"Das Zauberwort heißt Verlässlichkeit" Schwarz-Gelb hört die Signale
03.07.2010, 13:55 UhrDie Spitzenpolitiker der Regierungsparteien beteuern, sie hätten ihre Lektion aus dem Debakel um die Präsidentschaftswahl gelernt. Die Koalitionäre beschwören Verlässlichkeit, Vertrauen und Mannschaftsgeist. Kritik an der eigenen Fraktion hört man allerdings nicht - an sich arbeiten müssen nur die anderen.

Vertrauen sieht anders aus: FDP, CDU und CSU müssen sich erst wieder zusammenfinden.
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Schwarz-Gelb will sich nach dem Wirbel um die Präsidentschaftswahl wieder zusammenraufen. CSU-Chef Seehofer fordert die Koalitionspartner zu einer verlässlichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit auf. Auch aus CDU und FDP kommen ähnliche Stimmen. Die Schuld suchen die Koalitionäre allerdings am wenigsten in den eigenen Reihen. Die Opposition mag denn auch nicht so recht an den neuen Koalitionsfrieden glauben.
Seehofer pocht auf Verlässlichkeit
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sieht die vielen Abweichler aus den eigenen Reihen bei der Wahl Christian Wulffs zum Bundespräsidenten als Warnschuss. "Für die Koalition war der holprige Weg zur Mehrheit für Wulff ein klares Signal, dass sich gegenüber den ersten acht Monaten einiges ändern muss", sagte Seehofer der "Bild am Sonntag".
"Vertrauen ist der Schlüssel zu allem, wenn wir die großen Aufgaben wie Haushaltskonsolidierung oder die Gesundheitsreform packen wollen", erklärte Seehofer der Zeitung weiter. "Das Zauberwort heißt Verlässlichkeit. Einmal getroffene Entscheidungen müssen eingehalten werden."
Seiner eigenen Partei bescheinigte Seehofer vorbildliches Verhalten. "Auch wenn uns manche für Störenfriede halten. Das sind wir nicht. Wir haben sehr stabilisierend gewirkt."
McAllister verteidigt Merkel

Hermann Gröhe geriert sich als beherzter Kämpfer für das Fair-Play in der Koalition.
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CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe griff in der "Leipziger Volkszeitung" zur derzeit angesagten Fußballsprache: "Es gehört zu einer Koalition eben auch, auch dem anderen mal ein Tor gönnen, auch mal zuspielen, mal wirklich Mannschaft zu sein. Und da gibt es Verbesserungspotenziale." Er räumte allerdings ein, das man diesen Stil nicht befehlen könne. "Mannschaftsgeist will da aus Einsicht wachsen."
Niedersachsens neuer Ministerpräsident David McAllister (CDU) forderte im Gespräch mit dem "Hamburger Abendblatt" eine Rückkehr zu den Sachthemen. "Ich kann nur empfehlen, sich künftig mit der Sache und weniger mit sich selbst zu beschäftigen. Jeder Einzelne kann seinen Beitrag dazu leisten, dass das Erscheinungsbild der Koalition wieder besser wird." Zugleich verteidigte McAllister die Kanzlerin gegen den Vorwurf der Führungsschwäche. "Angela Merkel zeigt Führungskraft." So habe sie wenige Tage nach dem Rückzug von Bundespräsident Horst Köhler als Nachfolgekandidaten Christian Wulff präsentiert, der auch gewählt worden sei.
Sachpolitik statt Profilierung
Auch der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki appellierte an den Zusammenhalt der Koalitionäre. "Ich gehe davon aus, dass man dazu übergeht, sich gemeinsam konkreten Sachproblemen zu widmen, statt sich gegeneinander zu profilieren", sagte er. So müsse es zügig eine fundamentale Gesundheitsreform und eine Vereinfachung des Steuersystems mit Reduzierung der Mehrwertsteuer-Ausnahmen geben. Der Bundeskanzlerin warf Kubicki aber inhaltliche Unklarheit vor. "Ich sehe bei Angela Merkel gegenwärtig keine systematische Linie."
Union und FDP müssten sich zusammenreißen. "Sonst werden sowohl CDU als auch FDP erleben, dass die nächsten Landtagswahlen für sie kein berauschendes Fest werden, sondern eine Fortsetzung von Vertrauensverlust der Wählerschaft", prophezeite Kubicki.
Opposition glaubt nicht an Einigung
Die Opposition glaubt nicht an den neuen Teamgeist bei Schwarz-Gelb. Bei der Bundespräsidentenwahl sei ein erhebliches Misstrauen zwischen CDU, CSU und FDP zutage getreten, stellte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" fest. "Wer ein bisschen politische Erfahrung hat, weiß: Das geht nicht mehr weg."
Die Grünen wollen ebenfalls tiefe Risse beobachtet haben. "Bei Schwarz-Gelb meutert das Unterdeck gegen die Brücke", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der Zeitung. Der schwarz-gelbe Kurs existiere nur noch auf der Seekarte. "So dümpelt das schwarz-gelbe Regierungsschiff ohne Antrieb und Steuerung vor sich hin." Die Menschen wollten keine längeren Atomlaufzeiten und keine "Entsolidarisierung durch die unsoziale Kopfpauschale" bei der Krankenversicherung.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP