Politik

Gelöbnis doch vor Reichstag? "Signale" aus Berlin

Nach tagelangem Streit könnte das Bundeswehr-Gelöbnis in Berlin möglicherweise doch noch vor dem Reichstagsgebäude stattfinden. "Wir haben Signale empfangen, dass es beim Land Berlin offenbar ein Umdenken gibt", sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Die "Stuttgarter Nachrichten" und die "Kölnische Rundschau" berichten sogar, das Ministerium habe bereits mit den Vorbereitungen begonnen, die Feierlichkeiten am 20. Juli auf den Rasenplatz zu verlegen.

Andererseits hatte das Verteidigungsministerium bereits beschlossen, dem unwürdigen Gezerre ein Ende zu bereiten und die Vereidigung wie seit 1999 üblich am Bendlerblock auf dem Gelände des Ministeriums stattfinden zu lassen. Und so verwies auch ein anderer Sprecher im Gegensatz zu Raabe lediglich auf den ablehnenden Bescheid des Bezirksamts Berlin-Mitte für die Veranstaltung vor dem Reichstagsgebäude, bei der Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) die Gastrede halten soll. "Zunächst mal müsste der Bescheid zurückgenommen werden, erst dann kann man weitersehen."

Sprecher Raabe verlangte laut der Zeitung, das Land Berlin müsse "angesichts der Kürze der Zeit die Rahmenbedingungen für ein sicheres und würdiges Gelöbnis schaffen". Damit dürfte er eine kurzfristige Genehmigung meinen, die juristisch auch nicht mehr angefochten werden kann.

Wowereit schaltet sich ein

Der "Berliner Morgenpost" zufolge schaltete sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) persönlich in die Sache ein, nachdem das Ministerium bei ihm nach einer Lösungsmöglichkeit gefragt hatte. Verhandlungsbasis für Gespräche mit den beteiligten Behörden sei, dass die weiträumige Absperrung, die der Grund für die Ablehnung durch das Bezirksamt Mitte war, reduziert werde. Senatssprecher Richard Meng sagte, der Senat wolle, dass das Gelöbnis vor dem Reichstagsgebäude stattfinde, "und wir sind optimistisch".

SPD: Fehler liegt beim Ministerium

Unterdessen sieht die SPD-Bundestagsfraktion den entscheidenden Fehler beim Verteidigungsministerium und nicht bei der Behörde der Stadt. Der Verteidigungsexperte der Fraktion, Rainer Arnold, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Die Verantwortung für das, was schiefgegangen ist, liegt eindeutig im Bundesministerium der Verteidigung." Vor dem formellen Antrag an das Grünflächenamt des Stadtbezirks hätte es eine Klärung zwischen Ministerium und Senat geben sollen. Arnold kritisierte auch die Pläne des Ministeriums, das Areal weiträumig abzuriegeln. "Gegen das Gelöbnis vor dem Reichstag ist überhaupt nichts einzuwenden. Es ist richtig, dass die Soldaten sich in der Öffentlichkeit zeigen. Wenn man aber die Absperrung so weiträumig macht, dass der Reichstag nur noch als Kulisse dient, dann ist vom öffentlichen Gelöbnis auch nicht mehr viel übrig."

"Übernutzung" des Rasens und Würde des Ortes

Das Bezirksamt Berlin-Mitte hatte den Antrag des Verteidigungsministeriums abgelehnt, weil die Bundeswehr das Gelände weiträumig absperren wollte und dies nach einem Verwaltungsgerichtsurteil im Sinne der Demonstrationsfreiheit nicht zulässig sei. Die Wogen der Entrüstung kochten vor allem hoch, weil das zuständige Grünflächenamt auf eine "Übernutzung der Rasenfläche" vor dem Reichstag hinwies. Die zahlreichen dort beantragten Feiern würden den Platz der Republik zur reinen Veranstaltungsfläche abwerten. Auch eine Stelle in dem Schreiben war wohl, wie es der Bürgermeister des Bezirksamts Mitte, Christian Hanke (SPD), nannte, "unglücklich formuliert". Eine Genehmigung gebe es nur, so die Behörde in dem kritisierten Brief, "wenn das überwiegende öffentliche Interesse dies erfordert und die Folgebeseitigung gesichert ist". Zwar sei das jährliche Rekrutengelöbnis im allgemeinen öffentlichen Interesse - es sei aber nicht unabdingbar nötig, dies vor dem Bundestag zu veranstalten. Hanke später: "Wir unterstützen das Gelöbnis im Grundsatz."

Ex-Minister appellieren

Vier Ex-Verteidigungsminister plädierten derweil für die militärische Zeremonie vor dem Reichstag. "Lasst unsere Soldaten ihr Gelöbnis vor dem Reichstag feiern", verlangten Volker Rühe, Rupert Scholz (beide CDU) und Rudolf Scharping (SPD) in der "Bild"-Zeitung. Dass deutsche Soldaten ihre Treue zur Verfassung nicht am Bundestag beeiden dürften, "verhöhnt die Prinzipien unseres Staates und seiner Verfassungsorgane". Ex-Verteidigungsminister und SPD-Fraktionschef Peter Struck (SPD) sagte: "Ich bin dafür, dass das Gelöbnis vor dem Reichstag stattfinden kann." Schließlich habe er sich 2005 als Verteidigungsminister zum 50-jährigen Bestehen der Bundeswehr für einen Großen Zapfenstreich vor dem Bundestag eingesetzt.

Seit 1999 legen Rekruten in Berlin am 20. Juli ihr Gelöbnis ab. In den vergangenen Jahren wurde es mit mehreren tausend Gästen auch aus Sicherheitsgründen stets am Bendlerblock veranstaltet, in dessen Innenhof nach einem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 einige der Attentäter hingerichtet worden waren. Die Bundeswehr will damit den militärischen Widerstand gegen Hitler würdigen. In diesem Jahr wollte sie das Gelöbnis wegen Baumaßnahmen am Ministerium ausnahmsweise vor dem Bundestag abhalten.

Quelle: ntv.de

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