Kosovo ist "unser Jerusalem" Serbien hadert mit IGH-Urteil
23.07.2010, 15:58 Uhr
Am Donnerstag beteten Serben für ein gerechtes Urteil.
(Foto: REUTERS)
Nachdem das höchste UN-Gericht die Unabhängigkeit des Kosovo für rechtens erklärt hat, wird in Serbien Kritik an der Regierung laut. Doch diese ignoriert Rücktrittsforderungen und will weiter um die Provinz kämpfen. "Man versucht, uns unser Jerusalem wegzunehmen", sagt der Patriarch. Bosniens Serben wollen sich nun ebenfalls abspalten.
Serbien hat nach Ansicht der Opposition durch das des Internationalen Gerichtshofs (IGH) "einen völligen Kollaps der Staatspolitik" erlebt. "Danach liegen wir mit der ganzen Welt im Konflikt", kritisierte Oppositionsführer Tomislav Nikolic in Belgrad. Die höchste Justizinstanz der Vereinten Nationen in Den Haag hatte die Unabhängigkeitserklärung der früheren serbischen Provinz Kosovo vor zweieinhalb Jahren für vereinbar mit dem Völkerrecht erklärt.
Die Regierung trat zu einer Sondersitzung zusammen. Sie reagierte nicht auf lauter gewordene Rücktrittsforderungen und will weiter machen wie bisher. Serbien setze auf die UN-Vollversammlung im September teilte, teilte auch Staatschef Boris Tadic mit. Dort sollten trotz des IGH-Entscheids neue Verhandlungen über das Kosovo durchgesetzt werden.
"Haben wir heute irgendwelche Freunde?"

Serbiens Präsident Tadic will auf der UN-Vollversammlung neu verhandeln.
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"Ein Minister liegt mit Russland, der zweite mit Deutschland und der dritte mit den USA im Streit", kritisierte der Oppositionsführer die Regierungspolitik in Sachen Kosovo. "Haben wir heute irgendwelche Freunde?", fragte er rhetorisch und verlangte, Staatspräsident Boris Tadic müsse ein Krisentreffen aller Spitzenpolitiker einberufen. Dabei sollte die schwere Niederlage Belgrads vor dem IGH analysiert werden.
Der IGH-Spruch "ist noch eine Bestätigung, dass die Politik über Recht und Gerechtigkeit steht", kritisierte die serbische Akademie der Wissenschaften. Eine "politische Entscheidung" sah auch "Blic", die größte Zeitung des Landes. "Es hat sich gezeigt, dass diejenigen Recht hatten, die warnten, das Gericht sei keine unabhängige Institution." "Eine unerwartet parteiische Entscheidung", kritisierte die Zeitung "Novosti", titelte jedoch: "Serbien gibt nicht auf!". Der Leiter des serbischen Rechtsteams vor dem IGH, Tibor Varadi, sprach von "Manipulation".
Versuch, "unser Jerusalem wegzunehmen"
"Man versucht, uns unser Jerusalem wegzunehmen, alles Heilige und alle Heiligtümer", sagte der serbisch-orthodoxe Patriarch Irinej mit Blick auf die vielen historischen serbischen Klöster und Schlachtfelder im Kosovo. Zu einem vom Patriarchen eigens für das Kosovo gelesenen Bittgottesdienst in der Kathedrale in Belgrad waren am Donnerstagabend jedoch nur enttäuschend wenige Gläubige gekommen.
Die Serben im benachbarten Bosnien drohten, das Gutachten für sich auszunutzen und sich nun ebenfalls abzuspalten. "Die Serbenrepublik könnte noch heute Abend eine Deklaration über ihre Selbstständigkeit annehmen, die keinen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellte", zitierten die Medien den Regierungschef der serbischen Landeshälfte Bosniens, Milorad Dodik. "Das Urteil ist ein guter Wegweiser für den weiteren Kampf um den Status und die Zukunft", sagte Dodik weiter. "Wir sind schon lange nicht mehr glücklich, dass wir uns in Bosnien-Herzegowina befinden."
Spanien bleibt bei Position
Die Balkanstaaten Kroatien und Mazedonien begrüßten die Entscheidung des IGH. Das Rechtsgutachten werde "zur Stabilisierung der Region beitragen", sagte der kroatische Außenminister Gordan Jandrokovic nach Angaben der Nachrichtenagentur Hina. Kroatiens Staatschef Ivo Josipovic erklärte, die Lösungen für alle offenen Fragen zwischen den Staaten der Region lägen in einer künftigen EU-Mitgliedschaft. Serbien und das Kosovo sollten sich einem "konstruktiven Dialog" zuwenden, um dauerhaft Stabilität und Frieden zu ermöglichen.
Das mazedonische Außenministerium erklärte in Skopje, die Entscheidung des IGH sei "eine gute Basis und mächtige Ermutigung", gutnachbarschaftliche Verhältnisse zu entwickeln und die regionale Zusammenarbeit zu verbessern. Sie helfe auch, das Vertrauen zwischen den Staaten der Region zu verstärken. Kroatien und Mazedonien erkennen die Unabhängigkeit des Kosovo an. Spanien erklärte dagegen, an seiner Ablehnung der Unabhängigkeit des Kosovo festhalten zu wollen.
Quelle: ntv.de, dpa