Rundumschlag in Paris Sarkozy gesteht Fehler ein
24.04.2008, 22:53 UhrDer französische Präsident Nicolas Sarkozy hat Fehler während seines ersten Jahres im höchsten Staatsamt eingestanden. "Vielleicht habe ich mein Vorgehen nicht ausreichend erklärt", sagte Sarkozy während eines 90-minütigen Interviews, das die zwei führenden Fernsehsender des Landes live übertrugen. Allerdings seien die Umstände auch sehr schwierig gewesen, erklärte der Präsident.
Seit seinem Amtsantritt habe sich der Ölpreis verdoppelt, die Subprime-Krise sei ausgebrochen und der Euro habe unglaubliche Höhen erreicht, sagte Sarkozy. Wie 2007 könne jedoch auch in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent erreicht werden. Auch wolle er nach wie vor bis 2012 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.
"Ich habe 55 Reformen angefangen", so der französische Präsident. Er habe alle Reformen gleichzeitig begonnen, weil die Probleme alle zusammenhingen, fügte er hinzu. Mit Blick auf seine seit Monaten sinkenden Sympathiewerte in Umfragen sagte er, er habe aber auch nicht damit gerechnet, fünf Jahre lang gute Umfragewerte zu haben.
Dem Amt nicht angemessen
Einer Umfrage der Zeitschrift "Paris Match" zufolge sind inzwischen 72 Prozent der Franzosen mit ihrem Präsidenten unzufrieden. Das Ansehen Sarkozys litt zuletzt auch wegen dessen Privatleben. Kritiker werfen Sarkozy vor, seit seiner Hochzeit mit der Sängerin Carla Bruni ein Promi-Leben zu führen, das seinem Amt nicht angemessen sei.
Sarkozy sprach auch eines seiner innenpolitischen Probleme an. Frankreich diskutiert zurzeit ein Bleibrecht für illegale Einwanderer. Sarkozy bekräftige, dass Frankreich im Konflikt mit den ausländischen Arbeitern ohne Papiere nicht nachgeben will. "Es kommt nicht in Frage, das wir massenhaft das Bleiberecht gewähren, das führt zu einer Katastrophe", sagte Sarkozy. Auch Spanien und Italien hätten diese Praxis mittlerweile aufgegeben, weil es nur weitere illegale Einwanderer anziehen würde. "Man wird auch nicht Franzose, bloß weil man irgendwo in einer Küche arbeitet", sagte Sarkozy.
Außenpolitisch äußerte sich der Präsident zu den Themen Afghanistan und China. Sarkozy verteidigte die Entsendung weiterer Truppen nach Afghanistan auch mit Hinweis auf die Sicherheit Pakistans. "Das ist kein Krieg. Wir sind an der Seite der Afghanen", sagte er. Die 700 Mann Verstärkung seien "eine Hilfe, damit die afghanische Armee den Stab übernehmen" könne.
Warnung vor Pakistan-Krise
Man müsse "die Rückkehr dieser mittelalterlichen Leute", der Taliban, verhindern, mit denen kein Dialog möglich sei. "Sollen wir El Kaida das Feld überlassen?" Eindringlich fügte Sarkozy hinzu: "Wenn wir Afghanistan fallen lassen, fällt Pakistan wie ein Kartenhaus." Und Pakistan habe die Atombombe.
Sarkozy rief China auf, in der Tibetfrage "so viel Pragmatismus zu zeigen wie gegenüber Hongkong". Er versuche, einen Dialog Pekings mit dem Dalai Lama in Gang zu bringen, sagte er. "Wenn es Frankreich nicht macht, wer macht es dann?"
"Tibet gehört zu China"
Eine Konfrontation mit Peking in der Tibetfrage lehnte er ab. Wenn man eine Lösung finden wolle, müsse man Verletzungen vermeiden. China repräsentiere ein Viertel der Menschheit. "Es liegt in meiner Verantwortung, dafür zu sorgen, dass kein chinesischer Nationalismus entsteht", der die Vorgänge nicht verstehe. "Tibet gehört zu China." Das sei schon so gewesen, als Frankreich unter Charles de Gaulle China anerkannt habe.
Sarkozy bescheinigte China, gewaltige Fortschritte gemacht zu haben und der Welt in der Darfurkrise und im Atomstreit mit dem Iran zu helfen. Peking habe Vetorecht im UN-Sicherheitsrat. Im Streit um die Teilnahme an den Feiern der Olympischen Spiele wolle er als EU- Ratspräsident einen europäischen Konsens herbeiführen.
Tagelange Probe
Sarkozy war am 6. Mai 2007 im zweiten Wahlgang gewählt worden. Er wollte sich nicht dazu äußern, ob er an eine zweite Amtszeit denke. "Das noch so weit hin, und ich hab noch so viel Arbeit vor mir", sagte er. Das TV-Interview mit dem Titel "Live aus dem lyse" hatte in Frankreich für viel Aufsehen gesorgt. Für die Show war im Festsaal des lysepalastes ein Studio eingerichtet worden. Die Fragen mehrerer Journalisten waren weitgehend abgesprochen. Sarkozy soll sich tagelang auf die Veranstaltung vorbereitet haben.
Quelle: ntv.de