Ein erschummelter Erfolg? Schröders Kita-Garantie lässt Zweifel zu
11.07.2013, 16:19 Uhr
In deutschen Kitas könnte es bald eng werden.
(Foto: picture alliance / dpa)
Familienministerin Schröder biegt sich die Statistik so hin, wie es ihr gefällt, beklagt die Opposition. Dass im August wirklich 813.000 Kita-Plätze zur Verfügung stehen, ist tatsächlich zweifelhaft. Und selbst wenn der Kraftakt doch gelungen sein sollte, bleiben Fragen.
Es muss unbedingt ein Erfolg her: Seit Monaten unkt die Opposition, dass sich die Bundesregierung mit ihrer vollmundigen Kita-Garantie zum 1. August übernommen hat. Der Termin im Sommer ist zudem heikel: Nur etwas mehr als eineinhalb Monate sind es von da an noch bis zur Bundestagswahl. Nicht auszudenken, wie sich SPD und Grüne aufführen würden, wenn das Betreuungsversprechen im Chaos endet.
Darum war klar, dass Familienministerin Kristina Schröder glänzende Zahlen präsentieren würde, als sie zur Pressekonferenz einlud. Es läuft bombig, so soll die Botschaft sein. Ab August stehen 813.000 Plätze für Kinder im Alter von ein bis drei Jahren zur Verfügung, behauptet Schröder. Das sind sogar 30.000 Plätze mehr, als sich die Regierung 2007 vorgenommen hatte. In einer gemeinsamen Kraftanstrengung mit den Bundesländern wurden zusätzliche Angebote geschaffen. Versprechen gegeben, Versprechen gehalten - so soll das beim Wähler ankommen.
Dabei gibt es Zweifel daran, dass das, was die junge Ministerin, die sich im Herbst zunächst einmal aus der Politik verabschieden wird, Hand und Fuß hat. Ein erstes Indiz: Das Statistische Bundesamt legte Zahlen vor, nach denen zum Stichtag 1. März 2013 nur 597.000 Kinder unter drei Jahren betreut wurden - immerhin eine Differenz von 216.000 Plätzen im Vergleich zum angeblichen Stand am 1. August.
Zehntausende Plätze binnen weniger Wochen?
Das sei nicht miteinander in Bezug zu setzen, beeilt sich Schröder, die auf solche Einwände freilich gefasst war. Sie rechnet vor: Ein Kind, das etwa im August 2012 mit zwei Jahren in die Kita gekommen sei, vor dem Stichtag Anfang März aber drei geworden sei, falle schließlich aus der Statistik heraus - und belege dennoch einen Platz für Unter-Dreijährige. Außerdem: Seit März sind ein paar Monate ins Land gezogen, beim Ausbau der Kitaplätze sei in dieser Zeit eine Menge geschehen. Eine Argumentation, die die Zweifel an den Zahlen nicht wirklich zu entkräften vermag.
Zudem legt das Familienministerium andere Daten vor, die sich schon etwas besser anhören. Die Rechnung geht so. In Schröders Haus hat man auch nachgezählt und ist, wenig verwunderlich, auf einen höheren Ausbaustand gekommen, als es die Statistik vermuten lässt. Demnach seien bis zum Frühjahr schon 712.000 Plätze verfügbar gewesen. Zurzeit würden 90.000 weitere Plätze vorbereitet, mehrere zehntausend davon sollen bereits "prinzipiell vergabefertig" sein und müssten "nur noch die behördliche Betriebserlaubnis erhalten".
Räume sind da, Personal fehlt
Wer Schröder Böses will, könnte nun vermuten, dass beim Kita-Ausbau nach dem alten Bauarbeiter-Motto "Was nicht passt, wird passend gemacht" verfahren wird. So ist SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles mit Kritik rasch bei der Hand. "Familienministerin Schröder hat uns heute eine geschönte Bilanz präsentiert", sagte sie der "Welt". Dass sich die Zahl der Plätze zum 1. August die angekündigten 813.000 betrage, sei "Wunschdenken an höchster zuständiger Stelle".
Und selbst wenn die Zahl stimmen sollte: Dass damit alle Eltern, die für ihr ein- bis dreijähriges Kind einen Betreuungsplatz wollen auch einen bekommen, heißt das noch lange nicht. Kleinlaut gesteht dies auch Schröder ein. In den Landkreisen werde der Bedarf zwar fast vollständig gedeckt, in den Ballungszentren, wo ein besonders hoher Anteil der Eltern ihre Kinder früh in die Kita schicken wollen, könne es "zunächst noch Engpässe geben".
Ein weiteres Manko kann die Schrödersche Jubelpräsentation nur schwerlich verdecken. Viele Experten fürchten, dass der zügige Aufbau neuer Kitas zu Lasten der Qualität der Angebote geht. Vielerorts sind die Räumlichkeiten zwar vorhanden, das eigentlich nötige Personal aber ist nicht verfügbar. Von bis zu 20.000 fehlenden Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern für eine angemessene Betreuung ist die Rede. In manchen Kommunen werden für Erzieher bislang utopische Gehälter von um die 3000 Euro geboten, um Leute zu finden, die in neuen Kitagruppen arbeiten.
Der Verdacht liegt nahe: Um am Ende alle Kinder aufnehmen zu können, werden die Gruppen vergrößert. Dabei ist gerade bei den ganz Kleinen ein enger Kontakt mit den Betreuern wichtig. Schon heute gibt es hier im Ländervergleich erhebliche Unterschiede, wie eine Studie der Bertelsmann Studie erst kürzlich ans Licht brachte.
Opposition beklagt Betreuungsgeld
Landkreise und Kommunen versprechen für solche Fälle dagegen "individuelle Lösungen". Das bedeutet im Klartext: Gibt es keinen Krippenplatz in der Nähe, müssen die Eltern eben weiter fahren. Oder die Kleinen werden in eine Gruppe mit Kindern über drei Jahren gesteckt - was nicht passt, wird passend gemacht.
Einen weiteren Schwachpunkt macht die Opposition beim Kita-Ausbau aus: Nahles sagte, gerade im Westen seien die Öffnungszeiten "keineswegs bedarfsgerecht". Rund die Hälfte der Einrichtungen schließen vor 16.30 Uhr. Für Vollzeit-Beschäftigte sind solche Angebote praktisch wertlos. Dennoch zählt Schröder sie bei ihrer Rechnung mit. "Schröder hat dafür weder Antwort noch Plan", beklagt Nahles in der "Welt".
Einen weiteren Seitenhieb kann sich Nahles übrigens ebenso wie die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt nicht verkneifen. Beide erinnern daran, dass die Regierung ebenfalls zum 1. August ein Betreuungsgeld einführen will, das an jene ausgezahlt werde, die ihre Kinder zuhause betreuen. Viele Experten bezweifeln den Sinn der Maßnahme. Göring-Eckardt auch: "Dieses Geld könnten wir einsparen und in den Ausbau von Kita-Plätzen stecken und natürlich auch in die gute Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern."
Quelle: ntv.de, mit rts/AFP/dpa