Politik

Im Pizza-Keller fing es an Schwarz-grüne Geschichte

Ob demnächst in Hamburg die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene vereinbart wird, steht noch in den Sternen über Elbe und Alster. In den Berliner Parteizentralen von CDU und Grünen würde das Spitzenpersonal es wohl durchaus begrüßen, wenn die Liaison besiegelt werden könnte. Aber keiner wagt die Prognose. Die Koalition wäre der Abschluss einer langen Anbahnungsphase zwischen zwei Partnern, die über Jahre nicht miteinander wollten, sich aber auch vielfach nicht trauten. Eine kleine schwarz-grüne Geschichte:

Wenn es denn in Hamburg mit Union und Grünen klappen sollte, dann wird als die Urzelle aller schwarz-grünen Kooperation die "Pizza Connection" genannt. In der zweiten Hälfte des Jahres 1995 traf sich eine Schar junger CDU- und Grünen-Abgeordneter in der Bonner Pizzeria Sassella. "Tiefe, tiefe Sprachlosigkeit", so einer der damaligen Unions-Teilnehmer, herrschte bis zu diesem Zeitpunkt zwischen der Union und den Grünen. Und das, obwohl zu den Gründervätern der Ökopartei einige CDU-Mitglieder wie Herbert Gruhl gehört hatten.

Ob eine Strategie hinter den Pizza-Treffen stand, wird heute unterschiedlich beschrieben. Ein Unions-Mann, der von Anfang an mit am Tisch saß, meint, es sei durchaus darum gegangen, das Verhältnis zu entkrampfen. Ein Grünen-Abgeordneter sagt hingegen, dass "auch das gemeinsame Essen und Trinken" im Vordergrund gestanden habe. Und natürlich feixten die Teilnehmer, wenn sie ungestört im Weinkeller am Eichentisch sitzen konnten - und die Journalisten einschließlich der Mitarbeiter des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) oben im Restaurant gierig darauf warteten, was nun die Runde weltbewegendes besprochen hatte.

Den Teilnehmern hat die Veranstaltung nicht geschadet. Bei der CDU ist Ronald Pofalla heute Generalsekretär. Norbert Röttgen hat den Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers. Hermann Gröhe ist Justiziar der Unions-Fraktion. Peter Altmaier amtiert im Innenministerium als Parlamentarischer Staatssekretär. Einige der grünen Pizza-Freunde gehören heute ebenfalls zur Parteiprominenz: etwa Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke oder der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck. Auch auf anderen Ebenen suchten schon damals CDU- und Grünen-Politiker das Gespräch. So soll sich der damalige Fraktionschef Wolfgang Schäuble (CDU) mit dem heimlichen Grünen-Parteivorsitzenden Joschka Fischer getroffen haben.

Als sich die Grünen 1998 mit der SPD einließen, schliefen die Kontakte ein. Die Union machte, wie sich ein CDU-Mann erinnert, auf "Totalopposition". Die Grünen schauten - erstmals in Verantwortung - mit Hochmut auf die Unionisten herab. Nach dem Umzug nach Berlin und vor allem zum Ende der rot-grünen Ära wurden die Fäden weiter gesponnen. Die damalige Oppositionsführerin Angela Merkel sprach gern mit ihrer Kollegin Katrin Göring-Eckardt. Parallel wurden auf kommunaler Ebene wie in Köln und später in Frankfurt am Main schwarz- grüne Koalitionen gebildet.

Heute speist Pofalla mit Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Die "Pizza-Connection" gibt es wieder, neben neuen Runden, bei denen Grünen- und Unions-Politiker zusammensitzen. Von der Kanzlerin heißt es, dass sie auch gegenüber den Grünen "sprechfähig" sei. Das Verhältnis ist auf der Bundes-Ebene mittlerweile entspannt.

Bündnisse werden bei solchen Treffen freilich nicht ausgeheckt. Beide Seiten bemühen sich aber offensichtlich, eine vernünftige Atmosphäre zu schaffen. Man weiß nie, ob man nicht eines Tages doch miteinander koalieren muss, trotz aller Unterschiede. Denn auch im Bund stellte sich schon nach der Bundestagswahl 2005 die Frage, ob die Union gemeinsam mit der FDP und den Grünen ein sogenanntes Jamaika-Bündnis gründen sollte. Es wurde immerhin sondiert. Im Anschluss erklärte Grünen-Chefin Claudia Roth, es sei ein "wichtiges, vielleicht historisches" Treffen gewesen. Nach der "Pizza-Connection" waren diese Sondierungen sicher der zweite Tabu-Bruch. In Hamburg könnte nun der dritte folgen.

Von Ulrich Scharlack, dpa

Quelle: ntv.de

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