SPD und Grüne uneins Schwarz-Gelb lehnt Luftschläge ab
18.03.2011, 15:39 Uhr
Im Bundestag finden Westerwelle und Merkel Unterstützung, in EU und NATO sind sie isoliert.
(Foto: dapd)
Deutschland hat sich im Sicherheitsrat bei der Libyen-Resolution enthalten, Kanzlerin Merkel hält den Plan einer Luftoperation über Libyen für "nicht hundertprozentig durchdacht". SPD-Chef Gabriel und Grünen-Fraktionschef Trittin stimmen ihr zu. Doch es gibt auch andere Stimmen bei der SPD.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) haben die deutsche Zurückhaltung beim geplanten Militäreinsatz in Libyen verteidigt. "Wir werden uns nicht mit deutschen Soldaten an einem solchen Militärkampfeinsatz in Libyen beteiligen", bekräftigte Westerwelle in einer Regierungserklärung im Bundestag. Die Entscheidung, sich im UN-Sicherheitsrat der Stimme zu enthalten, sei der Regierung nicht leicht gefallen.
Zuvor hatte Westerwelle in einer Stellungnahme von einem "Krieg" gesprochen. "Wir sind aber in der Abwägung auch der Risiken zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns mit deutschen Soldaten an einem Krieg, an einem militärischen Einsatz in Libyen nicht beteiligen werden."

Verteidigungsminister de Maizière, Außenminister Westerwelle, Bundeskanzlerin Merkel und FDP-Fraktionschefin Homburger im Bundestag.
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Offen ist dagegen noch, ob sich die Bundeswehr an einem Libyen-Einsatz von Awacs-Aufklärungsflugzeugen der NATO beteiligt. Darüber soll kommende Woche entschieden werden.
"Wir verstehen diejenigen, die sich aus ehrenwerten Motiven für ein internationales militärisches Eingreifen in Libyen ausgesprochen haben", betonte Westerwelle im Bundestag. In Abwägung aller Argumente sei die Regierung aber zu dem Ergebnis gekommen, dass die Risiken und Gefahren eines militärischen Eingreifens zu groß seien. Berlin setze vielmehr auf die Wirkung schärferer Sanktionen, um das Regime von Muammar al-Gaddafi in die Knie zu zwingen und dem bisherigen Machthaber den Prozess zu machen.
"Luftschläge nicht durchdacht"
Ähnlich äußerte sich Merkel. Sie glaube, dass eine Luftoperation über Libyen "nicht hundertprozentig durchdacht" sei, sagte sie laut Teilnehmern vor der Unionsfraktion. "Wir wünschen unseren Bündnispartnern viel Erfolg, weil wir die gleichen politischen Ziele verfolgen. Aber wir sind halt anderer Ansicht, was die Erfolgsaussichten des Einsatzes angeht", wurde sie zitiert.
Der UN-Sicherheitsrat hatte ein Flugverbot über dem nordafrikanischen Land beschlossen. Erlaubt ist dabei militärisch fast alles - bis auf einen Einsatz von Bodentruppen. Die Vetomächte Russland, China sowie Indien, Brasilien und auch Deutschland als nichtständiges Mitglied enthielten sich der Stimme.
SPD gespalten

Trittin (l.) und Gabriel (r.) sind derzeit im Wahlkampf in Stuttgart unterwegs. Dort gab es einen gemeinsamen Auftritt der Spitzenkandidaten Kretschamnn (2.v.l.) und Schmidt.
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Die SPD ist in dieser Frage gespalten. SPD-Chef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier begrüßten die deutsche Enthaltung. In Stuttgart sagt Gabriel, er halte es nicht für sinnvoll, als nächsten Schritt deutsche Soldaten in der Auseinandersetzung zwischen dem Revolutionsführer Muammar Gaddafi und den Rebellen anzubieten. Durch die Flugverbotszone drohten enorme Eskalationsrisiken. Ähnlich äußerte sich Steinmeier. "Ob militärische Luftschläge dem Volk in Libyen wirklich helfen, daran kann man zu Recht Zweifel haben. Deshalb halte ich das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung für verständlich und nachvollziehbar", erklärte der Fraktionsvorsitzende.
Demgegenüber bezeichnete die frühere Entwicklungsministerin Heidi Wieczorek-Zeul die Haltung der Koalition in einer turbulenten Aussprache im Bundestag als "Schande". "Gegenüber Despoten kann es keine Enthaltung geben", empörte sich die SPD-Abgeordnete. Auch der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich warf der Regierung mangelnden Mut bei der Durchsetzung von elementaren Menschenrechten vor.
"Es leidet mitten durch die Grünen-Fraktion"
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, es sei richtig, für einen Waffenstillstand, für eine Schutzzone und für verschärfte Sanktionen einzutreten. Deutschland habe gemeinsam mit Brasilien und Indien richtig reagiert und sich der Stimme enthalten. "Man muss Libyen und Gaddafi den Ölhahn abdrehen", sagte Trittin. Seine Co-Fraktionschefin Renate Künast stellte sich grundsätzlich hinter den Beschluss des höchsten UN-Gremiums.
Künast sagte im Bundestag deutlich: "Da leidet es mitten durch die Grüne-Fraktion." Aber: "Wenn Gaddafi sein eigenes Volk beschießt, dann stehen wir in der Verantwortung. (...) Wir sind in der Verantwortung, Menschenrechte zu verteidigen." Der Linke-Abgeordnete Stefan Liebig sagte zu Künast: "Wenn Sie das mit Menschenrechten begründen, dann werden Sie viele Kriege führen müssen."
Künast sagte, die Grünen übersähen aber nicht die Risiken. Eine Flugverbotszone ziehe weitere Schritte nach sich. "Wir wissen am Ende alle, dass auch die Flugverbotszone umgesetzt werden muss, und dass das ein schwierige Weg ist." Sie betonte aber: "Wir alle müssen uns bewegen." Von Westerwelle verlangte sie eine "aktive Rolle". Er müsse sich für den Schutz von Flüchtlingen in Libyen und für ihre Aufnahme auch in Deutschland einsetzen. Ölgeschäfte mit Libyen müssten unterbunden werden. "Dazu haben wir von Ihnen zu viel Passivität." Es müsse der Eindruck verhindert werden, es gehe Deutschland nicht hinreichend um Menschenrechte.
Ausdrückliches Lob bekam Westerwelle von der Linkspartei. Für den Vorwurf, die SPD sei "die größte Kriegstreiberpartei" bekam der Linken-Außenpolitiker Jan van Aken einen Ordnungsruf.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP/rts