Hinweise auf Verwechslung Separatisten schießen weitere Kampfjets ab
23.07.2014, 14:05 Uhr
Archivbild eines ukrainischen Su-25-Jets.
(Foto: picture alliance / dpa)
Prorussische Rebellen schießen im Osten der Ukraine zwei weitere Kampfjets ab. Über den Verbleib der Piloten ist zur Stunde nichts bekannt. Zudem verdichten sich die Hinweise, dass es sich beim Abschuss der malaysischen Boeing um eine Verwechslung der Rebellen gehandelt haben soll.
Im Osten der Ukraine sind nach Angaben des Militärs zwei Kampfflugzeuge der Armee abgeschossen worden. Ein Sprecher der Streitkräfte sagte, über das Schicksal der Piloten der beiden Suchoi-Maschinen sei derzeit noch nichts bekannt. Auch ist noch nicht bekannt, durch welche Weise die Maschinen abgeschossen wurden.
Der Abschuss der beiden Kampfjets nährt die Vermutungen, dass die prorussischen Separatisten auch für die tödliche Attacke auf Flug MH17 verantwortlich sein sollen. Auch wenn derzeit kaum noch ein Zweifel daran besteht, dass das Flugzeug der Malaysian Airlines mit einer Boden-Luft-Rakete getroffen wurde, ist noch immer nicht geklärt, wer für den Beschuss verantwortlich ist.
Einem Korrespondenten der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zufolge, sollen ihm prorussische Kampfer bestätigt haben, dass sie am Absturztag kurz nach der Explosion den Befehl erhalten hätten, "zur Unglücksstelle zu fahren und die Piloten festzunehmen". Demnach sind die Separatisten offenbar davon ausgegangen, es habe sich bei der abgeschossenen Maschine um einen Kampfjet gehandelt, dessen Piloten sich mit dem Schleudersitz gerettet haben könnten.
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Niederlande in tiefer Trauer

Im ganzen Land sind Fahnen auf halbmast gesetzt, Radio und Fernsehen strahlen keine Werbung aus.
(Foto: dpa)
Am Nachmittag wird in den Niederlanden ein Flugzeug mit den ersten Überresten von Insassen der mutmaßlich abgeschossenen malaysischen Passagiermaschine erwartet. Die Maschine soll in Eindhoven im Süden des Landes landen, von dort werden die Leichen zu einem Militärstützpunkt nach Hilversum südöstlich von Amsterdam gebracht. Dort werden sie von Angehörigen, dem niederländischen Königspaar und Ministerpräsident Mark Rutte erwartet. Nach der Landung der Maschine soll im Land eine Schweigeminute abgehalten werden. Zudem wurde der heutige Mittwoch von der Regierung zum Tag der nationalen Trauer erklärt - dem ersten Volkstrauertag seit mehr als 50 Jahren.
Die Identifizierung der Toten kann bis zu mehrere Monate dauern. Den Niederlanden fiel die Aufgabe zu, weil die Mehrzahl der Opfer aus dem Land kommt: 193 der 298 Insassen von Flug MH17 waren Niederländer. Im ganzen Land wurden Fahnen auf halbmast gesetzt, Radio und Fernsehen strahlen keine Werbung aus.
Weitere Leichen entdeckt
Laut einem niederländischen Experten, der am Dienstag die Opfer des Absturzes untersuchte, die am Vortag von den Separatisten in einem Kühlzug nach Charkiw überstellt worden waren, befanden sich nur 200 Leichen in dem Zug. Die Separatisten hatten die Zahl mit 282 angegeben. Ein Sprecher der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sagte, Mitarbeiter hätten am Absturzort an mindestens zwei Stellen noch Leichenteile gesehen.
Diese Darstellung wurde von den Rebellen gestützt. Nach ihren Anlagen sollen am Absturzort noch immer 16 Leichen liegen. Im Absturzgebiet werden Experten erwartet, die sich in Kürze um die letzten Opfer der Tragödie kümmern sollen. Ein Kühlwaggon für den Abtransport wartet am Haltepunkt in Tores. In einem weiteren Waggon sollen sich persönliche Gegenstände der Passagiere befinden.
Der Westen hatte den Separatisten vorgeworfen, acht- und pietätlos mit den sterblichen Überresten der Opfer umzugehen. Zudem gab es Vorwürfe, sie würden Hinweise auf die Absturzursache beseitigen. Laut dem OSZE-Sprecher Michael Bociurkiw wurden am Absturzort tatsächlich Teile des Wracks mit schwerem Gerät bewegt. Allerdings könne dies auch zur Bergung von Opfern geschehen sein.
Blackbox wird in England ausgewertet
Auch der Flugschreiber der Maschine wurde unterdessen an niederländische Ermittler übergeben. Die malaysischen Experten, die das Gerät von den prorussischen Separatisten erhalten hatten, händigten es am Dienstagabend am Flughafen von Kiew dem Niederländischen Untersuchungsbüros für Sicherheit (OVV) aus, wie das Außenministerium in Den Haag mitteilte. Anschließend wurde die sogenannte Black Box, die den Flugdatenschreiber und den Stimmenrekorder enthält, zur Auswertung ins britische Farnborough gebracht.
Die Auswertung soll Hinweise auf die Absturzursache liefern. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass sie einen Rückschluss auf die Urheber des Angriffs zulässt.
Keine Beweise gegen Russland
Der US-Geheimdienst hat nach Regierungsangaben bisher keine Beweise dafür, dass Russland an dem mutmaßlichen Abschuss des Flugzeugs direkt beteiligt war. Demnach soll Boeing vermutlich "aus Versehen" von den prorussischen Separatisten abgeschossen worden sein. Wahrscheinlich habe eine "schlecht ausgebildete Besatzung" das eingesetzte Raketensystem nicht richtig beherrscht, sagte ein US-Geheimdienstbeamter.
"Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass es ein Fehler war", sagte der hohe US-Geheimdienstvertreter. Die bisher gesammelten Beweise deuteten darauf hin, dass die prorussischen Separatisten für den Abschuss verantwortlich waren, doch bleibe offen, wer "den Abzug betätigte". US-Regierungsvertreter sagten, zwar sei die Verlegung schwerer Waffen aus Russland in den Osten der Ukraine beobachtet worden, doch gebe es keine Beweise, dass auch Buk-Raketensysteme über die Grenze gebracht wurden.
Der Geheimdienstvertreter wies russische Angaben zurück, wonach die Boeing 777 der Malaysia Airlines vor ihrem Absturz ein Ausweichmanöver vollzog. Ein russischer General hatte am Montag gesagt, ein ukrainisches Kampfflugzeug habe sich kurz vor dem Absturz der Passagiermaschine wenige Kilometer entfernt befunden. Zudem sei die Boeing von ihrer Flugroute abgewichen.
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa/rts