Politik

Das positive China-Bild Schulterschluss mit der Zensur

In der Rangliste der Pressefreiheit 2011 rangiert China auf Platz 174 von insgesamt 179 Staaten.

In der Rangliste der Pressefreiheit 2011 rangiert China auf Platz 174 von insgesamt 179 Staaten.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die Bundesregierung fordert von der chinesischen Regierung, die deutschen Journalisten in China nicht bei ihrer Arbeit zu behindern. Ändern dürfte diese Bitte nichts, richtig ist sie dennoch. Denn der Adressat der Forderung sitzt nicht in Peking. Sondern in Deutschland.

Gleich nach der Ankunft in Peking setzte Außenminister Guido Westerwelle die Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten in China auf die Tagesordnung. "Fragen der Menschenrechte und der Pressefreiheit sind ein stetes Thema unseres Austausches. Dazu gehören auch ungehinderte Arbeitsbedingungen für deutsche und ausländische Medienvertreter", ließ Westerwelle am Donnerstagmorgen verbreiten, noch ehe die zweiten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen überhaupt offiziell begonnen hatten.

Westerwelle und Merkel sprachen das Thema Pressefreiheit in Peking an.

Westerwelle und Merkel sprachen das Thema Pressefreiheit in Peking an.

(Foto: AP)

Später bekam Westerwelle die Gelegenheit, seine Äußerungen im Gespräch mit Chinas Außenminister Yang Jiechi zu wiederholen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach ihre Gastgeber auf das Thema an. Sie kam damit einer Bitte von 26 deutschen Chinakorrespondenten nach, die sich schriftlich an die Regierungschefin gewandt hatten und um ihre Hilfe baten. Denn die Arbeitsbedingungen für ausländische Medien, so klagen die deutschen Journalisten (darunter auch der Autor), verschlechtern sich zusehends - obwohl China regelmäßig Besserung gelobt.

Skeptiker bezweifeln, dass Merkels und Westerwelles Vorstöße irgendetwas ändern werden. Zumal es nicht das erste Mal ist, dass sie ihre Amtskollegen an gemachte Zusagen erinnern. China zensiert die eigenen Medien scharf und hat kein Interesse daran, Ausländern mehr Freiraum bei Recherchen einzuräumen als gerade notwendig. Denn es geht um das Machtmonopol der Partei und damit um ihre Zukunft.

Eng verbunden mit dem Schicksal der Partei sind die Pfründe der Familienclans und Interessengruppen, die das Land regieren. Warum auch sollte die Elite eine Berichterstattung zulassen, die möglicherweise Unruhe entfacht in der eigenen Bevölkerung? Ein paar mahnende Worte in der Öffentlichkeit durch westliche Politiker stecken sogar die Chinesen weg, von denen mancher immer noch glaubt, man dürfe ihr Land nicht kritisieren. Ernstzunehmende Konsequenzen von anderen Regierungen muss die zweite größte Volkswirtschaft der Welt ohnehin nicht fürchten. Dazu ist die Volksrepublik inzwischen ein zu wichtiger Posten in staatlichen Handelsbilanzen.

Der Adressat sitzt in Deutschland

Vergebene Liebesmüh' also von den deutschen Regierungsvertretern? Ganz sicher nicht. Denn es gibt einen anderen wichtigen Aspekt, den sie erreichen, wenn sie das Thema auf die Agenda setzen. Ihre Äußerungen wirken nach innen. In Deutschland gibt es viele Unternehmer, Vorstände oder Aufsichtsräte, die der Ansicht sind, dass die Berichterstattung deutscher Medien über China viel zu negativ sei. Sie glauben, Chinas Entwicklung unter der Führung der Kommunistischen Partei bewege sich unaufhörlich in Richtung mehr Freiheit und mehr Bürgerrechte, und das würde nicht ausreichend in den deutschen Medien reflektiert. Sie wollen nicht wahrhaben, dass es seit Jahren deutliche Verschlechterungen gibt.

Sie werben für Geduld mit China: Man müsse dem Land nur genug Zeit lassen. Das ist eine sehr bequeme Position, weil man von ihr aus auf gute Geschäfte in der Volksrepublik hoffen kann, ohne einen Konflikt mit den Gastgebern eingehen zu müssen.

Allerdings haben viele dieser Unternehmer, Vorstände oder Aufsichtsräte keinerlei Kenntnis von den Abgründen, die sich in China auftun. Sie kennen das offizielle, das vordergründige China, nicht aber die harte Realität von Millionen Menschen, die zwischen die Mühlen der Partei geraten. Sie wollen all den prominenten chinesischen Dissidenten nicht glauben, die ihr Leben aufs Spiel setzen, wenn sie Wahrheiten aussprechen. Oder sie reduzieren deren Aussagen auf Einzelfälle, die an der Gesamtentwicklung nichts ändern würden.

Nichts spricht gegen Geschäfte mit China

Schlimmer noch ist es, dass es Vertreter in der deutschen Wirtschaft gibt, die sich mit den Medienfeindlichen unter den Chinesen verbünden und den Finger auf die kritischen Journalisten richten. Offenbar fühlen sich beide auf ihrem lukrativen Schmusekurs belästigt. Das betrifft längst nicht alle deutschen Unternehmen, aber zu viele, als dass die Chinesen es nicht als Anlass für ihre Hetzkampagnen gegen westliche Medien nutzen würden.

Um es klar zu sagen: Nichts spricht dagegen, mit China Geschäfte zu machen und gute Beziehungen zu pflegen. Und es spricht auch nichts dagegen, Medien zu kritisieren. Aber es ist schädlich für unsere Demokratie, wenn deutsche Unternehmer den Schulterschluss üben mit Gegnern von freier Berichterstattung und Meinungsfreiheit, statt die essentiell wichtige Aufgabe von Medien in einem demokratischen System gegenüber den Chinesen zu verteidigen. Denn das Recht auf freie Berichterstattung ist unverzichtbarer Teil genau des Wertesystems, auf dessen Schultern deutsche Unternehmer zu den erfolgreichsten der ganzen Welt geworden sind.

Insofern ist es nur gut, wenn Merkel und Co. die Arbeitsbedingungen ausländischer Journalisten in China thematisieren. So manche Wirtschaftsvertreter sollten dadurch erinnert werden an die Realitäten in der Volksrepublik, die sie nur allzu häufig vergessen.

Quelle: ntv.de

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