlebt. Er empfängt Samaras leutselig im prächtigen Prinz Carl Palais in München, während draußen die Schneeflocken wirbeln. "Schnee bringt Glück", meint Samaras. "Ich hoffe, wir können Ihnen eine Menge Sonne geben, wenn Sie nach Griechenland kommen."
Seehofer bekundet Respekt vor Reformen
Seehofer lässt Bayerische Hofente, Zander und Apfelstrudel mit griechischem Joghurt servieren - und bekundet "größten Respekt" für die Reformanstrengungen Griechenlands. "Ich denke, wir haben durch diese Begegnung heute ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit zwischen Bayern und Griechenland aufgeschlagen." Samaras dankt seinerseits für das Verständnis. Seehofer will noch im Mai oder Juni Griechenland besuchen. Die bayerische Wirtschaft soll einspringen und den Griechen wieder zu Wachstum zu verhelfen.
Griechenland und Bayern sind einander historisch verbunden - die griechischen Farben sind weiß-blau wie die bayerischen, weil die Griechen im 19. Jahrhundert den bayerischen Prinzen Otto als König importierten.
Doch von Freundschaft war noch vor kurzem keine Rede: Bayerns Finanzminister Markus Söder forderte, mit dem Rauswurf aus dem Euro an den Griechen ein Exempel zu statuieren - jeder müsse mal bei Mutti ausziehen. Die zwei wesentlichen "roten Linien" des Sommers: Keine Freigabe von Hilfsgeldern ohne Erfüllung der Sparauflagen. Und kein drittes Hilfspaket für Griechenland. Zu dem Essen mit Samaras hatte Seehofer Söder nicht eingeladen, hieß es von Teilnehmern.
Zwei Jahre mehr zum Sparen
Inzwischen steht fest, dass Griechenland nicht alle bisherigen Auflagen erfüllt - und trotzdem knapp 44 Milliarden Euro zusätzlich bekommt. Darauf einigten sich Eurostaaten und Internationaler Währungsfonds Ende November. Die Griechen bekommen zwei Jahre mehr Zeit zum Sparen und brauchen dafür 32 Milliarden zusätzliche Hilfe, von denen CDU und CSU noch im Sommer nichts wissen wollten. Die Union vermeidet zwar sorgfältig, von einem "dritten Hilfspaket" zu sprechen - das tun aber viele internationale Kommentatoren. Seehofer nennt die 44 Milliarden diplomatisch "gewisse Modifikationen".
Der überraschende Wandel der CSU von der Partei der "Griechenfresser" zur Partei der Griechenfreunde hat Gründe. Die Kanzlerin gab im September die Marschrichtung vor und wechselte zuerst ihren Kurs: Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro hätte nach jetziger Einschätzung weit schlimmere Folgen für Deutschland und die gemeinsame Währung, als den Balkanstaat über Wasser zu halten.
Anti-Euro-Parolen verfangen nicht
Außerdem hat Seehofer natürlich bemerkt, dass Anti-Euro-Parolen in der deutschen Bevölkerung bislang nicht verfangen. Die Kampagne von Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger gegen die Eurorettung ist wirkungslos verpufft. Der CSU-Chef spekuliert offensichtlich darauf, dass es ihm und seiner Partei mehr nutzt, im Gefolge der Kanzlerin zu schwimmen als gegen ihren Kurs zu poltern.
Derzeit gibt es eine neue rote Linie, auch wenn Seehofer diese nie so genannt hat. Nach dem abgemilderten Sparplan soll die Schuldenlast Griechenlands bis 2020 auf 124 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken. Doch um Schulden in nennenswertem Ausmaß abzahlen zu können, müsste Griechenland hohe Haushaltsüberschüsse erzielen. Die sind nicht in Sicht. Viele internationale Beobachter halten daher einen weiteren Schuldenerlass mittelfristig für unausweichlich.
Für Merkel und Seehofer würde ein solcher Schuldenerlass das unangenehme Eingeständnis bedeuten, dass ein Teil der Milliardenhilfen unwiderruflich verloren ist. Doch vorerst schließen CDU und CSU einen solchen Schuldenschnitt kategorisch aus.
Quelle: ntv.de, Carsten Hoefer, dpa