Politik

"Nicht nur Wohltaten" zu vergeben Schwarz-Gelb im Beichtstuhl

Gesundheit, Steuern und Finanzen: Bei den größten Problemen scheitern Union und FDP in ihren Koalitionsverhandlungen bislang an einer gemeinsamen Lösung. Nun sollen die Parteichefs im sogenannten Beichtstuhlverfahren eine Einigung erzielen. CDU-Vize Rüttgers kündigt angesichts der Finanznot bereits harte Einschnitte an.

Auf der Suche nach Lösungen: CDU-Vize Koch, Kanzlerin Merkel, Niedersachsens Ministerpräsiden twulff und FDP-Chef Westerwelle.

Auf der Suche nach Lösungen: CDU-Vize Koch, Kanzlerin Merkel, Niedersachsens Ministerpräsiden twulff und FDP-Chef Westerwelle.

(Foto: dpa)

Union und FDP haben ihre Beratungen in der großen Spitzenrunde der Koalitionsgespräche vorläufig abgeschlossen. Das teilte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in Berlin mit. Die Verhandlungen sollten nun im so genannten Beichtstuhlverfahren fortgesetzt werden, bei dem die Parteivorsitzenden in kleiner Runde mit Vertrauten und Experten Kompromisse zu den besonders schwierigen Fragen ausloten.

Die drei Parteichefs - Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) - begannen bereits mit den Verhandlungen im kleinsten Kreis, um Kompromisslinien auszuloten. Nach Angaben von FDP-Generalsekretär Dirk Niebel soll dabei zunächst über Energiepolitik und anschließend über die Gesundheitspolitik geredet werden. Am Sonntag sollen dann alle anderen strittigen Themen beraten werden, wie etwa Steuern und Finanzen.

Die Unterhändler von CDU, CSU und FDP zeigten sich nach dem vorläufigen Abschluss der Beratungen in der großen Runde zuversichtlich, dass die neue Regierung binnen zehn Tagen stehen könne. "Wir sind alle willens und bereit, zu gemeinsamen guten Ergebnissen zu kommen", sagte Niebel. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt betonte, dass der Konsens insgesamt größer sei als der Dissens.

Rüttgers kündigt Einsparungen an

Trotz einiger Detailbeschlüsse sind aber auch am zweiten Tag der Marathonverhandlungen Einigungen in den wichtigsten Fragen ausgeblieben. Die endgültigen Entscheidungen würden in der nächsten Woche gefällt, kündigte Bundeskanzlerin Merkel an. CDU-Vize Jürgen Rüttgers sagte, "wir werden noch einige Zeit brauchen bis zu einer Lösung".

Nach Angaben von Rüttgers sind zur Gegenfinanzierung der geplanten Steuererleichterungen Streichungen an anderer Stelle unvermeidlich. Mit dem Koalitionsvertrag wüssten die Menschen in wenigen Tagen, was auf sie zukommen werde, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident am Rande der Koalitionsverhandlungen in Berlin. "Dann wird auch nicht nur über Wohltaten zu reden sein, sondern dann wird es auch entsprechende Gegenfinanzierungen geben müssen", sagte er.

Streitpunkt Gesundheitsfonds

FDP-Politiker Rösler: Noch keine Einigung in Gesundheitsfragen.

FDP-Politiker Rösler: Noch keine Einigung in Gesundheitsfragen.

(Foto: REUTERS)

Weiterhin uneins sind Union und FDP über die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen. "Wir sind noch zu keinem Ergebnis gekommen", sagte der FDP-Unterhändler Philipp Rösler. Zuvor hatte Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) gesagt, Union und FDP wollten den Gesundheitsfonds erhalten und die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung damit nicht grundlegend ändern. Über das Thema Gesundheit sollte noch am Samstagnachmittag im so genannten Beichtstuhlverfahren gesprochen werden.

Die Steuer- und Finanzpolitik sowie die Finanzierung der Ausgabenwünsche der Facharbeitsgruppen im Volumen von zusammen rund 120 Milliarden Euro gelten als dickste Brocken bei den Verhandlungen.

Die FDP beharrt darauf, dass es auch unter dem Strich eine Entlastung der Bürger geben müsse. Parteivize Andreas Pinkwart sagte: "Wir müssen uns entscheiden, ob wir entlasten oder gegenfinanzieren wollen." Rüttgers hielt dagegen: "Wir wollen keine Steuersenkungen, die nicht gedeckt sind." Die Union hatte der FDP zuletzt Steuersenkungen im Umfang von 20 Milliarden Euro angeboten. FDP-Vizechefin Cornelia Pieper betonte dagegen: "Es muss auch eine Steuerstrukturreform geben."

Besonders die Fanzierung ihrer Vorhaben muss die künftige Bundesregierung klären: Merkel im Gespräch mit de Maizière und ihrem Generalsekretär Pofalla.

Besonders die Fanzierung ihrer Vorhaben muss die künftige Bundesregierung klären: Merkel im Gespräch mit de Maizière und ihrem Generalsekretär Pofalla.

(Foto: dpa)

Im Bereich Wirtschaft legte die Koalitionsrunde fest, Bürger und Unternehmen durch Bürokratieabbau zu entlasten. "Die Belastung durch Bürokratieaufwand für die Menschen und die Unternehmen soll netto um 25 Prozent runtergefahren werden", sagte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Im Einzelnen sollten beispielsweise Schwellenwerte, Aufbewahrungsfristen oder Bilanzierungsregeln vereinfacht oder standardisiert werden.

Offene Fragen

Strittig ist nach wie vor auch die von der FDP geforderte Aussetzung der Wehrpflicht. Keine Einigung gab es bislang über die Kürzung teurer Beschaffungsprogramme für die Bundeswehr. Unklar ist die Zukunft des Entwicklungsministeriums und in welchem Ressort die Zuständigkeit für die Europapolitik liegen soll.

Die FDP will den Aufbau Ost künftig nicht mehr im Verkehrs-, sondern im Wirtschaftsministerium koordinieren. Im Osten Deutschlands gehe es vor allem um das Thema Arbeit und Innovation, begründete die stellvertretende FDP-Vorsitzende Pieper diese Forderung ihrer Partei.

Die ergänzend zur Umlagefinanzierung geplante Kapitaldeckung in der Pflegeversicherung soll nach einem Zeitungsbericht zur Pflicht gemacht werden. Anders als bei der Riester-Rente solle die private Pflegevorsorge als "zweite Säule" verbindlich eingeführt werden, schrieb der "Kölner Stadtanzeiger".

Nach dem Wochenende sollten am Montag und Dienstag erneut Arbeitsgruppen tagen. Für Mittwoch ist erneut eine Sitzung in großer Runde vorgesehen. Die Union hat zudem bereits Parteitage einberufen, die am 26. Oktober über einen bis dahin fertigen Koalitionsvertrag entscheiden sollen.

Quelle: ntv.de, tis/AFP/dpa/rts

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