Koalitionsgipfel im Kanzleramt Schwarz-Gelb sucht Ausweg
21.03.2010, 16:57 UhrDer Druck auf Union und FDP wächst: Ein Koalitionsgipfel im Kanzleramt soll Schwarz-Gelb vor der Wahl in NRW auf die Erfolgsspur führen. Die FDP dringt noch immer auf Steuersenkungen, wird aber vom Finanzminister und der Kanzlerin abgeblockt. Gesucht werden Projekte, die nichts kosten.

Eigentlich sollte alles drinstehen: Trotz Koalitionsvertrag streiten Westerwelle, Merkel und Seehofer über den Kurs der Regierung.
(Foto: dpa)
Überschattet von Kritik des Bundespräsidenten und einer Rekordverschuldung im Bund haben die Koalitionsspitzen von CDU, CSU und FDP nach Wegen aus ihrer verfahrenen Lage gesucht. Insbesondere gilt es, die Weichen für den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen zu stellen. Im bevölkerungsreichsten Bundesland, in dem am 9. Mai gewählt wird, bröckelt laut Umfragen die schwarz-gelbe Mehrheit. Bundespräsident Horst Köhler hatte sich im "Focus" besorgt über den Ansehensverlust der Koalition bereits nach wenigen Monaten gezeigt.
CDU-Chefin Merkel hatte am Samstag bei einem Parteitag der NRW-CDU in Münster zuvor erklärt: "Das größte Bundesland muss stabil regiert werden, weil es nicht Platz sein darf für Experimente mit ungewissem Ausgang." Es gelte, ein rot-rotes Bündnis zu verhindern, sagte sie.
Unter dem Druck des NRW-Wahlkampfs wurde das Spitzentreffen der Parteichefs der Koalition im Kanzleramt zu einem Koalitionsgipfel ausgeweitet. Nach einer ersten Runde mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), FDP-Chef Guido Westerwelle und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer war der Kreis um die Fraktionschefs der Koalition, Volker Kauder (CDU) und Birgit Homburger (FDP), erweitert worden. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wurde bei der Neuregulierung der Finanzmärkte einbezogen.
FDP-Chef Guido Westerwelle sprach am nach dem Treffen von einem "konstruktiven Verlauf". Er sagte: "Die Dinge finden zueinander und wir haben konkrete Fortschritte bei Bankenregulierung und Bankenverantwortung erreicht."
"Rot-Rot verhindern"
Schäuble will das Bundeskabinett angesichts von Etat-Zusatzwünschen für 2011 in Höhe von zehn Milliarden Euro auf einen strikten Sparkurs einschwören. Der "Bild am Sonntag" sagte Schäuble: "Die Etatwünsche der Kolleginnen und Kollegen tragen - zurückhaltend formuliert - dem Ernst der Lage noch nicht in vollem Umfang Rechnung." Er werde im Kabinett in der kommenden Woche daran erinnern, dass die Einhaltung von Stabilitätspakt und Grundgesetz "eine Aufgabe der ganzen Regierung zum Besten unseres Volkes ist". Der Ausgabenrahmen von 2010 könne - von Ausnahmen abgesehen - in den kommenden Jahren nicht überschritten werden, argumentierte der Minister.
Projekte dürfen nichts kosten
Vor diesem Hintergrund bekommen die von Schwarz-Gelb geplanten Steuererleichterungen eine besondere Brisanz. Schäuble trat Berichten entgegen, vor der NRW-Wahl werde es bereits eine Entscheidung über Steuersenkungen geben. Darüber werde erst zwischen Mitte Mai und Ende Juni entschieden, sagte er. Dann lägen die Ergebnisse der nächsten Steuerschätzung vor. Merkel versicherte in Münster, es werde keine Steuersenkungen zulasten der Kommunen geben.
Ziel im Kanzleramt war es nach Informationen aus Union und FDP, Projekte auf den Weg zu bringen, die den Bund möglichst wenig kosten, aber bei den Bürgern gut ankommen - etwa die Beteiligung der Banken an den Lasten der von ihnen mitverursachten Finanzkrise. Auch Bildungsprojekte sind im Gespräch.
Köhler hatte - nach langem Schweigen - die bisherige Arbeit der schwarz-gelben Koalition als "enttäuschend" kritisiert. Er hatte vor weiteren massiven Steuersenkungen gewarnt und im Magazin "Focus" von CDU/CSU und FDP "einen neuen Aufbruch zu Reformpolitik" gefordert. Anders als die FDP schloss Köhler die Notwendigkeit von Steuererhöhungen nicht generell aus. Westerwelle griff die Anregung zu mehr Reformmut wohlwollend auf. Zu den einzelnen Kritikpunkten Köhlers äußerte sich der Vizekanzler aber nicht.
"Täuschungsmanöver"
Die SPD hatet das Spitzentreffen der Koalition als Ablenkungsmanöver bezeichnet. Der SPD- Fraktionschef im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier, sagte mit Blick auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: "Das ist ein Täuschungsmanöver. Nach dem 9. Mai wird die Bühne umdekoriert werden." Dann werde das Stück "Die Kassen sind leer" heißen.
Steinmeier rief seine Partei beim Frühlingsempfang der Mainzer SPD dazu auf, dem "täglichen Affentheater" der schwarz-gelben Bundesregierung am 9. Mai in NRW "einen saftigen Denkzettel" zu verpassen. Die SPD müsse sich "vor allem über die Länder" erneuern. Ein Sieg der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft in NRW "wäre ein großer Schritt dahin".
Quelle: ntv.de, dpa