Schröder verteidigt Putin "Es gibt freie Wahlen, das kann man nicht bestreiten"
03.04.2024, 14:55 Uhr Artikel anhören
Fit und gesund am 80. Geburtstag: In der Doku ist ein äußerst vitaler Altkanzler zu sehen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Zu seinem 80. Geburtstag erscheint eine Dokumentation über Gerhard Schröder. Der Altkanzler beteuert, nichts zu bereuen zu haben. Im Gegenteil: Der Sozialdemokrat verteidigt seine "Gesprächsbereitschaft" mit autoritären Regimen - und mokiert sich über Außenministerin Baerbock und die SPD-Spitze.
Altbundeskanzler Gerhard Schröder hat seine Haltung zu Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin erneut verteidigt. "Es gibt freie Wahlen, das kann man nicht bestreiten", sagte Schröder in einer Dokumentation, die zu seinem 80. Geburtstag am Sonntag in der ARD ausgestrahlt wird - und bereits online zu sehen ist. Es gebe zwar keine Opposition, aber auch "kein direktes Verbot" der Opposition, sagte Schröder. Tatsächlich sind mehrere Bewerber von der Präsidentschaftswahl im März ausgeschlossen worden. Die Dokumentation ist an verschiedenen Tagen in den vergangenen Monaten, also vor der Wahl in Russland, gedreht worden.
Dass es in Russland gar keine freie Willensbildung gebe, sei genauso falsch wie zu glauben, es sei eine Demokratie nach englischem Vorbild, sagte Schröder. Er lehne es aber ab, Staaten deshalb zu isolieren. "Es wird besser, indem man sich weiter abgrenzt und die Beziehungen auf Null reduziert. Dann wird alles besser", ironisierte Schröder die westliche Abschottung gegen Russland. Er sei weiterhin für "Dialogbereitschaft".
Schröder fühlt sich ungerecht behandelt
Schröder sagte, er habe den russischen Krieg gegen die Ukraine "öffentlich abgelehnt", das wolle aber keiner wissen. "Ich habe doch deutlich gemacht, was ich von diesem Krieg halte öffentlich, das muss ich doch nicht jeden Tag und jede Woche erneut tun." Die Debatte um ihn sei mindestens ungerecht, sagte Schröder weiter. "Ich habe nach meiner subjektiven Auffassung viele Ungerechtigkeiten aushalten müssen. Ich habe getan, was ich für vernünftig hielt, nämlich einen Beitrag zu leisten zu einer wirklich sicheren und bezahlbaren Versorgung des sehr wichtigen Rohstoffs Gas." Zudem sagte Schröder wiederholt, es sei sein Leben, das er führe und für das er sich nicht rechtfertigen müsse.
Angesprochen auf den Versuch einer Vermittlung zwischen Kiew und Moskau kurz nach Invasionsbeginn, sagte Schröder: "Das haben wir alleine gemacht, denn es gab ja keinen Grund anzurufen und etwa zu fragen, was ich darf oder nicht darf." Hätte er Bundeskanzler Olaf Scholz informiert, wäre die Reise nach Istanbul und dann weiter nach Moskau womöglich aus dem Kanzleramt an die Öffentlichkeit gedrungen. Er habe die Mission nicht gefährden wollen, sagte Schröder.
"Ich habe deutlich gemacht, dass ich das für falsch halte, für einen historischen Fehler halte", sagte Schröder über seine Begegnung mit Putin. Er habe den Kreml-Herrscher nicht nach dem Grund des Angriffes gefragt. In Verhandlungen zur Beendigung eines Konfliktes gehe es nicht "um eine moralische Frage", sagte Schröder. Es nütze "überhaupt nicht, wenn man da anfängt zu moralisieren". Für beide Seiten werde es keine militärische Lösung des Konflikts geben. Er werde aber keine Rolle mehr spielen. "Als Vermittler komme ich nicht mehr in Betracht."
"Alter Freund des chinesischen Volkes"
Schröder verteidigte seinen Umgang mit Russland und China, wo er weiter regelmäßig hinreise. "Ich habe einen wunderbaren Ehrentitel, der heißt 'alter Freund des chinesischen Volkes'", sagte Schröder. "Ich bin ganz stolz darauf." Angesprochen auf Außenministerin Annalena Baerbock, die Chinas Staatschef Xi Jinping öffentlich als "Diktator" bezeichnet hatte, sagte Schröder, er wolle sich "zu den Aktionen der aktuellen Außenministerin schlicht nicht äußern".
Aber: "Ich halte das wirklich für eine schreckliche Fehlentwicklung, was da außenpolitisch für Porzellan zerschlagen wird gelegentlich, und zwar nicht nur im deutsch-chinesischen Verhältnis, sondern ganz generell." Ob man als Außenministerin Xi Jinping als Diktator bezeichnen müsse, nur weil das private Meinung sei, sei eine Frage der Professionalität "Und die ist gegenwärtig im Auswärtigen Amt eher unterentwickelt". Deutschland pflege zu China "ganz normale ökonomische Beziehungen, die natürlich immer politisch sind, zumal wenn es in China ist". Es handele sich, wenn überhaupt, um eine "gegenseitige Abhängigkeit".
Kühnert? "Ein armer Wicht"
Auch zu seiner Partei, oder zumindest zu deren Führung ging Schröder auf Distanz, nachdem ihn unter anderem die Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie Bundeskanzler Olaf Scholz wiederholt öffentlich kritisiert hatten. "Wenn das eine Führung notwendig hat, spricht das doch nicht gegen mich, sondern gegen diese Leute", sagte Schröder über seine Ausladung beim SPD-Bundesparteitag im vergangenen Dezember. "Ich brauche für mein Lebenswerk, wenn Sie so wollen, doch nicht die Zustimmung der jetzigen SPD-Führung."
Auf der SPD-Internetpräsenz ist Schröder nicht mehr als wichtige Persönlichkeit der Parteigeschichte aufgelistet. "Das sind doch armselige Gestalten, die so etwas verursachen", sagte Schröder. Der mutmaßlich verantwortliche Generalsekretär Kevin Kühnert sei "ein armer Wicht, mehr doch nicht", sagte Schröder. "Soll ich mich darüber aufregen? Nein. Die SPD ist größer als diese Leute." Schröder sagte, er habe sich in seinem ganzen politischen Leben immer wieder außerhalb des Mainstreams bewegt und dafür Kritik statt Anerkennung geerntet. "Aber ich bin damit nicht unzufrieden."
Quelle: ntv.de, shu