Gemeinsam gegen Isis-Terroristen Sind die Mullahs jetzt die Guten?
20.06.2014, 18:02 Uhr
Bilder von Ajatollah Ali Chamenei in Bagdad: Der Iran könnte die irakische Hauptstadt gegen die Angriffe der Isis-Truppen schützen.
(Foto: REUTERS)
Im Irak geht die Angst um, dass die brutalen Isis-Truppen auch die Hauptstadt Bagdad einnehmen. Der Iran könnte helfen. Sollten die USA ihren Erzfeind gar unterstützen?
Es ist noch nicht besonders lange her, da wurde in den USA ernsthaft darüber diskutiert, den Iran zu bombardieren. Die Republikaner überboten sich damit, wie hart sie gegen das Regime in Teheran vorgehen wollen und verspotteten Barack Obama für seine weiche Haltung. Seitdem hat sich einiges getan. Der Iran hat einen neuen Präsidenten gewählt, der liberaler ist, als man es vor der Wahl für möglich gehalten hatte. Hassan Ruhani fährt die Drangsalierungen der eigenen Bevölkerung zurück, mäßigt sich im Ton gegen Israel und zeigt sich kooperativ in den Atomverhandlungen. Die USA lockerten im Gegenzug Sanktionen.
Nun, da im Irak ein gemeinsamer Feind der beiden Staaten auftaucht, ist sogar eine Zusammenarbeit vorstellbar. Zwar wollen Amerikaner und Iraner nicht Seite an Seite kämpfen, aber sich zumindest abstimmen wenn es darum geht, die brutalen Isis-Truppen zurückzuschlagen. Erste Beobachter hoffen darauf, dass der Iran bald die Rolle ausfüllt, die er sich schon lange wünscht: eine anerkannte Regionalmacht mit starkem Einfluss auf die anderen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens. Bislang war das ein Horrorszenario aus Sicht des Westens. Nun, da der Iran weniger radikal auftritt und gleichzeitig die Isis-Truppen die Region terrorisieren, könnte es die weniger schlechte Option sein, den Iran zu stärken. Gleichzeitig wäre es ein enormes Wagnis.
Iran könnte Bodentruppen schicken
Isis mordet bei seinen Feldzügen mit rücksichtsloser Brutalität. Es wird von grausamster Folter, von Kreuzigungen und Massenerschießungen berichtet. Der Terror richtet sich gegen alle, die nicht der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam angehören. Selbst Al Kaida ist diese Linie zu hart. Das erklärte Ziel von Isis ist es, auf Gebieten Syriens und des Iraks einen Gottesstaat zu errichten und sich von dort auszubreiten.
Der Iran will verhindern, dass an seinen Grenzen ein Terrorstaat entsteht und die Gebiete um diesen Staat herum ins Chaos stürzen. Die Revolutionsgarden sollen sich darauf vorbereiten, Bagdad zu schützen. Der Kampf gegen den Terror bringt den Iran mit den USA zusammen, dabei liefert sich der Iran gleichzeitig in Syrien einen Stellvertreterkrieg mit dem USA-Verbündeten Saudi-Arabien: Die Perser unterstützen das Assad-Regime, die Saudis fördern Rebellengruppen.
Angesichts der Lage im Irak tritt das in den Hintergrund. Washington kann über das Engagement Teherans nur erfreut sein, denn die USA wollen auf keinen Fall wieder mit Bodentruppen in das Land. Der Iran ist wohl das einzige andere Land, das mit Bodentruppen dienen könnte. Eine Abstimmung zwischen beiden Armeen könnte notwendig werden, um zu verhindern, dass die Amerikaner aus der Luft nicht versehentlich auf Iraner schießen. Das ist noch keine militärische Kooperation, wäre aber vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen.
Kein Beweis für den guten Willen
Die Verlockung für die USA erscheint groß, angesichts der guten Entwicklung und der produktiven Rolle des Iran die Annährung voranzutreiben, also zum Beispiel, weitere Sanktionen zu lockern. Doch die Amerikaner zögern, die Irakkrise müsse von den Atomgesprächen "streng getrennt" werden, heißt es aus dem State Department. Denn die Gefahr, dass der Iran eine Atombombe baut, ist noch lange nicht gebannt. Zwar ist immer wieder von einer "kooperativen Atmosphäre" in den Gesprächen die Rede, die nachweisbaren Schritte sind aber nur symbolischer Natur. Noch haben die USA keinen Beweis dafür, dass es der iranische Präsident Ruhani mit seinem freundlichen Kurs ernst meint. Und selbst wenn es so wäre: Ruhani ist im Iran immer nur der zweitwichtigste Mann. Der Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei könnte die politische Richtung jederzeit umkehren – was viele einflussreiche Politiker im Iran fordern.
Und trotz aller Fortschritte betreibt das Regime im Iran noch immer eine menschenverachtende Politik: Noch immer wird das Volk unterdrückt, noch immer unterstützt der Iran den syrischen Präsidenten Assad, die libysche Terrororganisation Hisbollah und die extremistische Palästinenserpartei Hamas. Die USA haben sich schon oft Stabilität erkauft, indem sie Despoten förderten: Saddam Hussein und Husni Mubarak sind nur zwei Beispiele. Langfristig hat sich das nie als sinnvolle Politik erwiesen. Sich nach diesem Muster auch noch mit den Mullahs in Teheran gemein zu machen, würde nicht zu Barack Obamas bisheriger Außenpolitik passen.
Quelle: ntv.de