Politik

Union und SPD suchen Mindestlohn-Lösung Schweigend hin zur Großen Koalition

Ob die gute Laune anhält? Horst Seehofer und Angela Merkel sitzen Hannelore Kraft und Frank-Walter Steinmeier gegenüber.

Ob die gute Laune anhält? Horst Seehofer und Angela Merkel sitzen Hannelore Kraft und Frank-Walter Steinmeier gegenüber.

(Foto: dpa)

Weitgehend wortlos gehen die Verhandlungsführer von Union und SPD zur zweiten Sondierungsrunde. Es könnte ein langer Abend werden, am Ende dürfte eine Vorentscheidung stehen. Offiziell soll jedoch alles offen bleiben. Schließlich trifft die Union sich noch einmal mit den Grünen.

Die SPD-Delegation auf dem Weg zu den Sondierungen mit der Union.

Die SPD-Delegation auf dem Weg zu den Sondierungen mit der Union.

(Foto: imago stock&people)

Die Vertreter von CDU, CSU und SPD gehen fast durchweg schweigend in die Parlamentarische Gesellschaft, in deren Räumen am Reichstag die Sondierungsgespräche stattfinden. Bundeskanzlerin Angela Merkel wünscht den wartenden Journalisten fröhlich einen "Guten Tag". Lediglich der wie immer blendend gelaunte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) antwortet auf den Zuruf eines Journalisten, ob es heute schon eine Vorentscheidung gebe: "Gemach, Gemach." Kurz zuvor hatte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer auf eine ähnliche Frage mit einer Geste geantwortet, die wohl "Schau'n mer mal" ausdrücken sollte.

Die SPD-Unterhändler mit Parteichef Sigmar Gabriel an der Spitze ziehen es vor, den Hintereingang zu wählen. Sie wollen wohl vermeiden, wie Bittsteller zu wirken, die nach der Unionsdelegation anrücken. Damit hören sie auch nicht, wie ein kleines Grüppchen um das ehemalige SPD-Vorstandmitglied Ursula Engelen-Kefer lautstark für eine Reichensteuer demonstriert. "Gabriel darf sich nicht an die Kette legen lassen", ruft die 70-Jährige, während ihr Hund Othello dazu bellt.

Mindestlohn im Mittelpunkt

In der zweiten Sondierungsrunde von Union und SPD geht es zur Stunde nach den Worten von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles "ums Eingemachte". Man werde mit der Union über die Finanzen sprechen, hatte sie kurz vor Beginn des Treffens bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus gesagt. "Deswegen wird das mit Sicherheit ein interessanter Abend".

Die von Engelen-Kefer geforderten Steuererhöhungen für Reiche sind praktisch allerdings so gut wie abgehakt. Die Sprachregelung der SPD lautet, Steuererhöhungen seien für die SPD nie ein "Selbstzweck" gewesen - wenn die Union keine Steuererhöhungen wolle, müsse sie aber erklären, wo das Geld für die notwendigen Investitionen in Bildung, Infrastruktur und zur Entlastung der Kommunen herkommen solle.

Außerdem soll es bei dem Treffen um Europa- und Familienpolitik gehen. Im Mittelpunkt dürfte jedoch der Mindestlohn stehen. Nahles machte deutlich, dass diese Forderung für die SPD im Kern nicht verhandelbar ist. Der Mindestlohn sei "das zentrale Wahlversprechen der SPD" gewesen, sagte sie.

Das Problem ist der Einstieg in den Mindestlohn

Grundsätzlich ist ein Kompromiss beim Mindestlohn durchaus vorstellbar. Erst am Wochenende hatte sich Bundeskanzlerin Merkel für "vernünftige Lohnuntergrenzen in Form von Mindestlöhnen" ausgesprochen. Die CDU-Chefin unterstrich dabei allerdings die "starke Tarifautonomie" von Arbeitgebern und Gewerkschaften - was so viel heißt wie: Die Politik soll sich aus der Festlegung der Höhe des Mindestlohns heraushalten.

Auch die Sozialdemokraten können sich vorstellen, dass der Mindestlohn von einer "unabhängigen Kommission" festgelegt wird. Nahles sagte, einer solchen Kommission könnten Vertreter der Tarifpartner angehören. Zusätzlich sei die Beteiligung von "unabhängigen Wissenschaftlern" möglich. Dies ist aber offenbar kein Muss.

Der Haken ist, dass die Sozialdemokraten weiterhin einen "gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro in Ost und West" fordern, wie Nahles betonte. Der Einstieg in den Mindestlohn muss nach ihren Vorstellungen vom Bundestag beschlossen werden. Die Kommission würde erst bei späteren Erhöhungen aktiv. Hier liegt der zentrale Unterschied zwischen SPD und Union, der überbrückt werden muss.

In dieser Woche fällt eine Entscheidung

Dass dies gelingen kann, haben sowohl Union als auch SPD längst deutlich gemacht. Falls es heute zu einer Vorentscheidung kommen sollte, werden Nahles und die Generalsekretäre von CDU und CSU dies im Anschluss wohl kaum so deutlich sagen. Denn an diesem Dienstag trifft sich die Union zu einem zweiten Sondierungsgespräch mit den Grünen. Zudem soll die SPD-Basis nicht überrumpelt, sondern vorsichtig auf die Große Koalition vorbereitet werden.

Während sich die Grünen weitgehend einig sind, dass es nicht nach Schwarz-Grün aussieht, heißt es aus der Union, diese Option sei noch nicht vom Tisch. CDU und CSU wollen im Lauf dieser Woche entscheiden, wem sie formelle Koalitionsverhandlungen anbieten.

An diesem Sonntag wird der Parteikonvent der SPD fortgesetzt, er soll gegebenenfalls über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden. Nahles sagte, bis Sonntag werde es eine "Beschlussempfehlung" der SPD-Spitze für den Konvent geben, diese werde "zu irgendeinem Zeitpunkt in dieser Woche" öffentlich gemacht.

Als die SPD-Spitze pünktlich um 16.00 Uhr im Inneren des Gebäudes am Vordereingang vorbeispaziert, schließt sich das Hauptportal der Parlamentarischen Gesellschaft. "Ein tolles Bild", freut sich ein Kameramann. In seinen Augen wirken die Sozialdemokraten nicht wie Bittsteller, sondern wie Verlierer.

Quelle: ntv.de

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