Steinbrück muss das TV-Duell gewinnen Seine letzte Chance
30.08.2013, 13:15 Uhr
Ihm liegt die Attacke, sie scheut die Konfrontation: Im TV-Duell kann Peer Steinbrück seine Stärken ausspielen. Aber der Zweikampf mit der Kanzlerin birgt viele Risiken für den SPD-Kandidaten. Und dann ist da noch das Problem mit Stefan Raab.
Gerhard Schröder will sich jetzt nicht unterbrechen lassen. Immer wieder setzt er an, um seine Frau zu verteidigen. Doris Schröder-Köpf hatte Angela Merkel in einem Interview kritisiert. Sie verkörpere mit ihrer Biografie nicht die Erfahrungen der meisten Frauen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei nicht ihre Welt. Schröder, der ausgebuffte Medienprofi, reagiert blitzschnell. Mit einer plötzlichen Liebeserklärung. "Sie lebt das, was sie sagt. Das ist nicht zuletzt der Grund, warum ich sie liebe", sagt er an diesem 15. September 2005 im TV-Duell. Merkel, die Herausforderin, ist sichtlich verunsichert. Punkt für den Medienkanzler.
Wie sich die Zeiten ändern. Acht Jahre später hat sich die Situation um 180 Grad gedreht. Merkel, inzwischen seit acht Jahren Kanzlerin, kann ihrem inzwischen dritten Fernsehduell am Sonntagabend (ab 18 Uhr im n-tv.de Liveticker, ab 20.30 Uhr bei RTL) relativ entspannt entgegenschauen. Der größere Druck liegt diesmal eindeutig bei ihrem Gegenüber. Für Peer Steinbrück ist das Aufeinandertreffen mit Merkel die letzte Chance. Bei keiner anderen Gelegenheit hat er die Möglichkeit, so viele Wähler auf einmal anzusprechen. Bei den Duellen zwischen Merkel und Schröder (2005) und Merkel und Steinmeier (2009) saßen 21 beziehungsweise 14 Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen. Gleich fünf Sender übertragen am Sonntag den Schlagabtausch.
Der Kanzlerkandidat müht sich heftig ab. Er sagt Sätze wie "Es ist noch gar nichts entschieden" und "In 24 Tagen endet der Stillstand". Steinbrück muss das sagen. Er ist im Wahlkampf-Tunnel. Nichts wäre demütigender für die Sozialdemokraten, als die Wahl jetzt schon verloren zu geben. Doch drei Wochen vor dem 22. September ist die Lage fast aussichtslos. Rot-Grün, die einzige von der SPD anvisierte Koalition, liegt in den Umfragen der großen Institute zwischen 33 und 38 Prozent.
"Nicht als Randalierer"
- Steinbrück eröffnet das 90-minütige Fernsehduell, Merkel darf das Schlussstatement halten
- Peter Kloeppel (RTL), Maybrit Illner (ZDF), Anne Will (ARD) und Stefan Raab (ProSieben) moderieren den Zweikampf
- Über Einblendungen der Zeitkonten soll garantiert werden, dass beide etwa die gleiche Redezeit bekommen
- Als Themen wurden Aktuelles, Arbeit und Soziales, Geld und Finanzen sowie Sicherheit vereinbart
- Laut einer ARD-Umfrage erwarten 48 Prozent die Kanzlerin vorn, 26 Prozent Steinbrück
- Eine weitere Umfrage ergab: 52 Prozent der Deutschen wollen sich das TV-Duell ansehen
Dabei ist der Herausforderer im Rededuell durchaus der Favorit. Rhetorisch ist er der Kanzlerin überlegen. Sie gilt nicht als große Rednerin, Steinbrück formuliert dagegen geschliffen, pointiert, gerne auch angriffslustig. Vor der Wahl gibt es nur deshalb lediglich einen Zweikampf zwischen den beiden, weil Merkel einen zweiten ablehnte. Sie setzt auf eine andere Taktik. Seit Monaten versucht die Kanzlerin ihren Konkurrenten einfach zu ignorieren. Steinbrücks Namen nimmt sie öffentlich nicht in den Mund. Seine Attacken lässt sie einfach an sich abperlen. Ihr liegt vor allem das Fernduell. Das könnte am Sonntag zum Problem werden. Denn hier muss sie unmittelbar reagieren.
Aber Steinbrücks größte Stärke ist häufig auch sein größtes Dilemma. Wenn er im Wahlkampf klare Kante zeigte, flogen ihm die eigenen Nebensätze gelegentlich um die Ohren. So übertrieben die Reaktionen dabei häufig auch waren: Geholfen hat ihm das nicht. Am Sonntag besteht wieder größtes Fettnäpfchen-Risiko. Ein falscher Satz kann entscheidend sein. In seiner Situation hat Steinbrück eigentlich wenig zu verlieren und doch ist der Druck groß: Er darf nicht überreizen oder sich provozieren lassen, nicht arrogant und kühl wirken. Die besonnene Kanzlerin neben einem bärbeißigen SPD-Kandidaten: Das sind die Bilder, die Steinbrücks Berater verhindern wollen. Die richtige Mischung ist gefragt. Er muss angreifen und verbale Treffer setzen, aber gleichzeitig zeigen, dass er auch die staatsmännische Diplomatie beherrscht. Für ihn selbst ist klar, dass er "nicht als Randalierer" auftritt.
Zu viel Pep durch Raab?
Der 66-Jährige arbeitet schon seit Wochen auf den Termin hin. 2005 konnte Steinbrück vor der NRW-Wahl auch aufgrund seiner Auftritte bei zwei TV-Duellen nochmal gegenüber seinem Herausforderer Jürgen Rüttgers zulegen. Wie er sich diesmal vorbereitet? "Gut. Ich bin ganz entspannt", sagte Steinbrück bei der Vorstellung seines 100-Tage-Programms. "Es wird unterhaltsam und bestimmt nicht langweilig." Und doch räumt er ein, dass es nicht einfach sei, in der Duellsituation gegen eine Frau zu bestehen.
Doch der heimliche Star des Abends ist sowieso ein anderer. Dass ausgerechnet Stefan Raab das Duell neben Maybrit Illner, Anne Will und Peter Kloeppel moderiert, sorgte im Vorfeld zeitweilig für mehr Aufregung als der bisherige Wahlkampf. Das Duell sei keine Showbühne für Mätzchen, so der Vorwurf der Kritiker. Auch Steinbrück lehnte Raab zunächst ab, bevor er schließlich doch noch zustimmte. Aber die Verantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten fürchten, dass der Moderator vielleicht zu viel Pep in die Debatte bringen und die Aufmerksamkeit zu sehr auf sich ziehen könnte. Was, wenn die Deutschen nach der Sendung mehr darüber diskutieren, ob der Pro7-Mann Politik kann und nicht, wer der bessere Kanzler ist? Einen positiven Effekt scheint Raab also zu haben. Ob mit einer Liebeserklärung à la Schröder oder auf anderem Weg: Steinbrück und Merkel müssen sich etwas einfallen lassen für Sonntag. Damit ihnen niemand die Show stiehlt.
Quelle: ntv.de