Opposition schlachtet TV-Auftritt aus "Seehofer hat Angst"
15.05.2012, 17:07 Uhr
Die Opposition glaubt, dass Seehofer sich aus Angst vor dem Machtverlust zu seinem Fernsehinterview hinreißen ließ.
(Foto: picture alliance / dpa)
CSU-Chef Seehofer kannibalisiert die schwarz-gelbe Koalition. Erst macht er sich über seinen Parteikollegen Röttgen her, weil der bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen eine bittere Niederlage für die Union einfuhr. Dann greift er die gesamte Bundesregierung an. Die Opposition freut sich.
Erst entlud sich das Entsetzen in den eigenen Reihen, jetzt folgt der Spott der politischen Gegner. Die Opposition reagiert auf das irritierende TV-Interview von CSU-Chef Horst Seehofer. Man spüre an ihm den "Angstschweiß vor dem Machtverlust", sagte Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. "Schließlich kann es auch bei der Landtagswahl in Bayern im kommenden Jahr zu einem Politikwechsel kommen."
Noch ehe sich die Opposition auf den Fernsehauftritt stürzte, hagelte es allerdings Kritik aus den eigenen Reihen. "Ich halte nichts von Drohungen, das bringt nichts in der Politik", sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs. "Mit öffentlichen Drohungen werden wir mit Sicherheit keine bessere Stimmung für unsere Politik bekommen." Der Vizechef der CDU in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, wünschte Seehofer, "dass er in einer Niederlage nie so von anderen Landesverbänden behandelt wird, wie er im Moment die CDU behandelt."
Auch die FDP zeigte sich empört. Der CSU-Chef verhalte sich wie im Kindergarten und solle aus der Schmollecke kommen, sagte Vorstandsmitglied Lasse Becker. Auch FDP-Chef Philipp Rösler zeigte wenig Verständnis für die Querschüsse des CSU-Mannes. "Was hat man davon, wenn man aus der Haut fährt?" Probleme würden so nicht gelöst, sondern nur, "wenn man sie klug analysiert, nachdenkt Problemlösungen findet und sie dann auch umsetzt."
Seehofer steht zu seinem Auftritt
Trotz der Kritik aus den eigenen Reihen steht Seehofer zu seinem Auftritt. "Es kann doch nicht sein, dass das Thema NRW und die Wirkung für die bürgerlichen Parteien unterbelichtet wird", sagte der bayerische Ministerpräsident nach einer Sitzung seines Kabinetts. Für einen Erfolg bei der Bundestagswahl 2013 seien zwei starke Partner nötig: "Es nutzt nichts, wenn die FDP 9 Prozent hat und die Union 31." Ihm gehe es darum, dass das Schwungrad "in Bewegung gesetzt wird".
Rückendeckung bekam Seehofer vor allem von CSU-Politikern wie Markus Söder und Gerda Hasselfeldt. Doch auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier, zeigte Verständnis für Seehofers Rundumschlag. Der CDU-Politiker sagte: Es sei "nachvollziehbar", dass es nach dem enttäuschenden Ausgang der Wahl in Nordrhein-Westfalen "auch zu Debatten und Diskussionen innerhalb der Union kommt." Seehofer ist laut Altmaier ohnehin "bekannt für seine offenen Worte, und ich denke, das muss man auch aushalten können." Altmaier hält das Interview nicht für einen "Beinbruch".
"Wie ein Eisbecher"
Nach der Aufzeichnung eines ZDF-Interviews zu den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen hatte sich Seehofer am Montagabend einige Minuten lang erregt mit dem Moderator über die Folgen der CDU-Niederlage unterhalten. Die Kameras liefen noch, Seehofer sagte: " Es sei ein "ganz großer Fehler" von Umweltminister Norbert Röttgen gewesen, sich nicht ohne Wenn und Aber für einen Wechsel nach Düsseldorf zu entscheiden, monierte Seehofer. Er habe darüber auch mit ihm gesprochen. "Persönlich hat er mich dann abtropfen lassen." Seehofer hielt Röttgen vor, dass dessen Umfragewerte als Folge dieser Fehlentscheidung geschmolzen seien, "wie ein Eisbecher, der in der Sonne steht".
Aber nicht nur über Röttgen, auch über die schwarz-gelbe Koalition insgesamt zog Seehofer her. Die Union habe jetzt nur noch vier Ministerpräsidenten mit der FDP. "Wir sind jetzt in der Minderheit", so Seehofer im ZDF-Gespräch. "Wir müssen besser werden, auch in Berlin." Betreuungsgeld, Vorratsdatenspeicherung - viele Beratungen zögen sich viel zu lange hin. "Das geht mir alles zu zäh", monierte er. Nachdem Seehofer seiner Wut Luft gemacht hatte, sagte er: "Das können sie alles senden." Das ZDF tat es.
Munition für die Opposition
Seehofer selbst liefert der Opposition derweil reichlich Munition für weitere Angriffe. Kurzerhand erklärte der CSU-Mann die Energiewende in der "Passauer neuen Presse" zu einer der großen Baustellen der schwarz-gelben Koalition. Dem Umweltminister traut er allerdings nicht mehr zu, diese hinzubekommen. "Wenn in Berlin nicht das Ruder herumgerissen wird, dann besteht die Gefahr des Scheiterns", so Seehofer in der Zeitung. "Ich habe die Sorge, die große große Sorge, dass wir das verstolpern", sagte er, der damit wieder klar auf Röttgen anspielt. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) nannte Seehofer "völlig verkorkst".
Die grüne Roth sagte: Dass Seehofer die Eignung Röttgens als Bundesumweltminister in Zweifel ziehe, habe auch sachliche Gründe. "Diese Zweifel teile ich."
Quelle: ntv.de, ieh/nsc/dpa/AFP