Person der Woche Horst Seehofer, Freigeist der Macht
18.03.2014, 11:50 Uhr
Mit der Kommunalwahl in Bayern erringt die CSU nun auch im roten München Erfolge. Horst Seehofer dominiert und hat keine ernsthafte Konkurrenz im Land. Selbst über seine denkbaren Nachfolger wird nur noch leise geredet. Dabei verschieben sich dort gerade die Gewichte
Horst Seehofer ist das zu Fleisch gewordene Plebiszit. Kaum ein Spitzenpolitiker in Deutschland orientiert seine Machtgestaltung so sehr am gefühlten Mehrheitswillen der Bevölkerung. Wo seine Gegner ihn anfangs als opportunistischen "Drehhofer" oder sprunghaften "Crazy Horst" verunglimpft haben, macht sich mittlerweile Erstaunen breit. Seine enorme Popularität und seine Wahlerfolge werfen die Frage auf, ob die postmodernen Mediendemokratien nicht gerade den offenen Stimmungsgestalter verlangen. Im Falle Seehofers wird dieser Effekt dadurch verstärkt, dass er die seit Ludwigzeiten in Bayern wabernden Sehnsüchte nach einem Staatsschauspiel bewusst bedient. Wie weiland Franz-Josef Strauß kultiviert Seehofer in seiner Machtausübung eine künstlerische, spielerische Note, die seinen Parteifreunden zuweilen den Blutdruck steigen lässt, die aber im freistaatlichen Wahlvolk durchaus gerne gesehen ist.
Doch Seehofer kann auch zwei handfeste Dinge vorweisen, die seine Position von der Sache her stärken. Zum einen geht es Bayern unter seiner Regentschaft so herausplatzend gut wie einer Blumenwiese im Frühling. Zum anderen hat er aus einer knorrig-verkanteten CSU eine reichlich moderne Schlagkrafttruppe geformt. Dass er seine vor wenigen Jahren noch schwer angeschlagene Partei inzwischen erstaunlich liberalisiert, verweiblicht, verjüngt hat, wird außerhalb Bayerns gerne übersehen.
Bei den Wahlen staunt die Republik
Nur bei Wahlen staunt der Rest der Republik, was da in Bayern eigentlich passiert. So nun wieder bei der Kommunalwahl. Denn die CSU ist – neben ihrer Dominanz auf dem Land - nach Jahrzehnten der Zaungasterei nun sogar dabei, die sozialdemokratische Betonhochburg München bürgerlich zu öffnen. Die rotgrüne Mehrheit im Stadtparlament ist gebrochen und die CSU schafft es bei der Oberbürgermeisterwahl erstmals seit 30 Jahren in die Stichwahl.
Das Wahlergebnis ist auch für die Machtarchitektur innerhalb der CSU interessant. Denn die Partei wird zusehends von der Frage geprägt, wer denn Horst Seehofer einmal beerben könnte. Aus dem vor Jahresfrist noch diskutierten Duell zwischen Markus Söder und Ilse Aigner ist mittlerweile ein Dreikampf geworden.
Söder ist der verkörperte Machtwillen der CSU. Was die einen als "Machiavellismus" an ihm kritisieren, schätzen andere als strategische Intelligenz und Durchsetzungskraft. Er ist der Mann der Zielstrebigkeit und hat sich seine fränkische Heimat – nicht zuletzt mit seinem neuen Heimatministerium - zur Bastion ausgebaut. Doch just darum trifft ihn das miserable Ergebnis der CSU in seinem Nürnberg und Fürth. Dass der SPD-Kandidat Maly in Söders Nürnberg mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt worden ist, schwächt Söder persönlich. Denn der Finanzminister braucht – wo Gutenberg den Glamour hatte und Aigner die Emotion mobilisiert – den Sacherfolg, die Räson, um einmal Ministerpräsident zu werden.
Der sissihafte Reiz der Ilse Aigner
Ilse Aigner wiederum ist die Seehofer-Nachfolge-Kandidatin der Herzen. Sie wird als authentische, integre Person, als Verkörperung des liebenswerten Oberbayern geschätzt. Ludwig Thoma ist ihr näher als Machiavelli. Und die Vorstellung, dass sie einmal erste bayerische Ministerpräsidentin werden könnte, hätte für das bajuwarische Staatsschauspiel allerlei sissihaften Reiz.
Doch auch sie nimmt von dieser Kommunalwahl eine Blessur mit. Ausgerechnet in ihrem Wahlkreis hat ein schillernder CSU-Landrat alle Vorurteile der alten Amigo-CSU mit prallem Leben erfüllt. So kommt die CSU in ihrem absoluten Herzlande nicht einmal mehr in die Stichwahl, und Aigner konnte das sich abzeichnende Debakel nicht rechtzeitig verhindern.
Und so wird dieser Tage häufig ein dritter Name genannt, wenn es um die Nachfolgegerüchte Seehofers geht. Alexander Dobrindt ist in der innerparteilichen Hierarchie mächtig nach vorne gerückt, ihm wird der spektakuläre Wahlerfolg des vergangenen Jahres ebenso wie die Modernisierung der Partei maßgeblich gut geschrieben. Er ist in Berlin schon jetzt die neue Nummer Eins der CSU. Sein Ministeramt in der Bundesregierung hat er geschickt vom bräsigen Eisen- und Autobahner zum Internet- und Mobilitätsmodernisierer umdefiniert. Er besetzt kurzerhand die Zukunftsthemen und will mit seiner clever eingefädelten "Netzallianz" aus Konzernen, Verbänden und Experten den Weg zum Turbo-Internet für alle ebnen. Die Vorstandsvorsitzenden der Internetindustrie suchen bereits ihn als Gesprächpartner der Bundesregierung. Dobrindt ist ein Agenda-Setter und Machtstratege zugleich. Kaum einer ist in der CSU so gut vernetzt wie er, und keiner ist so loyal zu Seehofer wie der Ex-Generalsekretär. Die Kommunalwahl ist – es passt in seinen Lauf - in seiner Heimatregion obendrein für die CSU siegreich verlaufen. Dobrindt wächst zur Figur heran, die das oberbayerische Aigner-Gefühl mit der fränkischen Söder-Machträson verbinden kann. Auf ihn wird man schauen müssen, wenn man wissen will, wie es der CSU in Zukunft geht.
Oder Seehofer überrascht am Ende alle erneut. Seine Ankündigung, die politische Karriere 2018 zu beenden, muss ja nicht das letzte Wort sein. Schon gar nicht bei einem solchen Freigeist der Macht.
Quelle: ntv.de