Gesicht wahren trotz leerer Kassen Schwarz-Gelb streitet ums Eingemachte
12.10.2009, 19:08 UhrIn den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP wird der Ton immer schärfer, weil deutlich wird, wie wenig Geld für die schwarz-gelben Projekte zur Verfügung steht. So könnte die versprochene Erhöhung von Kindergeld und -freibetrag wieder kippen. Die FDP beharrt auf massiven Entlastungen - die CDU will notfalls Steuersenkungen auf Pump finanzieren.

Vor dem Abgrund leerer Kassen: Verhandlungsführer de Maiziere (CDU) und Solms (FDP) vor der hessischen Landesvertretung in Berlin.
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Angesichts massiver Finanzierungsprobleme wird der Ton in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP gereizter. Zu Beginn der zweiten Verhandlungswoche warfen sich beide Seiten gegenseitig vor, auf alten Positionen zu beharren. CDU- Generalsekretär Ronald Pofalla sagte, die Gespräche kämen jetzt in die "entscheidende Phase". Trotz der teilweise erheblichen Differenzen gehen die Wunsch-Koalitionspartner aber weiterhin davon aus, sich bald auf Steuersenkungen einigen zu können.
Dagegen stehen die Pläne für eine zusätzliche Förderung von Familien und Kindern angesichts der leeren Kassen vor dem Aus. "Das kommt nie im Leben zum 1.1.2010. Das ist schlicht und ergreifend nicht zu finanzieren", sagte ein Unterhändler der CDU. Vor allem die FDP hatte sich für eine Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrags auf das Erwachsenenniveau von 8004 Euro von derzeit 6024 Euro bereits für 2010 stark gemacht. Auch aus der Union hatte es dafür positive Signale gegeben. Allerdings zeichnete sich bei den ersten Beratungen von Union und FDP vorige Woche ab, dass mit dem Kinderfreibetrag auch das Kindergeld auf mindestens 200 Euro pro Kind erhöht werden müsste. Anderenfalls hätten Familien mit geringeren Einkommen, die keine oder wenig Steuern zahlen, nichts von der Förderung.
Steuersenkung oder Familienentlastung?
Beide Maßnahmen würden dann allerdings rund zehn Milliarden Euro kosten. Dies sei angesichts des vorigen Donnerstag aufgestellten Finanzrahmens für die neue Koalition nicht zu finanzieren, verlautete aus der CDU. Ansonsten wäre der Weg für weitere Steuerentlastungen etwa bei der Einkommensteuer zur Milderung der "kalten Progression" im Verlauf der nächsten vier Jahren so gut wie versperrt.
Aus der FDP hieß es aber, für die Liberalen blieben Kindergeld und Kinderfreibetrag als Möglichkeit für einen schnellen Einstieg in Steuerentlastungen auf dem Tisch. Alternativ müsse es sonst einen Einstieg in den Abbau der kalten Progression geben, also einen flacheren Anstieg der Steuertarife, damit Gehaltssteigerungen nicht mehr zu einem großen Teil durch den Sprung in eine höhere Besteuerungszone aufgezehrt werden. Ein Einstieg in eine Strukturreform der Einkommensteuer habe für die FDP im Zweifel Priorität.
Seehofer hofft auf schnellen Abschluss
Bei den Gesprächen nach dem Wochenende ging es zwischen den Unterhändlern von Union und FDP vor allem um die Finanzen, aber auch um die Themenfelder Arbeitsmarkt, Gesundheitspolitik und Umwelt. Am Mittwoch soll es wieder ein Gespräch der Spitzenrunde geben, am Wochenende steht eine Klausurtagung auf dem Programm. CSU-Chef Horst Seehofer hofft dann sogar bereits auf einen Abschluss der Verhandlungen. "Das wäre der Idealfall", sagte der bayerische Ministerpräsident.

Merkel und Westerwelle müssen jeweils einen Weg finden, um ihre Wahlversprechen nicht zu brechen.
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Der CDU-Verhandlungsführer der Arbeitsgruppe Steuern und Haushalt, Kanzleramtschef Thomas de Maizière, äußerte die Erwartung, dass seine Gruppe bereits am Mittwoch "halbwegs" abschließen könne. Der Umfang der Entlastungen hänge auch von den Ergebnissen der anderen Arbeitsgruppen ab. FDP-Verhandlungsführer Hermann Otto Solms verlangte erneut eine "große Steuerstrukturreform" mit Entlastungen um 35 Milliarden Euro. Zugleich wies er Darstellungen zurück, die FDP rudere wegen der Haushaltslage zurück. Seine Partei habe immer gesagt, dass es Steuersenkungen nur in Einzelschritten geben werde.
CDU-Generalsekretär Pofalla schloss indes Steuersenkungen auf Pump nicht aus. Er verwies auf das Unions-Regierungsprogramm, das zwei Schritte mit einem Volumen von 15 Milliarden Euro vorsieht. Bei einer Steuerreform sei mit einem Wachstumsimpuls von etwa 0,8 Prozent zu rechnen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) mahnte eine Gegenfinanzierung an. "Es gibt nicht nur Mehrausgaben. Es muss auch Kürzungen geben." Bayerns Finanzministers Georg Fahrenschon (CSU) sagte, die FDP suche eine Entschuldigung.
Arbeitsgruppen tagen
Die Arbeitsgruppe Gesundheit verhandelte erstmals über den Gesundheitsfonds, einen der Hauptstreitpunkte in den Gesprächen. Die FDP möchte den Fonds abschaffen, die Union allenfalls modifizieren. Ihr Verhandlungsführer Philipp Rösler sagte, Ziel sei ein zukunftsfestes Gesundheitswesen, das nicht alle drei Jahre reformiert werden müsse. Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) sagte über den Fonds: "Wenn man ihn versucht zu erhalten, dann muss man ihn grundlegend umgestalten."
Im Gesundheitsfonds werden Beitragseinnahmen der Kassen und Steuerzuschüsse gesammelt. Die Kassen erhalten Zuweisungen nach einem weitgehenden Finanzausgleich; sie fallen höher aus, wenn sie viele Kranke versichern. Um das Milliardendefizit für das kommende Jahr zu decken, ist ein höherer Einheitsbeitragssatz für Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich. Er wird von der Regierung bestimmt und beträgt derzeit 14,9 Prozent. Möglich sind auch Zusatzbeiträge allein zu Lasten der Versicherten.
Union gegen FDP-Bürgergeld
Union und FDP wandten sich zudem gegen steigende Lohnzusatzkosten. "Deutlich zu machen, dass die Lohnnebenkosten in Deutschland nicht weiter steigen dürfen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht belastet wird - das ist absolut Konsens", sagte die Verhandlungsführerin der Union, Ursula von der Leyen (CDU). Die Kostensteigerungen bei den Krankenkassen dürften nicht zu Lasten der Lohnzusatzkosten gehen, betonte FDP-Verhandlungsführer Rösler.
Die Arbeitsmarktexperten befassen sich unterdessen mit dem von der FDP geforderten Bürgergeld von 662 Euro pro Monat. Es soll alle anderen steuerfinanzierten Leistungen ersetzen, darunter auch das Arbeitslosengeld II. Die Union lehnt das Vorhaben ab. Die CDU-Spitze sprach sich auch gegen Änderungen bei der Mitbestimmung aus. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung gemeldet, die Arbeitsgruppe Wirtschaft habe sich darauf geeinigt, dass ein Betriebsrat künftig erst in Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern gebildet werden darf. Derzeit ist das in Betrieben ab 5 Mitarbeitern möglich.
Quelle: ntv.de, dpa/rts