"Ausschließeritis machen wir nicht mit" Schleswig-Holsteins Grüne offen
21.09.2009, 11:12 UhrWie im Bund hoffen Union und FDP in Schleswig-Holstein bei der Landtagswahl am 27. September auf eine gemeinsame Mehrheit. Anders als im Bund sind in Schleswig-Holstein Alternativen denkbar. Die Grünen sind bewusst und offensiv ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gegangen.
Grünen-Spitzenkandidatin Monika Heinold sagt im Interview mit n-tv.de, die Grünen machten die hessische "Ausschließeritis" nicht mit. Zudem habe man "beispielsweise im Bereich Innen- und Rechtspolitik mit der FDP immer wieder gut zusammengearbeitet". Die Grünen würden dann einer Koalition beitreten, "wenn grüne Inhalte sich in einem Koalitionsvertrag deutlich widerspiegeln. Das ist der Maßstab, nicht die Farbenleere."
Faktisch ausgeschlossen ist allerdings eine Minderheitsregierung, die von der Linkspartei toleriert wird. "Wer mitregieren möchte, muss auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen", so Heinold. "Wir haben mit dem Versuch einer Tolerierung 2005 schlechte Erfahrungen gemacht. Insofern halte ich diese Variante für unwahrscheinlich."

Monika Heinold ist auch finanzpolitische Sprecherin der Partei. Sie sitzt seit 13 Jahren im Landtag.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
n-tv.de: Woran ist die Große Koalition in Kiel vor allem zerbrochen?
Monika Heinold: CDU und SPD hatten keine gemeinsamen Visionen mehr für das Land. Hinzu kam, dass die SPD in der Regierungsverantwortung versucht hat Oppositionspolitik zu machen - das geht in der Regel nicht gut - und dass die CDU den Termin für die Bundestagswahlen nutzen wollte, um bei den Landtagswahlen ein gutes Ergebnis einzufahren und die SPD loszuwerden.
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Das geplante unterirdische CO2-Lager in Nordfriesland und Teilen von Schleswig-Flensburg zählt zu den Top-Themen im Wahlkampf.
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Die CDU hat in den vergangenen Wochen viele Fehler gemacht. Zum einen hat sie das Problem HSH Nordbank überhaupt nicht im Griff. Zum anderen hat der stillose Rauswurf der Ministerinnen und Minister der SPD die Menschen im Land verärgert. Dazu kommen aber auch Inhalte: Die CDU will zwar die CO2-Speicherung in den sogenannten CCS-Anlagen im Land nicht mehr, aber bisher war sie dafür und auf Bundesebene ist sie es nach wie vor, so dass die Menschen in Schleswig-Holstein skeptisch geworden sind und sehr genau hingucken. Und das ist auch gut so.

Man versteht sich im Norden: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner, SSW-Fraktionschefin Anke Spoorendonk (M) und Grünen-Fraktionschefin Monika Heinold.
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Was war für Sie das bestimmende Thema im Wahlkampf?
Das bestimmende Thema in Schleswig-Holstein ist die Energiepolitik. Die Menschen im Land wollen, dass das Atomkraftwerk Krümmel nicht wieder ans Netz geht, sie wollen keine neuen Kohlekraftwerke, sie wollen keine CCS-Speicherung. An den Wahlständen merkt man, dass unser Kurs, Schleswig-Holstein zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie zu versorgen, eine immer breitere Mehrheit findet.
Die schleswig-holsteinischen Grünen haben eine Koalition mit CDU und FDP nicht ausgeschlossen. Was ist an Ihrer Situation anders als an der von Renate Künast und Jürgen Trittin?

Mehr Windkraft ist eine Forderung der Grünen.
(Foto: dpa)
Wir haben in Schleswig-Holstein den Südschleswigschen Wählerverband mit im Landtag. Wenn die Linke auch reinkommen sollte, haben wir hier ein Sechs-Parteien-Parlament. Wir haben ja gesehen, was in Hessen passiert ist, wo es wegen der Selbstblockade der Parteien nach einem Jahr Neuwahlen gab. Diese Ausschließeritis machen wir nicht mit. Hinzu kommt natürlich, dass wir hier landespolitische Entscheidungen treffen, keine bundespolitischen, und beispielsweise im Bereich Innen- und Rechtspolitik mit der FDP immer wieder gut zusammengearbeitet haben.
Ein Bündnis aus CDU, Grünen und SSW - ist das mehr als ein Zahlenspiel?
Wir gehen mit unseren grünen Inhalten in die Wahl. Die Bürgerinnen und Bürger werden entscheiden, wer wie viele Landtagsmandate erhält, und danach wird man sehen, was es an Möglichkeiten gibt, eine Regierung zu bilden. Wir machen nur mit, wenn grüne Inhalte sich in einem Koalitionsvertrag deutlich widerspiegeln. Das ist der Maßstab, nicht die Farbenleere.
Die FDP schließt eine Ampel aus. Haben Sie dafür Verständnis?
Die FDP muss selbst wissen, welchen Kurs sie fährt.
Die Linkspartei schließt eine Regierungsbeteiligung aus, würde eine Koalition aus SPD, Grünen und SSW aber tolerieren. Was halten Sie davon?
Wie gesagt, wir schließen vor der Wahl nichts aus. Wir wollen aber stabile Verhältnisse. Wer mitregieren möchte, muss auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben mit dem Versuch einer Tolerierung 2005 schlechte Erfahrungen gemacht. Insofern halte ich diese Variante für unwahrscheinlich.
Was sind Ihre inhaltlichen Anforderungen an einen Eintritt in eine Koalition?
Unsere Schwerpunkte sind Bildung und Klimaschutz. Wir müssen von der Kindertagesstätte über die Schule bis zur Hochschule mehr investieren, damit alle Kinder im Land die Chance auf eine gerechte Bildung haben. Und wir wollen Arbeitsplätze schaffen im Bereich Klimaschutz und erneuerbare Energien. Wir wollen raus aus der Atomkraft, weg von den Kohlekraftwerken, wir wollen die Windkraft ausbauen, Photovoltaik auf die Dächer bringen und Wärmedämmungsprogramme auflegen. Das wäre auch eine Stärkung für die Wirtschaft in Schleswig-Holstein. Am vergangenen Donnerstag hat der Landtag bei seiner letzten Sitzung einen grünen Antrag verabschiedet, der besagt, dass der Strom in Schleswig-Holstein bis 2015 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen soll. Das ist für uns ein zentraler Punkt, wenn es zu Koalitionsverhandlungen kommt.
Wer hat diesem Antrag zugestimmt?
SPD, SSW, FDP und natürlich wir. Bei der Abschaltung von Atomkraftwerken, einem anderen grünen Antrag, haben SPD, SSW und Grüne zugestimmt. Wir hatten bei dieser Sitzung des Landtags sehr bunte Mehrheiten. Die meisten grünen Anträge sind mit unterschiedlichen Mehrheiten durchgekommen.
Die FDP erhebt Anspruch auf das Bildungsministerium. Wäre das ein Feld für Konflikte?
Über Ministerposten reden wir erst nach der Wahl. Entscheidend in der Bildungspolitik ist, dass wir nicht zurück in eine Dreigliedrigkeit des Schulsystems fallen. Wir haben hier die Gemeinschaftsschule, die wollen wir stärken. Das gemeinsame Lernen muss in den Vordergrund gerückt werden. Und wir brauchen eine Umstellung der Lehrerausbildung. Zurzeit bilden wir für Schulsysteme aus, die es in Schleswig-Holstein gar nicht mehr gibt. Das muss sich ändern.
Mit Monika Heinold sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de