Krawalle und Blockaden Sarkozy kämpft um Rentenreform
21.10.2010, 13:07 Uhr
Vor allem in Lyon kommt es immer wieder zu Ausschreitungen.
(Foto: AP)
Mit aller Macht wehrt sich die französische Regierung gegen die heftigen Proteste gegen die Rentenreform. Präsident Sarkozy will bis zum Wochenende das Gesetz durch den Senat bringen. Die Massenproteste gehen aber weiter, ein Flughafen und mehrere Treibstoffdepots sind blockiert. In Lyon kommt es zu heftigen Krawallen.
In Frankreich gehen die Massenproteste gegen die Rentenreform unvermindert weiter. Demonstranten blockierten vorübergehend die Zufahrt zum Flughafen von Marseille, in der Gegend von Le Havre sperrten andere Protestler eine Autobahn. Auch zahlreiche Schulen und Universitäten sind nach wie vor von Protestaktionen betroffen. Bei der Benzinversorgung müssen Franzosen sich noch mehrere Tage auf Probleme einstellen.
Den Flughafen in Marseille versperrten etwa 500 Hafenarbeiter zusammen mit anderen Beschäftigten. Der Airport ist ein wichtiges Drehkreuz für inländische und internationale Verbindungen zwischen Europa und Afrika. Eine Entspannung ist nicht in Sicht. Der Chef des Gewerkschaftsbundes CGT, Bernard Thibault, rief in einem Radio-Interview zu neuen Streiks in der kommenden Woche auf.
Land ohne Treibstoff
Innenminister Brice Hortefeux räumte ein, dass es Schwierigkeiten bei der Verteilung des Benzins gebe. "Es gibt aber Reserven für mehrere Wochen", sagte er dem Sender Europe 1. Umweltminister Jean-Louis Borloo ist in die Kritik geraten, weil er die Schwierigkeiten bei der Benzinversorgung anfangs schlicht geleugnet hatte. "Er hat sich um eine Null vertan und von 300 statt von 3000 Tankstellen ohne Benzin gesprochen", schimpfte ein ungenannter Ministerkollege im "Figaro".
Trotz der Ankündigung von Präsident Nicolas Sarkozy, alle Blockaden von Benzindepots zu beenden, war noch immer der Zugang zu mindestens 14 Lagern versperrt. Demonstranten liefern sich Katz- und Mausspiele mit der Polizei und besetzen die Depots immer so lange, bis die Sicherheitskräfte auftauchen. Aber auch wenn alle Depots wieder zugänglich sein sollten, ist das Versorgungsproblem nicht gelöst. Mittlerweile sind alle zwölf Raffinerien des Landes komplett heruntergefahren. Sie wieder in Betrieb zu setzen, braucht schon aus technischen Gründen mehrere Tage.
Lady Gaga sagt Konzert ab
Die Folgen der Streiks und Proteste sind auch in immer weiteren Bereichen des täglichen Lebens zu spüren, etwa im Tourismus oder bei Kulturveranstaltungen. So verschob die Pop-Diva Lady Gaga Konzerte in Paris, Oscarpreisträger Tim Robbins und seine Band sagten ihren Auftritt in der Hauptstadt ab. Auch kam es am Rande der insgesamt friedlichen Proteste am Mittwoch in Lyon und im Pariser Vorort Nanterre erneut zu Straßenschlachten zwischen Jugendlichen und der Polizei.
Die Proteste gegen die Anhebung des Rentenalters waren in den vergangenen Tagen radikaler geworden. Allein am Mittwoch seien knapp 200 mutmaßliche Randalierer in Polizeigewahrsam gekommen, sagte Hortefeux. Seit dem 12. Oktober wurden 1900 Menschen vorübergehend festgenommen, unter ihnen auch Minderjährige, die dem Jugendrichter vorgeführt wurden. "Frankreich gehört nicht den Randalierern. Einige nutzen Teile unseres Landes als Schlachtfeld, das ist so nicht hinnehmbar", sagte der Innenminister.
Abstimmung bis zum Wochenende?
Die Regierung hofft darauf, die Reform noch während der am Wochenende beginnenden Herbstferien zu verabschieden und damit der Protestbewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Derzeit wird der Text im Senat diskutiert. Die Regierungsmehrheit verzichtet weitgehend auf Kommentare, um die Diskussionen nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Sie wirft der Opposition allerdings eine Verzögerungstaktik vor. Eine Abstimmung war ursprünglich für heute geplant, verzögert sich aber voraussichtlich bis zum Wochenende. Mit der endgültigen Verabschiedung nach der Tagung des Vermittlungsausschusses wird Mitte der nächsten Woche gerechnet.
Kern der Reform ist die geplante Anhebung des Mindestalters für die volle Rente von 60 auf 62 Jahre. Wer nicht lang genug in die Rentenkasse einzahlen kann, soll erst mit 67 statt wie bisher mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen können. Die Mehrheit der Franzosen ist gegen das Vorhaben, dass Sarkozy als unerlässlich zur Sanierung des Staatshaushalts betrachtet.
Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts